Boris Becker im SZ-Magazin:"Ich bin kein Massenmörder"

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Zur Hochzeit will Boris nichts sagen. Am Ende ist sie dann doch wieder das einzige Thema. Und er fragt sich: Warum ist das so?

Tobias Haberl, Alexandros Stefanidis

SZ-Magazin: In vier Wochen werden Sie zum zweiten Mal heiraten. Nervös? Boris Becker: Eine Sache will ich gleich mal klären: Zu meiner Hochzeit will ich nichts sagen. In diesem Interview soll es um den Unternehmer Boris Becker und den Menschen Boris Becker gehen, nicht um meine Frau oder meine Kinder.

Lieber in der kontrollierten Offensive als in der Verteidigungshaltung: der Unternehmer Boris Becker. (Foto: Foto: ddp)

SZ-Magazin: Aber es ist doch der Mensch Boris Becker, der in vier Wochen vor dem Altar stehen wird. Becker: Sie können ja versuchen, Fragen zu stellen, die Sie über einen Umweg ans Ziel bringen.

SZ-Magazin: Wir versuchen es direkt. Vor sechs Wochen haben Sie Deutschland geschockt, als Sie ausgerechnet bei Wetten dass . . ? Ihre Hochzeit mit Lilly Kerssenberg verkündet haben. Becker: Das habe ich bewusst gemacht. Wenn ich ganz normal Einladungen an Freunde verschickt hätte, wäre es am nächsten Tag sowieso in der Zeitung gestanden. Ich bin lieber in der kontrollierten Offensive als in der Verteidigungshaltung. Und ich wusste, bei Wetten dass . . ? schauen elf Millionen Menschen zu. Die sollten die Gelegenheit haben, für zwei Stunden einen Eindruck von meiner zukünftigen Frau zu bekommen.

SZ-Magazin: Der Hochzeitsplan muss ein Schnellschuss gewesen sein. Becker: Wie kommen Sie darauf? Ich werde in diesem Jahr 42. Glauben Sie mir, den spontanen Becker, der nur aus dem Bauch heraus handelt, den gibt es schon lange nicht mehr.

SZ-Magazin: Aber ein paar Wochen vorher wollten Sie doch noch Sandy Meyer-Wölden heiraten. Becker: Ich kenne Lilly seit viereinhalb Jahren, diese Hochzeit ist alles andere als ein Schnellschuss. Hier geht es um Liebe, damit gehe ich nicht leichtfertig um.

SZ-Magazin: Aber viele haben Ihre Botschaft als Trotzreaktion auf die gescheiterte Beziehung mit Frau Meyer-Wölden gewertet, dazu kam, dass Ihre Ex-Frau Barbara gerade ihre Hochzeit verkündet hatte. Becker: Die Leute können viel interpretieren. Wichtig ist, dass die mir nahe stehenden Menschen wissen, aus welchen Gründen wir unser Glück offensiv und zu diesem Zeitpunkt öffentlich gemacht haben.

SZ-Magazin: Haben Sie am Tag danach in die Zeitung geschaut, wie Ihr Auftritt ankam? Becker: Ich habe kurz die BamS überflogen, aber über mich steht alle paar Wochen irgendwo eine Schlagzeile. Das lese ich nicht alles. Mich interessiert: Steht da was Unverschämtes? Geht das gegen meine Familie? Ist das rechtlich haltbar? Der Rest ist mir egal. Aber jetzt reden wir ja schon wieder über dieses Zeug. Wann kommen endlich die wichtigen Themen?

Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Es gab eine Zeit, da wollte ich die Richtige gar nicht finden, da habe ich mich verliebt und gedacht: Oh Gott, was für ein Unglück!"

SZ-Magazin: Die kommen noch, keine Angst. Wir haben verstanden: Diesmal sind Sie sich wirklich sicher? Becker: Ja. In Deutschland liegt die Scheidungsrate bei mehr als 50 Prozent, als klar denkender und erwachsener Mensch könnte man da auch sagen, ich heirate lieber nicht, das ist mir zu brenzlig. Aber als Mann mit Herz und Gefühlen bin ich sicher, das ist der richtige Schritt. Darf ich mal fragen, wie alt Sie beide sind?

Boris Becker tritt mit seiner Ex-und-wieder-Freundin Lilly Kerssenberg vor den Traualtar. Ob das gutgeht? (Foto: Foto: AP)

SZ-Magazin: 33. Becker: Spannendes Alter.

SZ-Magazin: Inwiefern? Becker: Weil mit Anfang 30 die verrückte Studentenzeit vorbei ist. Man hat ein paar Fehler gemacht, verdient endlich ein bisschen Geld und will sesshaft werden, eine Familie gründen, seinem Leben einen Inhalt geben. Ich bin Familienmensch. Ich bin lieber angekommen als auf der Suche.

SZ-Magazin: Den Eindruck hatten wir die letzten zehn Jahre nicht. Becker: Natürlich war das mal anders. Es gab eine Zeit, da wollte ich die Richtige gar nicht finden, da habe ich mich verliebt und gedacht: Oh Gott, was für ein Unglück!

SZ-Magazin: Wie oft kam das vor? Becker: Häufiger. Ersparen Sie mir die genaue Zahl. Aber heute irre ich nicht mehr gern durch die Nebenstraßen einer Stadt, ich flaniere lieber an der Seite meiner Partnerin die Hauptstraße entlang. Ich habe damals versagt und versuche es heute besser zu machen.

SZ-Magazin: Ihr früherer Trainer Günther Bosch hat Sie mal einen Egomanen genannt. Er hat sogar die Befürchtung geäußert, Sie könnten zu einer Art Dieter Bohlen mutieren. Becker: Das war beleidigend. Wenn Dieter Bohlen so über meine Tochter oder meine Söhne sprechen würde, wie er das über manchen Kandidaten von DSDS macht, würde ich mich ins Auto setzen, hinfahren und ihm den Hintern versohlen. Wenn diese Art der Unterhaltung, für die Dieter Bohlen steht, akzeptiert und respektiert wird, wenn sogar viel Geld dafür gezahlt wird, läuft doch in unserem Land etwas falsch.

SZ-Magazin: Aber vielleicht waren Sie zu egoistisch damals. Becker: Mit Sicherheit nicht. Sie können gern meine Ex-Frau anrufen. Sie wird sagen: Boris hat sich damals wie auch heute toll um seine Familie gekümmert.

SZ-Magazin: Sie waren untreu. Becker: Untreue ist meist ein Ergebnis einer unbefriedigenden Beziehung.

SZ-Magazin: Nicht unbedingt. Wenn die Gelegenheit stimmt ... Becker: Also an der passenden Gelegenheit hat es in meinem Fall nicht gemangelt, das können Sie mir glauben. Ich weiß heute einfach besser als früher, wie hoch der Preis ist, den man für einen Fehltritt zahlen muss. Wenn ich das heute immer noch nicht kapiert hätte, wäre mir nicht mehr zu helfen.

SZ-Magazin: Kennen Sie das Gefühl, dass man im Moment des Verliebens schon die Angst verspürt, dass sich die Getriebenheit und der Jagdinstinkt wieder melden werden? Becker: Ich kenne es von früher, heute ist das weg. Nicht mal mir gelingt es, mir permanent etwas vorzumachen; irgendwann muss auch ich in den Spiegel schauen und sagen: Ja, das Älterwerden hat Vorteile, ich bin wirklich entspannter als früher.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Diese Menschen sollen mich in Ruhe lassen: Ich bin kein Massenmörder, ich habe keine Kinder vergewaltigt, es ist jetzt 16 Uhr und es steht auch noch kein Pils auf dem Tisch, ich habe nur ein paar Fehler gemacht."

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SZ-Magazin: Das haben Sie schon öfter behauptet. Angst, dass diese Ehe wieder scheitern könnte? Becker: Angst ist immer da, aber ich kann Lilly jetzt auch nur heiraten, weil ich mir sicher bin, dass es meinen drei Kindern gut geht. Das war vor fünf Jahren noch nicht der Fall. Ich habe jahrelang nichts anderes gemacht, als durch die Weltgeschichte zu fliegen und darum zu kämpfen, meine Familie zusammenzuhalten und zusammenzuführen. Das war anstrengend und teuer und hat Jahre gedauert. Und wenn da irgendwas wackeln würde, könnte ich diesen Schritt nicht machen. Heute bin ich stolz, dass ich trotz Scheidung, unehelichem Kind und Steuerprozess immer für meine Kinder dagewesen bin. Jetzt kann ich mich wieder ein wenig um mich kümmern, weil ich weiß: Die drei wichtigsten Menschen in meinem Leben sind in einem sicheren Hafen.

SZ-Magazin: Sie haben mal gesagt: Ich wäre froh, wenn mir endlich jemand die Liebe erklären könnte. Haben Sie die Liebe heute verstanden? Becker: Wenn ich das hätte, wäre ich ein Philosoph und würde intelligente Bücher schreiben. Ich bin aber nur ein ganz normaler Mann. Seit Jahren werde ich ständig wegen meines Privatlebens angegriffen. Früher habe ich mich nicht gewehrt, aber inzwischen stelle ich den Journalisten Gegenfragen.

SZ-Magazin: Welche denn? Becker: Haben Sie die Liebe gefunden? Führen Sie eine glückliche Beziehung? Schauen Sie sich nie nach einem anderen Rock um? Es gibt Journalisten, die greifen mich an, sind aber dreimal geschieden, haben fünf Kinder, sind Alkoholiker und übergewichtig. Niemand schafft es, ein perfektes Privatleben zu führen. Und ich werde es auch nie schaffen. Diese Menschen sollen mich in Ruhe lassen: Ich bin kein Massenmörder, ich habe keine Kinder vergewaltigt, es ist jetzt 16 Uhr und es steht auch noch kein Pils auf dem Tisch, ich habe nur ein paar Fehler gemacht.

SZ-Magazin: Warum so sicher, dass Lilly die Richtige ist? Becker: Weil ich uneingeschränktes Vertrauen in sie habe und mir sicher bin, dass sie mich aus dem richtigen Grund liebt. Welcher ist das? Sie liebt den Menschen Boris Becker und hat den Kern seines Wesens erkannt.

SZ-Magazin: Kann es sein, dass die deutsche Öffentlichkeit diesen Kern nicht erkannt hat? Früher waren Sie ein Held, ein Idol, wir haben den Eindruck, diese Liebe der Deutschen zu Ihnen hat nachgelassen. Becker: Die deutsche Öffentlichkeit? Das ist mir zu schwammig. Wer soll das sein? Die Süddeutsche Zeitung? Die Bild? Oder der Fan im Fußballstadion? Wenn ich in Deutschland über die Straße gehe, sind mir die meisten Menschen wohlgesonnen, da pfeift keiner, da spuckt mir keiner auf die Füße, die Menschen respektieren mich, vielleicht haben sie mich sogar gern.

SZ-Magazin: Aber viele reduzieren Sie auf Ihre Frauengeschichten. Becker: Das ist jetzt merkwürdig für mich. Sie sitzen hier und reden über mich, und ich höre das und kann mich nur wehren, indem ich Ihnen erzähle, warum ich eigentlich mit Tennis angefangen habe: Ich wollte nicht geliebt werden, ich wollte der beste Tennisspieler der Welt sein. Natürlich gab es danach eine Zeit, in der die Menschen mich auch angefeindet haben, wegen meiner Scheidung oder der Steuersache, aber ich habe meine Fehler zugegeben und dafür bezahlt. Heute merke ich, dass die Leute mich wieder anerkennen.

SZ-Magazin: Man liebt Sie nicht mehr, aber akzeptiert Sie heute? Becker: Mir wird wieder Respekt entgegengebracht, mehr als früher. Und Respekt ist mir hundertmal wichtiger, als angehimmelt oder verherrlicht zu werden. Einem Mann geht es immer um Respekt.

SZ-Magazin: Wir haben zur Vorbereitung viele Ihrer Interviews aus den letzten Jahren gelesen. Sie haben zu 90 Prozent über Frauen und jeweils zu fünf Prozent über Tennis und Mode gesprochen. Im Grunde haben Sie zehn Jahre das Gleiche gesagt. Macht Sie das traurig? Becker: Nein, weil ich mir die Sachen nicht ausdenke, sondern auf Fragen antworte. Ich habe mir oft von meinem Gegenüber mehr erwartet. Manche Interviews fingen auch spannend an, aber dann kam Frage drei und die alten Klischees wurden wieder aus dem Hut gezaubert. Dann gähne ich und starte mein Abspielprogramm. Ich kann ja nicht jede Woche was anderes sagen. Die stecken mich eh wieder in eine Schublade. Sie fragen mich ja auch nur über mein Privatleben aus.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Übrigens, Humor, ein spannendes Thema, ich frage mich, warum ich in Deutschland nicht viel mehr über meinen Humor wahrgenommen werde. In England verstehen die Leute meinen Humor.

SZ-Magazin: Vielleicht wurden Ihnen diese privaten Fragen gestellt, weil Sie für nichts anderes mehr standen, nachdem Sie Ihre Karriere beendet hatten. Vielleicht konnten sich die Menschen nicht so gut mit dieser inhaltlichen Leere identifizieren? Becker: Was hätte ich denn tun sollen? Irgendwann muss man eben aufhören, wenn die Knochen jeden Tag mehr weh tun. Es ist mir nicht leicht gefallen und ich habe jede Menge Drohbriefe bekommen damals, nach dem Motto: Der Becker raubt uns unsere Jugend. Heute gibt es den Tennisspieler Boris Becker nicht mehr. Ich bin Unternehmer, das sind viele, das ist nicht so besonders, also stürzen sich alle auf mein Privatleben und meine Affären.

SZ-Magazin: Aber Sie hätten doch diese Interviews nicht geben müssen. Becker: Ich habe nun mal kein Elitedenken. Wenn mich jemand vernünftig anfragt, rede ich mit ihm.

SZ-Magazin: Aber fast alle Ihrer Interviews seit dem Ende Ihrer Karriere sind in der Boulevardpresse erschienen, in Bild, in Bunte, in der Gala. Für Ihre Hochzeit haben Sie einen Exklusivvertrag mit RTL abgeschlossen. Becker: Das hat mit Angebot und Nachfrage zu tun. Wenn ich auf die Fashionweek in Berlin gehe, sagt mein Sponsorpartner Mercedes: Boris, es wäre schön, wenn du den Zeitschriften A, B und C ein Interview geben würdest. Ich bin vertraglich gebunden.

SZ-Magazin: Gab es schon mal ein Interview, in dem Sie keine einzige private Frage gestellt bekommen haben? Becker: Nein. Ihnen ist das ja auch nicht gelungen! Ehrlich gesagt bin ich etwas überrascht, dass Sie den gleichen Schritt gewählt haben.

SZ-Magazin: Sind Sie enttäuscht? Becker: Gar nicht. Wir gehen ja wenigstens etwas tiefer hinein in diese Themen, das gefällt mir.

SZ-Magazin: Vor zwei Jahren haben Sie in einem Interview gesagt: Zur Marke Boris Becker passt ein Pils. Heute machen Sie Werbung für eine Poker-Internetplattform. Passt ein Glücksspiel mittlerweile besser zum Image der Marke Boris Becker? Becker: Da muss ich Sie korrigieren. Poker ist ein Geschicklichkeitsspiel und hat mit Glück sehr wenig zu tun.

SZ-Magazin: In Deutschland fällt Poker unter die Kategorie Glücksspiel. Becker: Mag sein, dennoch gibt es viele offizielle Pokerturniere in Deutschland. Die können ja nicht alle ungesetzlich sein. Ich selbst bin leidenschaftlicher Pokerspieler und kann Ihnen garantieren: Bei den Turnieren, die ich spiele, wird nicht geraucht, kein Alkohol getrunken und unterm Tisch hat auch niemand eine Waffe. Da geht es konservativ zu.

SZ-Magazin: Haben Sie schon mal gewonnen? Becker: Ja, in Pokerkreisen respektiert man mich mittlerweile, da bin ich nicht Boris Becker, sondern ein ganz ordentlicher Spieler. Vor ein paar Wochen habe ich mit den besten 350 Spielern weltweit in Las Vegas gespielt. Ich wurde Vierzigster und bekam 40.000 US-Dollar Preisgeld.

SZ-Magazin: Sie haben ein interessantes Punktesystem für Frauen entwickelt. Sie haben mal gesagt, zehn Punkte wäre die Höchstzahl, die eine Frau erreichen könnte. Sie würden nach der Elf suchen, weil Sie bisher nur Achter hatten. Ist Lilly Kerssenberg die ersehnte Elf? Becker: Absolut.

SZ-Magazin: Aber damals kannten Sie Frau Kerssenberg auch schon. Becker: Sie hat sich eben weiterentwickelt und Punkte dazugewonnen. Wenn sich eine Frau mit meiner Mutter und meinen Söhnen gut versteht, bringt das Punkte.

SZ-Magazin: Klingt trotzdem etwas machohaft, so ein Punktesystem. Becker: Das muss man doch nicht auf die Goldwaage legen. Das ist doch nur ein Spaß, nicht ganz ernst gemeint, mit Humor zu nehmen. Übrigens, Humor, ein spannendes Thema, ich frage mich, warum ich in Deutschland nicht viel mehr über meinen Humor wahrgenommen werde. In England verstehen die Leute meinen Humor.

SZ-Magazin: Worüber können Sie denn lachen? Becker: Darüber müsste ich nachdenken.

SZ-Magazin: Oliver Pocher vielleicht? Becker: Den finde ich ganz und gar nicht lustig, Harald Schmidt ist mir viel lieber. Ich mag intelligenten Humor, bei dem man nachdenken muss, und natürlich auch schwarzen Humor.

SZ-Magazin: Herr Becker, jetzt haben wir doch nicht über den Unternehmer in Ihnen gesprochen. Schlimm? Becker: Nein, ich gehe mit einem guten Gefühl aus diesem Gespräch, trotzdem muss ich noch mal nachdenken. Denn das Thema Hochzeit war ja doch wieder der rote Faden, und ich überlege gerade: Warum ist das so?

© SZ Magazin vom 15. Mai 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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