Blondinen-Parade "Go Blonde" in Riga:Imagepflege in Pumps

Kein Witz: Auf einem Festival in Riga wollen Hunderte Blondinen in kurzen Röcken und pinken T-Shirts Spenden sammeln - und nebenbei Lettlands Ansehen verbessern. Für Frauenrechte kämpfen sie nicht. Das wäre aussichtslos.

Matthias Kolb, Riga

Marika Gederte ist Realistin. "Lettland ist ein kleines Land, das viele Menschen gar nicht kennen", sagt die 37-Jährige. Im weltweiten Vergleich könne ihr Heimatland mit drei Dingen punkten: Die malerische Landschaft, die beeindruckende Jungstil-Architektur der Hauptstadt Riga sowie die Schönheit seiner Frauen.

Marika Gederte

"Go Blonde"-Organisatorin Marika Gederte (rechts) nutzt das Image blonder Frauen, um für bedürftige Familien zu sammeln. Für Frauenrechte kämpft sie nicht - das wäre aussichtslos.

(Foto: Gunita Argale/ Go Blonde)

Immer wieder sehe sie in Riga Touristen, die sich den Hals verrenken, um einer unbekannten Lettin hinterherzuschauen. Auch die schlanke Unternehmerin mit ihren schulterlangen, blonden Haaren zieht Blicke auf sich, wenn sie auf hohen Absätzen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt stöckelt. Gederte ist stolz auf ihr Aussehen - und bereit, es für eine gute Sache einzusetzen.

Vor drei Jahren nahm die Lettin in Bulgarien an der Wahl zur Mrs. Universe teil - und gewann den Schönheitswettbewerb. Eine Bulgarin bat sie, länger in Sofia zu bleiben und an der alljährlichen Blondinen-Parade teilzunehmen. Gederte sagte zu und war überrascht, wie viel Aufmerksamkeit sie und die anderen Damen erhielten. "Da wusste ich, dass ich so etwas in meiner Heimat organisieren muss."

Im Baltikum gründete sie "Go Blonde", die Vereinigung der lettischen Blondinen. Die Mitglieder sind keine Feministinnen, die für mehr Emanzipation werben oder gegen die Vorurteile über Blondinen kämpfen - dies würde laut Gederte "Jahrhunderte dauern". Stattdessen wollen sie behinderte Kinder unterstützen und im krisengeschüttelten Lettland, das während der Finanzkrise nur knapp der Staatspleite entging, für Optimismus sorgen und mehr Touristen anlocken.

Mit spitzen Fingern nimmt Gederte eine Zeitung vom Nebentisch: "Auf allen Seiten stehen nur schlechte Nachrichten. Dagegen wollten wir etwas tun." Also veranstalteten sie 2009 zum ersten Mal die Blondinen-Parade in der Altstadt von Riga. Etwa 600 Frauen marschierten in pinken Outfits durch die engen Straßen - darunter waren auch einige Brünette und Kinder.

Das Medienecho war enorm, nachdem die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti einen Bericht für ihren internationalen Dienst schrieb: In Dutzenden Ländern druckten Zeitungen die Fotos der blonden Damen - die Website von Go Blonde kollabierte.

Männer und Dunkelhaarige willkommen

Für die Parade am Samstag haben sich Delegationen aus Neuseeland, Italien sowie aus Litauen angesagt und Gederte rechnet mit mindestens 1500 Teilnehmern - Männer und Dunkelhaarige sind auch willkommen.

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Keine Angst vor Klischees: Jedes Jahr versammeln sich - in Pink und mit kurzen Röcken - eine Schar Blondinen in der lettischen Hauptstadt Riga.

(Foto: Gunita Argale)

In den vergangenen Wochen kümmerte sich Marika Gederte fast ausschließlich um das Festival. Nie lässt sie ihr iPhone aus den Augen, sie beantwortet alle Anfragen, egal ob sie per Telefon, E-Mail oder via Facebook kommen. Sie gibt Dutzende Interviews und es stört sie nicht, dass in vielen Berichten die sozialen Aktivitäten nicht erwähnt werden. Mit dem Spendengeld finanzierten die Blondinen unter anderem den ersten Spielplatz für behinderte Kinder in Lettland und organisierten 2010 ein Erholungscamp für deren Eltern. "Unsere Behörden kümmern sich kaum um diese Familien", berichtet Gederte.

Bei der Planung der Go-Blonde-Parade nutzt die 37-Jährige ihre Erfahrungen aus der Geschäftswelt: Seit 15 Jahren importiert die Expertin für den schönen Schein Kosmetika für den lettischen Markt, sie organisiert Firmenevents und hat eine Kosmetikschule aufgebaut. Diesen Aktivitäten schadet der Rummel um die Blondinen-Parade sicherlich nicht, denn gerade in wirtschaftlich harten Zeiten seien neue Wege nötig, erklärt Gederte - und zitiert einen Spruch, der angeblich vom Finanzinvestor Warren Buffett stammt: "Den Ozean kannst du nicht kontrollieren, aber du kannst lernen, wie man auf der Welle surft."

Nichts wird dem Zufall überlassen: Im vergangenen Jahr seien weniger Teilnehmerinnen als erwartet gekommen, weil das Festival an einem Werktag stattfand. Gederte ärgert sich noch immer über diesen Fehler: "2011 richten wir uns ganz nach den Touristen und beginnen am Samstagnachmittag, wenn sie ausgeschlafen haben, und feiern bis in den frühen Morgen."

Auf dem Programm steht die Wahl der lettischen Doppelgängerin von Marylin Monroe sowie eine Cabrio-Parade. Falls es regnen sollte, liegen pinke Regenschirme bereit. Dass manche Firmen wie die lettische Fluglinie Air Baltic die Parade zu PR-Zwecken nutzen und blonde Stewardessen in pinken Uniformen zur Parade schickt, stört Gederte nicht: "Alle profitieren doch davon, wenn mehr Touristen zu uns kommen."

Die häufig zu hörende Kritik, die Aktion sei "plump und sexistisch" und würde die lettischen Frauen nur auf ihr Äußeres reduzieren, kann Gederte nicht nachvollziehen. Wie überall seien die Frauen das Rückgrat der Gesellschaft: "Lettinnen arbeiten hart, verdienen Geld und organisieren alles in der Familie." Mindestens einmal im Jahr sollten die Damen die Chance haben, sich von ihrer weiblichen Seite zu zeigen, denn "das vergessen wir manchmal im Alltagsstress". Die Frauen hätten Spaß an der Inszenierung und auch die Männer freuten sich über das Spektakel.

Erneut klingelt das Mobiltelefon: Das lettische Staatsfernsehen bittet um einen Interviewtermin mit Marika Gederte. Sie greift nach ihrer riesigen, dunkelblauen Handtasche und trippelt zu ihrem Auto. Zum Abschied spricht sie noch über ihren größten Wunsch: "Irgendwann soll die Blondinen-Parade ähnlich viele Besucher aus aller Welt anziehen wie der Karneval in Rio oder Venedig." Manchmal gibt sich auch eine Realistin Träumen hin.

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