Blogger:Das Schandmaul von Hollywood

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Der Blogger Perez Hilton macht sich auf seiner Webseite über die Eskapaden der Stars lustig - und ist jetzt selbst einer.

Christian Mayer

In Hollywood ist vieles möglich, auch, dass der Hofnarr zum König aufsteigt. Mario Armando Lavandeira Junior, im Internet bekannt unter seinem Künstlernamen Perez Hilton, hat es geschafft: Der Mann im Hintergrund, der sich die Freiheit nahm, andere bloßzustellen, steht nun im Licht der Kameras.

Perez Hilton hat gut lachen: Er ist einer der erfolgreichsten Blogger weltweit. (Foto: Foto: AP)

Er tourt durch die Fernsehsender und durch die amerikanische Provinz. Er handelt mit Fan-T-Shirts und lässt sich von den Mächtigen im Showgeschäft hofieren. Der Blogger, der täglich über die Eskapaden der Hollywood-Prominenz berichtet, ist jetzt selbst prominent.

Seit drei Jahren liefert Lavandeira den Lesern frische oder als frisch deklarierte Ware. Man könnte es aber auch so formulieren: Perez Hilton, der Mann mit dem Jerry-Lewis-Grinsen, ist ein begnadeter Zweitverwerter im digitalen Datenmeer und einer der erfolgreichsten Blogger weltweit. Er berichtet über die unendlichen Frauengeschichten von Eddie Murphy, die neuesten Adoptionspläne von Madonna, das Essverhalten von Angelina Jolie oder die Gesundheitsprobleme der Soulsängerin Amy Winehouse, die für alle sichtbar einen exzessiven Lebensstil pflegt.

Auf Hiltons Bildergalerie, die angeblich ein paar Millionen Mal täglich angeklickt wird, sieht man die Stars oft ganz ohne Maskerade, ungeschminkt, in hilflosen Posen und peinlichen Situationen. Und immer wieder geht es um Drogenbeichten und Drogenentzug, um den Stoff, der in Hollywood viele Karrieren zerstört.

Ein Cocktail aus Gemeinheiten

Gierig saugen die Leser jedes Lebenszeichen der delirierenden Britney Spears auf, ein Stammgast auf der rosaroten Celebrity-Seite des schwulen Bloggers. Wenn sich die Ex-Sängerin in einer Drogerie von einer Meute Paparazzi beim Einkaufen verfolgen lässt und den Rummel sichtlich genießt, sind die Besucher auf www.perezhilton.com mit dabei - irgendein Leserreporter hat seine Handykamera immer griffbereit. In seiner Welt stehen die abgewrackten Trash-Ikonen ganz oben auf der Seite, schwarze Rapper erfüllen sämtliche Klischees, und die aufgestylten Hollywood-Schönheiten sehen hier ganz schön alt aus.

Das Konzept ist ganz einfach. Perez Hilton präsentiert Schnappschüsse und Paparazzi-Bilder, gut abgemischt mit aktuellen Titelbildern von Hochglanzmagazinen und seinen eigenen flapsigen Kommentaren. Ein Cocktail aus Gerüchten und Gemeinheiten, die der vielbeschäftigte Autor, wenn er mal wieder zwischen London, New York und Los Angeles unterwegs ist, sofort in seinen Blackberry einspeist. Seine E-Mails beantwortet neuerdings Barbara, seine persönliche Assistentin.

Perez Hilton bezeichnet Victoria Beckham als "Zahnstocher mit großen Möpsen". Lesen Sie weiter...

Diesen Erfolg verdankt der 29-Jährige, der sich früher als Gelegenheitsschauspieler durchschlug, vor allem seiner Dreistigkeit. Oft war er schneller als die etablierten Medien, wenn es tatsächlich einmal Spektakuläres zu berichten gab: Als die blonde Millionenerbin Anna Nicole Smith zusammenbrach und bald darauf in einem Krankenhaus in Florida starb, konnten seine Leser das Drama fast in Echtzeit erleben. Überhaupt scheint er gute Informanten in Entzugskliniken zu haben, die ihn regelmäßig über ihre Patienten unterrichten.

"Ich mache das alles nur, weil es mir Spaß macht", lautet einer seiner Standardsätze. Er könne gar nicht aufhören mit seinem Dauerblog, weil er den Lesern verpflichtet sei. Notfalls genügten ihm vier Stunden Schlaf.

Seine Leser lieben ihn dafür, auch wenn er sich manchmal beschimpfen lassen muss: "Perez, ich mag deine Seite, weil sie mich endlose Stunden lang mit geistloser Unterhaltung versorgt - aber du bist total widerlich": Solche Einträge sind ebenso typisch wie begeisterte Dankesschreiben.

Der selbsternannte "Gossip Gangster" ist die Antwort auf die totale Selbstvermarktung im US-Showgeschäft. Perez Hilton hält sich an keine Regeln und Absprachen; er ignoriert die Presseagenten und persönlichen Star-Manager, die mit Exklusivrechten handeln. Sein Ton ist hämisch, frech und ein wenig neurotisch, und wer Gesellschaftsberichterstattung nur aus deutschen Klatschmagazinen kennt, wird über die Härte seiner Urteile einigermaßen erstaunt sein.

Auf Tuchfühlung mit Victoria

Dass Lavandeira in Hollywood nicht nur beliebt ist, kann nicht weiter verwundern. Erzürnt sind vor allem die professionellen Fotografen: Fünf Paparazzo-Agenturen haben Klage wegen Verletzung des Urheberrechts eingereicht. 99 Seiten mit Vorwürfen haben die Anwälte zusammengetragen.

Dass er Bilder kopiert und auf seiner Seite zugänglich macht, ohne dafür zu bezahlen, hat der Sohn einer kubanischen Einwandererfamilie übrigens immer mit dem Hinweis gerechtfertigt, er mache aus Promi-Bildern Kunst. So kann man es sehen, wenn man seine Kritzeleien auf den Fotos denn für Kunst hält.

Neuerdings gibt sich Perez Hilton allerdings zahmer und milder - sein neuer Status fordert wohl seinen Preis. Fürchten muss ihn wohl bald nur noch, wer auf seiner Seite gar keine Rolle mehr spielt oder absolut humorlos auf seine robusten Späße reagiert - was in Hollywood, wo die Medien jede menschliche Schwäche publik machen, keine gute Idee ist.

Der Provokateur hat sich zum Klatschmanager gewandelt, und das erfordert Kompromisse. Er wird von Modefirmen, Partyveranstaltern und Musikproduzenten hofiert und für Gastauftritte gebucht; ein Werbeauftritt auf seiner Internetseite kostet inzwischen angeblich eine fünfstellige Summe. Ein beispielloser Erfolg für einen, der in früheren Jobs - unter anderem als Journalist und PR-Agent - grandios gescheitert war.

Als Victoria Beckham kürzlich mit ihrer Familie von Madrid nach Kalifornien zog und die Verlagerung ihres Hofstaats in einer Fernseh-Doku abfilmen ließ, durfte sie sich vom dicklichen Perez einfühlsam befragen und betatschen lassen. "Zahnstocher mit großen Möpsen" hatte er sie früher tituliert, jetzt konnte die spindeldürre Fußballerfrau herzlich darüber lachen. Auch das ist PR, für beide Seiten. Wenig später veröffentlichte Perez Hilton auf seiner Seite noch eine Liebeserklärung an ihren Mann David Beckham, der beim ersten Einsatz für Los Angeles Galaxy der Weltpresse seine tätowierten Oberarme enthüllte.

"Aliens" hat Perez Kunstprodukte wie Tom Cruise bisher immer genannt, jetzt ist er wohl selbst bald ein Außerirdischer. Der Narr sieht sich im Spiegel und ist entzückt. Es gefällt ihm, dass er gerade für das Cover des in Las Vegas erscheinenden Club Planet Magazine posieren durfte.

Mit der Narrenfreiheit ist es vorbei. Aber dafür hat der mopsige Star-Reporter seine Schlabberklamotten abgelegt und ordentlich Diät gemacht. Von den Subjekten seines Spotts hat er schließlich viel gelernt, unter anderem auch dies: Cash machen, solange der Marktwert stimmt.

© SZ vom 23.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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