Brasilien prüft Verfassung:Das Grundrecht auf Glück

In dem Schwellenland Brasilien gilt das Grundrecht auf Bildung, Gesundheit und Sicherheit nur in der Theorie. Nun will ein Senator auch noch das Streben nach Glück in die Verfassung aufnehmen.

Violetta Simon

Reichtum, Gesundheit, Liebe - unter Glück versteht jeder etwas anderes. Auf jeden Fall sind alle Menschen auf der Suche danach. Doch hat man als Bürger ein Recht auf sein Glück? Dieser Frage geht derzeit die Regierung von Brasilien auf den Grund.

Brasilien prüft Verfassung: Tanzen und singen an der Copacabana in Rio de Janeiro - für viele Europäer der Inbegriff des brasilianischen Way of Life. Doch in dem Schwellenland lebt ein Großteil der Bevölkerung in Armut.

Tanzen und singen an der Copacabana in Rio de Janeiro - für viele Europäer der Inbegriff des brasilianischen Way of Life. Doch in dem Schwellenland lebt ein Großteil der Bevölkerung in Armut.

(Foto: AP)

Der brasilianische Senator Cristovam Buarque hat gefordert, das Streben nach Glück als Grundrecht in die Verfassung aufzunehmen. Das Nachrichten-Portal estadao.com hatte bereits im November 2010 von der Idee des Politikers berichtet, erstmals war Buarque im Juli vergangenen Jahres damit an die Öffentlichkeit gegangen. Nun will das Parlament den Vorschlag des 66-Jährigen prüfen.

Die Suche nach Glück müsse "das Recht eines jeden Brasilianers" werden, sagte Buarque. Die Glückssuche vervollständige die bereits in der Verfassung verankerten sozialen Rechte wie Bildung, Gesundheit oder Sicherheit und gebe ihnen damit erst einen Sinn. "Diese sozialen Rechte sind das Gelände, die Glückseligkeit ist der Weg", sagte Buarque.

In den USA wurde das Streben nach Glück ("pursuit of happiness") bereits 1776 in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verankert: "We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness."

Auch die Deutschen nehmen das Glück mittlerweile nicht mehr auf die leichte Schulter: So führte 2007 die Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg das Fach "Glück" ein - und zwar nicht als freiwilliges Nebenfach, sondern mit Relevanz fürs Abitur. Pädagogen, Schauspieler und Entspannungstherapeuten erarbeiten mit den Schülern Themen wie Selbstbild und Idealbild, seelisches und körperliches Wohlbefinden und soziale Kompetenz. In die deutsche Verfassung indes hat es das Glück bislang noch nicht geschafft.

Ob das Streben nach Glück künftig auch in Brasilien jedem Menschen ermöglicht werden soll, ist noch offen. Derzeit befasst sich der Menschenrechtsausschuss des brasilianischen Senats mit dem Vorschlag. Um zu einer Abstimmung im Plenum zugelassen zu werden, müssen mindestens 26 Senatoren das Gesetz unterstützen.

Dass die Glückssuche bald ein verfassungsmäßiges Recht in Brasilien wird, daran zweifelt allerdings selbst der Urheber der Idee, Senator Buarque: "Dieser Prozess kann noch Jahre dauern."

Noch zweifelhafter ist allerdings, ob eine Änderung der Verfassung zugleich auch eine Veränderung der Lebensqualität in Brasilien mit sich brächte. Ebensowenig wie die Verfassungsrechte auf Bildung, Gesundheit oder Sicherheit jeden Bürger in der Realität erreicht, dürfte auch das Streben nach Glück nur eine schöne Theorie bleiben: Obwohl Brasilien zu den zehn größten Industrienationen der Welt gehört, lebt ein Großteil der Bevölkerung in Armut. Diesen Menschen bleibt weiterhin nur der Traum vom Glück - immerhin wäre er dann staatlich verbrieft.

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