Brautraub in Kirgisistan:Krimineller Hochzeitsbrauch

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Brautraub in Kirgisistan: Selbst ist die Frau: Die härtere Bestrafung für Brautraub ist ein wichtiger Schritt für die Selbstbestimmung der Frauen Kirgisistans.

Selbst ist die Frau: Die härtere Bestrafung für Brautraub ist ein wichtiger Schritt für die Selbstbestimmung der Frauen Kirgisistans.

(Foto: AFP)

Ein ehestiftendes Verbrechen: Jedes Jahr werden in Kirgisistan etwa 15.000 Frauen entführt und zur Heirat gezwungen. Nun soll ein neues Gesetz die weit verbreitete Tradition der noch jungen Demokratie endlich unterbinden.

Von Frank Nienhuysen, Moskau

Die Braut entführen, man kennt das aus Deutschland. Wenn ein paar Freunde sie in die nächste Dorfkneipe bringen und warten, dass der Bräutigam sie findet und auslöst mit der bezahlten Zeche. Für die Hochzeitsgesellschaft ist das meistens ein harmloser Spaß. In der Heimat von Dinara Isakowa gibt es andere Traditionen, bittere.

Die Kirgisin, die ihren echten Namen nicht sagen will, ist am Geburtstag ihrer Mutter entführt worden. Von einem Kollegen, den die Lehrerin nur flüchtig vom Grüßen kannte. Nach einem Konzert bot er ihr an, sie mit dem Auto nach Hause zu fahren. "Damals dachte ich, warum nicht, ich hatte es etwas eilig, es war ja der Geburtstag meiner Mutter". Dort aber kam sie nicht an.

Ein Freund des Kollegen saß ebenfalls im Auto, ein weiterer stieg hinter der nächsten Straßenecke ein. Sie waren zu dritt, Isakowa war allein. Sie fuhren eine Stunde, zwei, drei, hinaus aus der Stadt Osch im Süden Kirgisistans. Bis sie an seinem Elternhaus ankamen. "Ich versuchte ihn zu überreden, ihm klarzumachen, dass es nicht gut ist, was er da tut." Aber da schwankte sie schon zwischen der Hoffnung, ihre Eltern würden ihr helfen, und dem Gedanken, dass dies nun vielleicht ihr Schicksal sei.

Tradition als Rechtfertigung

"Damals hatte ich nicht das Gefühl oder das Wissen, irgendwelche Rechte zu haben", sagt sie. "Ich wusste nur, wenn ich einmal in diesem Haus bin, gibt es kein Zurück mehr." Isakowa wehrte sich und hatte doch keine Chance. Sie schrieb noch einen Brief an ihre Eltern, sagte ihnen, wo sie sei und dass es ihr ganz gut gehe. Aber sie bat sie auch am Ende, herzukommen und sie herauszuholen aus diesem fremden Haus. Dieser Satz aber wurde ihr herausgeschnitten. Eine Woche später war Isakowa verheiratet.

Zehn Jahre ist das nun her, längst ist sie schon wieder geschieden. Aber es gibt längst auch schon wieder andere Fälle, Tausende, Zehntausende. Brautraub ist immer noch weit verbreitet in dem mittelasiatischen Land. Etwa 15.000 Frauen werden in Kirgisistan jährlich entführt und zur Heirat gezwungen. Vor allem im Süden und Norden, wo dies von vielen Kirgisen als eine Art Tradition gerechtfertigt oder einfach hingenommen wird, je nach Sichtweise.

In Bischkek aber, der Hauptstadt des Landes, herrscht nun Demokratie, der Wille, sich an westlichen Werten zu orientieren. Und so hat sich eine Mehrheit im Parlament zu einem neuen Gesetz durchgerungen, mit dem die Entführungen bekämpft werden sollen. Ist das Opfer mindestens 17 Jahre alt, droht dem Entführer erstmals eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren. Bisher musste er allenfalls damit rechnen, dass er zu bestimmten Zeiten das Haus oder die Gemeindegrenzen nicht verlassen darf oder von Großveranstaltungen fernbleiben muss. Meistens aber passierte einfach gar nichts. Für den Raub eines jüngeren Mädchens zur Heirat wird die bisherige Haftstrafe auf bis zu zehn Jahre erhöht.

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