Bio-Gänse in der koscheren Küche:Schwein gehabt

Israels aschkenasischer Chef-Rabbiner hat einen Weg gefunden, um jüdische Speisegesetze und die sündige Lust auf Schweinefleisch bei manchen Konsumenten in Einklang zu bringen: Warum Bio-Gänse aus Spanien nun die koschere Küche bereichern.

Peter Münch, Tel Aviv

Das Schwein ist nicht rein - und deshalb ist in der koscheren Küche das Fleisch des Borstenviehs ein absolutes Tabu. Doch weil die Kehrseite eines jeden Verbots die Begierde ist, gibt es wohl selbst unter den frommsten Juden Gelüste nach sündigem Schinken und Speck. Künftig werden sie das nicht mehr unterdrücken müssen, denn Israels aschkenasischer Chef-Rabbiner, der den verheißungsvollen Namen Jona Metzger trägt, hat ihnen eine wunderbare Nachricht aufgetischt: Es kommt das "koschere Schweinefleisch".

"Kulinarische und religiöse Revolution"

Natürlich ist es kein richtiges Schweinefleisch, denn die Kaschrut-Regeln, die jüdischen Speisegesetze, sind heilig und erlauben keinerlei Umdeutungen. Das Schwein ist kein Wiederkäuer und deshalb für Juden ungenießbar. Doch Rabbi Metzger hat nun verkündet, dass in Spanien eine spezielle Bio-Gans gezüchtet wird, deren Leber so schmeckt wie Schweinefleisch. Nicht nur so ähnlich, sondern ganz genau so, sagt er - und manche rätseln schon, woher Metzger das denn so genau weiß. Aber wie auch immer: Der Chef-Rabbiner hat nun seinen Segen gegeben, dass dieses Schein-Schwein ins Gelobte Land importiert werden darf. Und in den israelischen Medien wird die Schweine-Gans bereits als "kulinarische und religiöse Revolution" gefeiert.

Leicht hat sich der Rabbiner seine Entscheidung ganz gewiss nicht gemacht. Als die Kunde von der besonderen Gans an sein Ohr drang, da wollte und konnte er sich natürlich nicht allein auf das Urteil der spanischen Züchter verlassen, die ihre Tiere angeblich nicht künstlich fett stopfen, sondern nur mit gesundem, natürlichen Futter aufziehen. Also hat Rabbi Metzger drei nichtjüdische europäische Chefköche beauftragt, das Fleisch zu kosten und abschließend zu bewerten. Alle drei, so wird berichtet, hätten dieses seltene "kulinarische Duplikat" bestätigt.

Und weil nirgendwo geschrieben steht, dass es verboten ist, Gänse zu essen, die so schmecken wie Schweine, steht dem Verzehr aus religiösen Gründen nichts entgegen. Rückversichert hat sich der Chef-Rabbiner aber auch noch einmal an höchster Stelle, und so kann er sich nun auf eine Passage im babylonischen Talmud berufen. Dort heißt es, dass für jede Sache, die die Thora verbietet, Gott eine gleichwertige Alternative schafft. Folglich hat auch das Gänseschwein eine schöpfungsgeschichtliche Logik.

"Deutsches Schaf" als Codewort

Rabbi Metzger räumt allerdings in einem Interview mit der Zeitung Jedioth Achronoth ein, dass für manche frommen Juden der Geruch und Geschmack von Schweinefleisch "am Anfang eher abstoßend" sein könnte. Als Konsumenten denkt er zunächst an all die Sünder, die schon heute mehr oder weniger heimlich Schweinefleisch verzehren. Zwar gibt es im Hebräischen nicht einmal ein Wort dafür, aber man kann es in manchen Metzgereien als "bazar levan", als weißes Fleisch, kaufen. Früher waren auch Decknamen wie "deutsches Schaf" oder "niedriges Rind" geläufig.

Künftig darf man im Laden nun offen und guten Gewissens nach der Gans fragen. Und irgendwann, so prophezeit Rabbi Metzger, werden sich dann auch die Strenggläubigen an dem neuen Genuss erfreuen. Ohnehin dürfte der Genuss eher maßvoll ausfallen. Denn mengenmäßig, so viel ist sicher, wird es Biogänse-Leber mit Schweinefleisch nicht ganz aufnehmen können.

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