Biographie von Queen Mum:Entzückend eisern

Sie liebte Gin Tonic und pastellfarbene Gewänder - nach sechs Jahren Recherche ist nun die erste offizielle Biographie der Königinmutter Elizabeth erschienen.

Wolfgang Koydl

Das Adjektiv putzig käme einem nie in den Sinn, wenn von der englischen Königsfamilie die Rede ist - nicht bei der Queen, nicht bei Charles, und schon gar nicht bei Camilla. Eine Ausnahme freilich gab es: Die Königinmutter, die 2002 im Alter von beinahe 102 Jahren starb, wirkte mit den Schneckenlöckchen und dem Perma-Lächeln wie eine fleischgewordene, wenn auch in die Jahre gekommene Käthe-Kruse-Puppe. Ihr häufig schief gelegtes Köpfchen freilich war weniger der Koketterie als der Schwerhörigkeit geschuldet.

Zeit ihres Lebens war Elizabeth, die Queen Mum, der populärste Royal. Vor allem einfachere Schichten sahen in ihr wenn schon keine Bluts- , so doch eine Seelenverwandte. Sah nicht auch sie vorzugsweise Soaps im Fernsehen? Verzockte nicht auch sie ihr Geld beim Pferderennen? Und pökelte nicht auch sie ihre Organe mit hinreichend großen Mengen Alkohols ein - wenn auch eher mit Gin, Champagner und Dubonnet als mit Bier? Dass diese Popularität allerdings den Absatz der soeben erschienenen ersten offiziellen Biographie der Königinmutter befördern wird, darf bezweifelt werden.

Zum einen nähert sich der Wälzer mit seinen tausend Seiten und einem Gewicht von zwei Kilogramm den Ausmaßen einer Autobatterie an. Zum anderen förderte der Autor William Shawcross nach seiner sechsjährigen Arbeit an dem Opus nichts sensationell Neues aus dem Leben seines Objektes zutage. Er hatte zwar Zugang zum gesamten Briefwechsel der Queen Mother; doch da er sein Manuskript der Königin und dem Thronfolger zum Absegnen vorlegen musste, stand von vornherein fest, dass es keine Abweichungen von der offiziellen Linie des Palastes geben würde. So erfährt der Leser beispielsweise nicht, wie Charles Großmutter zu dessen Ehe mit Prinzessin Diana stand.

Gefilterte Korrespondenzen

Dies ist nicht nur die Schuld von Shawcross, sondern auch von Prinzessin Margaret. Die Schwester von Königin Elisabeth sortierte regelmäßig die Korrespondenz ihrer betagten und in ihren letzten Lebensjahren fast blinden Mutter aus. Dabei ließ sie - wie Höflinge verrieten - vorzugsweise solche Briefe verbrennen, welche die ungeliebte Schwiegertochter und Schwägerin zum Inhalt hatten sowie von ihr oder an sie geschrieben worden waren.

Dass es unüberwindbare Gegensätze zwischen den beiden Frauen geben würde, hätte man sich denken können. Als Elizabeth Angela Marguerite Bowes-Lyon, das neunte von zehn Kindern des schottischen Earls von Strathmore am 4. August 1900 geboren wurde, da herrschten in Großbritannien noch Königin Victoria und die nach ihr benannten strengen Werte, die Elizabeth ihr Leben lang prägten. Lady Diana Spencer hingegen war ein typisches Produkt der "Me Generation" - selbstverliebt, selbstmitleidig, und wohl mehr als nur ein wenig selbstsüchtig.

Dass die Mutter der Königin Lady Di derart scheel betrachtete, ist in einem Punkt dennoch überraschend: Elizabeth war zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit dem Herzog von York im Jahr 1923 bei Hofe selbst nicht gut gelitten. Denn sie war die erste "Bürgerliche" - wenn auch eine mit drei Schlössern, Bediensteten, einem Gräfinnentitel und einem Herrenhaus in London -, die in die königliche Familie einheiratete.

Selbstbestimmte Nähe zum Volk

Zuvor hatten es die Windsors nie unter einer deutschen Prinzessin getan. Ihr freilich wollte man den Titel einer Prinzessin vorenthalten - erfolglos, denn er stand ihr zu. Camilla hatte weniger Glück: Sie wurde nur Herzogin von Cornwall, als sie Charles ehelichte.

Eigentlich wollte Elizabeth Bowes-Lyon ja Thronfolger David heiraten, der später als Edward VIII. den Thron besteigen sollte. Zweimal gab sie daher dessen jüngerem Bruder, dem stotternden und schüchternen Prinzen Albert, einen Korb. Doch David zog die geschiedene US-Millionärin Wallis Simpson vor, was ihm einerseits den Thron kostete und andererseits den ins Pathologische reichenden Hass Elizabeths eintrug.

In die Herzen ihrer Untertanen zauberte sich Elizabeth, die nach Edwards Abdankung an der Seite ihres Mannes nun Königin wurde, während des Zweiten Weltkrieges. Die Hofpropaganda machte viel Aufhebens davon, dass sie und ihre Familie nicht vor den deutschen Bombern flüchtete, sondern in London ausharrte. Und als Buckingham Palace einmal beinahe getroffen wurde, meinte Elizabeth, dass sie nun den Arbeitern im zerbombten Londoner East End "in die Augen schauen" könne.

Unter ihrer Würde

Mit 56 Jahren früh verwitwet schuf sie für sich eine Rolle als Queen Mother - einen Namen, den sie absolut "schrecklich" fand. Die Biographie belegt, was Eingeweihte schon lange wussten: Dass sich hinter der Fassade von Bonhomie und Freundlichkeit ein eiserner Charakter verbarg.

Wenn die alte Dame jemanden für unter ihrer Würde erachtete - und dazu gehörten andere europäische Königinnen und Könige, zumal wenn sie Fahrrad fuhren - , dann machte sie aus ihrem Hochmut keinen Hehl. Sich selbst indes ließ sie es an nichts fehlen. 1996 hatte sie ihr Konto um knapp fünf Millionen Pfund überzogen, vor allem wegen ihrer Wettsucht. Ihre Tochter, die Königin, glich das Defizit stillschweigend aus.

Ein wenig betreten sah man auch über ihre, höflich ausgedrückt, veralteten Vorurteile hinweg. Für Schwarze hatte sie "nicht viel übrig", Juden gegenüber hatte sie "Vorbehalte", und das Projekt der europäischen Einigung war ihrer Meinung nach ohnehin eine Totgeburt. "Das wird nie klappen", sagte sie einmal, "mit all diesen Hunnen, wops und dagos." Gemeint mit diesen Schimpfwörtern waren Deutsche, Italiener und Spanier.

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