Elvira, 38, ist Erzieherin und kennt, Gottseidank, einen Biobauern, der nach streng biologisch-dynamischen Richtlinien arbeitet. Seine Felder bestellt er nicht einfach so, wie es Bauern gemeinhin tun; er schwört zum Beispiel auf die Aussaat im Einklang mit bestimmten Mondphasen und verwendet kleingemahlenen Kristallsand als Dünger, der zuvor monatelang in der Erde vergraben war, auf die er später ausgebracht wird.
Elvira legt Wert auf so etwas: "Der Salat, der dabei herauskommt, ist einfach viel gesünder, weil er im Einklang mit den Gesetzen des Kosmos' und der Natur herangewachsen ist".
Fabian B., 36, Informatiker in einem großen Versicherungskonzern, braucht man mit so etwas gar nicht erst zu kommen. Der begeisterte Snowboarder und Mountainbiker ernährt sich "extrem gesund", wie er selbst sagt. Den Einkauf im Bio-Supermarkt kann er sich bei seinem Einkommen problemlos leisten: "Ich schau' auch gar nicht aufs Geld oder vergleiche die Preise". Wichtig ist ihm, dass die Lebensmittel dort besser schmecken und auch gesünder sind, wie er sagt: "Ist ja logisch! Kann mir keiner erzählen, dass die ganzen Düngemittel und Pestizide keine Spuren in der Nahrung hinterlassen".
Die extreme Kundschaft
Elvira und Fabian sind die beiden Extreme in der Kundschaft für biologisch erzeugte Lebensmittel. Auf der einen Seite sind da die fast schon esoterischen Anhänger von Anbau- und Aufzuchtmethoden in der Landwirtschaft, die mehr auf ganzheitliche Weltsicht setzt, auf der anderen Seite die Hedonisten, die ohne großen ideologischen Überbau auskommen und im Grunde aus rein egoistischen Motiven Biokost kaufen.
Letztere, so viel lässt sich in der ganzen Debatte um Nutzen und Frommen ökologischen Landbaus und dessen Marktchancen sagen, sind eindeutig auf dem Vormarsch. Längst gibt es in den Bio-Supermärkten der Republik all jene Produkte, die es auch im herkömmlichen Supermarkt gibt, nur eben in der vermeintlich gesünderen Version: als Bio-Hamburger, als Bio-Chicken- Wings, als Bio-Ketchup. Alles Lebensmittel, die früher bei Vorreitern der Bewegung für natürliche Lebensweise schon bei der bloßen Erwähnung zu Zornesausbrüchen geführt hätten.
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Biologische Lebensmittel:Gut, besser, ökologisch?
Bio ist nicht gleich Bio: Zwischen den einzelnen Gütesiegeln gibt es große Unterschiede. Mitunter enttäuschende.
Anbau oder Aufzucht so artgerecht wie möglich
Biologische Lebensmittel:Gut, besser, ökologisch?
Bio ist nicht gleich Bio: Zwischen den einzelnen Gütesiegeln gibt es große Unterschiede. Mitunter enttäuschende.
Das Bild des einsam neben lauter Legebatterien und Monokulturfeldern vor sich hinwurstelnden Ökobauern mit Latzhose und Zauselbart stimmt längst nicht mehr. Heute gibt es Agrarbetriebe, die nach der EU-Norm Bio-Lebensmittel produzieren, sich aber ansonsten von konventionellen Großbetrieben kaum noch unterscheiden. Von den ursprünglichen Ideen der Ökologie-Bewegung ist das weit entfernt.
Die basieren, grob gesagt, auf drei Grundsätzen: Lebensmittel - egal, ob Pflanze oder Tier, sollten möglichst artgerecht angebaut oder gezüchtet werden, auf künstliche Düngemittel oder Zuchtpräparate wird verzichtet, kurze Transportwege werden bevorzugt, was zugleich den Vorrang für Lebensmittel aus der näheren Umgebung des Konsumenten und die Beschränkung auf jahreszeitliche Produkte bedeutet.
Diese Grundsätze werden von den Anhängern der Öko-Bewegung unterschiedlich streng ausgelegt. Für den Massenmarkt sind sie nur bedingt tauglich, wie man sich vorstellen kann. Freilich, Bio-Supermärkte sind im Kommen; das Bio-Segment ist so ziemlich das einzige im Lebensmittelmarkt, das noch größere Wachstumsraten verzeichnen kann.
Pro Jahr sind es regelmäßig zwischen zehn und 15 Prozent. Trotz des immer noch geringen Marktanteils von rund drei Prozent ist das auch für große Handelsketten und Discounter interessant. Schon deshalb gibt es inzwischen auch bei den großen Discountern wie Aldi, Lidl, Penny und Plus längst eigene Bio-Marken.
Möglich wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch die europäische Agrarpolitik. Die Einführung eines europaweiten Biosiegels - eigentlich dazu gedacht, dem Verbraucher mehr Sicherheit zu geben - sorgte zugleich für eine Verwässerung der Standards, wie Kritiker bemängeln. So kann ein Landwirt die EU-Norm bereits erfüllen, wenn er auf seinen Feldern lediglich ein Jahr lang nicht künstlich gedüngt hat.
Viel zu wenig, sagen die Verfechter der reinen Lehre, um etwaige Überdüngung oder Schadstoffe aus dem Boden zu waschen. Öko- Verbände setzen in der Regel auf längere Karenzzeiten - und auf die Erfüllung einer Vielzahl von Richtlinien. Demeter, eine der strengsten Vermarktungsgemeinschaften, vergibt sein Siegel erst dann, wenn der Bauer ein gut 90-seitiges Pflichtenheft erfüllt hat. Ähnlich verhält es sich mit einer Reihe anderer Standards.
Die EU-Bionorm stellt lediglich eine Mindestvoraussetzung dar und ist das kleinste gemeinsame Vielfache, das sich in den Verhandlungen zwischen den Agrarministern der Europäischen Gemeinschaft eben so erreichen ließ.
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Die Utopie von der Bio-Idylle
Das mag zum Teil auch erklären, warum sich Bio-Lebensmittel in den einschlägigen Tests gar nicht so sehr von denen aus konventioneller Erzeugung unterscheiden - wo die Standards niedrig sind, können auch die Unterschiede nicht allzu groß sein. Tatsächlich lässt sich besonders bei Obst und Gemüse meist nur feststellen, dass Bio-Produkte in der Regel mehr Vitamine und Nährstoffe enthalten, weil in ihnen der Wasseranteil geringer ist.
Bio-Lebensmittel enthalten außerdem mehr natürliche Antioxydantien - also Stoffe, die gegen giftige Substanzen und Schädlinge helfen. Biologisch aufgezogene Pflanzen entwickeln diese Antioxydantien eher als konventionell gezüchtete, weil sie nicht mit Schädlingsbekämpfungsmitteln traktiert werden und deshalb selbst eine natür liche Abwehr aufbauen müssen.
Ohnehin verschwimmen die Unterschiede zwischen ökologischem Landbau und Viehzucht und konventionellem zusehends. Der Bio-Boom hat längst Anbau- und Vertriebsformen erreicht, die von denen der herkömmlichen Landwirtschaft nicht mehr sehr weit entfernt sind. So gibt es Ställe für Legehennen, in denen bis zu 30.000 Tiere untergebracht sind, und ihr Futter kommt vom Fließband. Große Betriebe liefern gar bis zu 700.000 Bio-Eier täglich. Und auch in der Bio-Branche ist Leistungssteigerung kein Fremdwort mehr.
Von großen Agrarfabriken und der quasi schon industriellen Tierproduktion, wie es sie in der konventionellen Landwirtschaft längst gibt, ist das zwar noch ein Stück entfernt. Aber es zeigt, dass unter der EU-Ökoverordnung einiges möglich ist, was sich mit der idyllischen Idealvorstellung vom ökologischen Landbau kaum noch in Einklang bringen lässt.
Für Verbraucher, die einfach nur möglichst unbehandelte Lebensmittel wollen, ist das Biosiegel aber immerhin schon eine gute Hilfe. Wer jedoch obendrein noch Wert legt auf besonders artgerechte Tierhaltung oder regionale Produkte, der sollte sich darüber informieren, welcher Anbauverband seine Siegel nach welchen Kriterien vergibt - in der Regel sind sie alle strenger als die EU-Verordnung.