Süddeutsche Zeitung

Blutegel:Kleine Helfer mit Biss

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Bei vielen Menschen sind sie als Parasiten verschrien. Doch vor allem nach schwierigen Operationen können Blutegel wertvolle Dienste leisten.

Sobald er auf der Haut sitzt, beißt sich der Blutegel im Unterarm fest. Dort saugt er sich mit Blut voll. "Wenn sich nach Operationen oder Verletzungen Blut in den Gefäßen staut und so eine Gefahr für die Gesundheit darstellt, können Blutegel aus medizinischer Sicht eine recht einfache Lösung sein", erklärt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, Marita Eisenmann-Klein.

Als Chefärztin des St. Josef-Krankenhauses in Regensburg kennt die Medizinerin den therapeutischen Einsatz von Blutegeln (Hirudo medicinalis) schon seit etwa 20 Jahren.

"Nach Brustkrebs-Operationen verschieben wir in der plastischen Chirurgie beispielsweise Teile des Rückenmuskels zur Brustrekonstruktion auf den vorderen Oberkörper", berichtet Eisenmann-Klein. "Dann kann es passieren, dass sich die Venen oder Arterien etwas verdrehen und sich in ihnen Blut staut."

"In diesen Fällen hat es sich bewährt, Blutegel auf das geschwollene Gewebe zu setzen", sagt Eisenmann-Klein. Die Tiere schneiden mit ihren Kiefern kleinste Wunden in die Haut und saugen rund zehn Milliliter Blut heraus. Dadurch löst sich die Stauung im Gefäß - und das Blut kann wieder gleichmäßig fließen.

Durchblutung wird angeregt

Dieser Effekt sei auch bei abgetrennten Fingern, Armen oder Beinen wichtig, sagt die Chirurgin Eisenmann-Klein. "Wenn durch einen Unfall wie mit einer Säge eine Hand abgetrennt wird, können wir das entsprechende Körperteil meist wieder gut annähen."

Solange das Gewebe abgetrennt ist, wird es nicht durchblutet - deswegen gibt es nach der Operation manchmal Probleme, den Blutfluss wieder in Gang zu bringen. In diesen Fällen saugen Blutegel das angestaute Blut auf und regen die Durchblutung wieder an.

Damit sie schnell an möglichst viel Blut gelangen, spritzen die Egel nach dem Biss ihren Speichel in die Wunde. Er enthält gerinnungshemmende Stoffe wie Heparin, die das Blut verdünnen und schneller fließen lassen. Außerdem werden die Gefäße durch den Speichel der Egel geweitet und wirken so gefährlichen Verengungen entgegen.

"Wandelnde Apotheken"

"Blutegel sind bei vielen Menschen als Parasiten verschrien", sagt der Diplomingenieur Detlef Menzel. In Wirklichkeit seien sie aber "wandelnde Apotheken".

Deswegen gründete Menzel im Jahr 2003 eine Blutegelfarm bei Potsdam und züchtet die Tiere seit dem Sommer 2005 im Labor. Menzel beliefert rund 350 Kunden in ganz Deutschland, meist Kliniken und Heilpraktiker. Neben seiner Farm gibt es bundesweit nur noch eine weitere in Hessen.

Von dieser Farm in Biebertal bekommt auch die Praxis der Heilpraktikerin Kirstin Fossgreen in Hannover ihre Blutegel. "Viele Patienten finden die Tiere zwar erst eklig, sind aber nach einigem Zögern meist überzeugt von dem Nutzen", berichtet Fossgreen. "Dabei tun die Bisse der Tiere kaum weh, weil die Egel mit dem Speichel auch narkotisierende Stoffe abgeben", erklärt die Heilpraktikerin. Wenn sich die Tiere dann voll gesogen haben, fallen sie von alleine ab.

Eine einzelne, etwa eineinhalbstündige Blutegelbehandlung kostet etwa 100 Euro, die die meisten Patienten selber bezahlen müssen.

Die Therapie mit Blutegeln ist nach Erfahrung der Heilpraktikerin allerdings nicht für alle Menschen geeignet. "Wenn ein Patient Blut verdünnende Medikamente einnimmt, könnte durch die Egel eine Dauerblutung ausgelöst werden", befürchtet Fossgreen. Möglich sei zudem, dass Menschen mit einer Insektenallergie auch gegen den Speichel der Egel allergisch reagierten.

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