Süddeutsche Zeitung

Bio-Mode im Trend:Sexy mit gutem Gewissen

Bio goes Fashion: Die Grüne Revolution in der Mode hat begonnen und findet kaufkräftige Konsumenten - die sogenannten Lohas.

Susanne Hermanski

Es ist ein für allemal vorbei mit dem Kartoffelsack. Ökologisch verträgliche Kleidung ist sexy geworden. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass jungen Labels zu Biobaumwolle etwas anderes einfällt als ein Zelt mit Loch für den Kopf. Es hat mit dem hohen Grad des Körperbewusstseins zu tun, das für unsere Tage so typisch ist. Warum sollte jemand, der seinem Bauch biologisch zertifiziertes Obst, Gemüse und Milchprodukte gönnt, ihn mit schwermetallhaltigen Farbtextilien aus China verhängen? Doch nicht, wenn es jede Menge interessante Alternativen gibt.

Im Juli war es auf der Berliner Modemesse so weit: In einer eigens ausgewiesenen "Green Area" wurden erstmals alle Modemarken versammelt, die sogenannte "Fair Fashion" anbieten. Bei den Pret-à-Porter- Schauen in Paris heißt die entsprechende Sektion "So Ethic". Innerhalb von nur einem Jahr hat sich die Zahl der Aussteller in diesem Bereich vervierfacht. Fair und ethisch - schon die beiden Begriffe machen deutlich, auf welche zusätzliche Dimension die Branche abzielt: Die Moralvorstellungen einer Zeit haben in der jeweiligen Mode schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Doch bisher hatte sie sich in erster Linie auf dem Niveau der Rocksäume abgespielt.

Bist du auch ein Loha?

Nun sieht die moralisch einwandfreie Kleidung "heiß" aus - zumindest wenn Designermarken wie Edun, Kuyichi oder Noir sie über den Laufsteg schickt. Und sie richtet sich an jene, bereits viel beschriebene neue Zielgruppe, deren Lebensstil sich um Gesundheit und Nachhaltigkeit zentriert. Die Wissenschaftler nennen sie "Lohas". Das Wort setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben von "Lifestyle of Health and Sustainability". Die Lohas gelten als die Powerkonsumenten der Zukunft. Schon heute werden mehr als ein Drittel der Bevölkerung der westlichen Länder zu den Lohas gezählt. "Und die Chancenstehen gut, dass es mittelfristig die Hälfte der Bevölkerung sein wird", prognostiziert ein Zukunftsinstitut in Kelkheim.

Nur logisch, dass auch Anbieter, die zu den Pionieren der Ökotextilien gehören, diesen Trend nicht verpassen wollen. Was konventionelle Anbieter wie H&M, Esprit oder sogar Levis und Nike (mit der Outdoor-Linie "Soaker") mit eigens aufgelegten Eco-Jeans oder doch eher langweiligen 08/15-Baumwoll-T-Shirts versuchen, können die schon lange. Im wahrsten Sinne: Eine Firma wie Hess Natur zum Beispiel, die, für manchen sicher erstaunlich, mittlerweile zum Versand-Imperium von "Otto" gehört, ist seit 30 Jahren auf dem Markt. Aber erst mit der Frühjahr-Sommer-Kollektion 2007 führte sie eine sogenannte "Modern Woman"-Kollektion für die Frau im Alter von Mitte 20 bis Mitte 30 ein. Darin findet sich denn schon mal ein Kleines Schwarzes mit richtig tiefem Dekolleté oder ein Long-Pullover mit Kapuze, den man kurzerhand als freches Minikleid tragen könnte.

Über 98 Prozent "öko"

Wo gefeierte Trendlabels wie "Edun" ihren Schwerpunkt auf faire Herstellung legen und einräumen, "soweit möglich" organisch angebaute Materialien zu verarbeiten, erfüllt Hess einen selbst erstellten Anforderungskatalog, auf den viele Szenedesigner nicht mal kommen würden: Hess-Textilien werden regelmäßig von unabhängigen Instituten auf Schadstoffe überprüft und die Pestizidgehalte liegen unterhalb des gesetzlichen Grenzwertes für Obst und Gemüse, die Schwermetallfreisetzungen liegen unterhalb des gesetzlichen Wertes für Trinkwasser. Sämtliche verarbeitete Wolle kommt aus biologischer Tierhaltung. Hess vermeidet umweltschädigende Chemikalien, also gewässerbelastende Chlorbleiche, krebserzeugende oder allergieauslösende Farbstoffe oder toxischen Mottenschutz. Die Einhaltung sozialer Standards ist Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit mit allen Lieferanten: keine Kinder-arbeit, gerechte Entlohnung, geregelte Arbeitszeiten. Und über den Anteil der Baumwollartikel die aus rein ökologischem Anbau stammen, gibt es eine klar bezifferte Angabe: "über 98 Prozent".

"Weil wir auf dem Markt praktisch kein Leinen finden können, das unserem Anspruch genügt, haben wir in Hessen ein eigenes Anbauprojekt", erzählt der Geschäftsführer Wolf Lüdge. Genauso gibt es ein Projekt in Burkina Faso für Baumwolle. Die Ankunft der Lohas bei Hess spürt Lüdge übrigens durchaus schon. Das Umsatzwachstum von Hess Natur stimmt, obwohl der klassische Versandhandel schwer schwächelt. Und: "Früher haben überwiegend Hardliner unsere Mode gekauft", sagt er. "Heute parkt schon mal einer mit seinem SLK vor unserem Showroom."

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Quelle:
SZ Wohlfühlen 3/2007
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