Süddeutsche Zeitung

Coaching-Satire:Von Löwen und Losern

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Auf seinem Instagram-Account "Der Business-Lion" karikiert ein Berliner die Sprüche der Motivationstrainer. Die wiederum nehmen ihn erstaunlich ernst.

Von Mareen Linnartz

Auch in einer Woche wie der vergangenen, die einen in eh schon recht unübersichtlichen Zeiten noch einmal besonders gefordert hat, ist auf sie weiterhin Verlass. Auch jetzt stehen Life-Coaches, Motivationstrainer, Achtsamkeitsexpertinnen unbeirrt ihren Followern mit Rat, Tat und Lebensweisheiten zur Seite und posten auf Instagram eingängige Zeilen, gerne mit Ausrufezeichen, gerne kursiv gesetzt. Ja nicht locker lassen auf dem Weg zur Selbstverwirklichung, zum persönlichen Erfolg!

Bodo Schäfer etwa, Selbstbeschreibung "Europas Moneycoach #1", der sich gerne mit grauer Anzugweste und wedelndem Zeigefinger präsentiert, weiß: "Ein Traum ist unerlässlich, wenn du die Zukunft gestalten willst." Laura Malina Seiler wiederum, selbsternannte "spirituelle Lehrerin und Visionärin", zudem Bestsellerautorin des Titels "Zurück zu mir", fast 300 000 Follower, glaubt: "Frieden beginnt in dir." Und Julien Backhaus, Typ frühvergreister BWL-Student, Herausgeber des Magazins Erfolg, gerne mit gesteppter Jacke und lässig umgeschwungenem Schal unterwegs, wartet in einem Filmchen in diesen Tagen mit einer eher zeitlosen Erkenntnis auf, die er dafür umso ernster vorträgt: "Schwimme erst gegen den Strom und dann mit ihm."

Wer in diesen Bonmots eine gewisse Absurdität erkennt, wer bei diesen Sprüchen weniger erleuchtet, sondern eher erheitert ist, der sollte den "Business-Lion" ansteuern. Denn der Geschäftslöwe, laut Instagram-Account "Motivationsredner", führt das Absurde komplett ad absurdum: "Jeder Fehler könnte dein letzter sein, deswegen ist es besser, keine zu machen", lässt er am vergangenen Mittwoch seine Anhängerschaft wissen. Naive Naturen könnten auf den Gedanken kommen, Gnadenlosigkeit sei der USP, der Unique Selling Point dieses Kanals: "Einen wahrhaft schönen Menschen erkennst du am Aussehen", steht da ein anderes Mal in weißen Lettern vor einer rothaarigen Schönheit. Oder: "Sei lieber reich und dumm als dumm und arm." Weniger naive Naturen merken recht schnell: Hier wird kunstvoll persifliert, was inzwischen massenweise auf allen möglichen Plattformen in die Welt gesendet wird. Oder wie Christopher Strutz findet: "Mit Motivationssprüchen verhält es sich wie mit Fruchtfliegen. Oder mit Plutonium. Je größer die Menge, desto anstrengender wird es."

Andere Coaches bieten ihm Kooperationen an

Strutz, 35, ist der "Business-Lion". Man erreicht ihn nachmittags am Telefon. Ein sehr aufgeräumt klingender Typ, im Hauptberuf Werbetexter, der sofort losduzt und immer wieder lachen muss, wenn er einzelne Geschichten über sein, ja, kleines Kunstprojekt erzählt, das er seit 2019 betreibt und zu dem es nun ein Buch mit dem schönen Titel "Der Löwe ist der Hai unter den Adlern" gibt. Strutz' erster Post war "Ein Löwe findet immer eine Brücke, egal, wie reißend der Fluss ist", und die Versuchsanordnung lautete: Wie lange dauert es, bis einer merkt: He, das ist ja gar nicht ernst gemeint? Bis heute, 90 000 Follower später, halten manche den Business-Lion für einen echten Life-Coach, sie applaudieren mit Raketen- oder Hundert-Prozent-Emojis unter seinen Kacheln.

Er hat auch schon ernst gemeinte Kooperationsangebote aus der Branche erhalten, viele sind Follower von ihm, manche haben gleich seine Sprüche geklaut. Einmal beispielsweise wurde aus seiner recht bemühten Tiermetaphorik: "Es heißt Mil-lion-är, nicht Mil-schäfchen-är" ein noch bemühteres "Sei ein Löwe. Ein Lion. Es heißt Mil-lion-är und nicht Mil-ente-när." Ach ja, die Sache mit den Tieren. Die gehören nach Strutz' Erfahrung zum Sprüche-Standardrepertoire. Speziell mit Löwen "kann man eigentlich alles rechtfertigen", findet er. Denn die hätten immer, jetzt macht er eine Kunstpause "das richtige Mindset".

Montags, mittags, freitags bestückt Strutz nun seinen Kanal mit, wie es so schön heißt, "Content". Sein kleiner Bruder liest Korrektur, eine kostenlose Bilddatenbank und eine App "für umme" reichen, um eine Anmutung hinzukriegen, die den erfolgreichsten Achtsamkeits- und Motivationskünstlern in wenig nachsteht. Strutz' Faszination für eine weitgehend humorfreie Branche, in der simple Erkenntnisse mit einer Attitüde absoluter Weisheit verbreitet werden, ist aber nicht ungetrübt. Ein Teil der Sprüche, findet er, sei von "bestürzender Dummheit". Andere wiederum seien einfach sehr zynisch, predigten eine unangenehme Weltanschauung, in der "die kalte, egomanische Gewinnmaximierung an oberster Stelle steht". Gegen diese Sichtweise mit leicht subversiven Methoden anzugehen, ist deswegen inzwischen mehr als nur ein Hobby. Oder wie es der "Business-Lion" einmal ausgedrückt hat: "Zu viel Charakter ist schlecht fürs Geld."

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