Erwachsene Kinder müssen auch dann für die Heimkosten ihrer pflegebedürftigen Eltern aufkommen, wenn sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch entschieden. Die Richter gaben damit der Stadt Bremen recht.
Diese hatte von einem Beamten die Zahlung von 9022,57 Euro Heimkosten für dessen vor zwei Jahren gestorbenen Vater verlangt. Der Sohn wollte die Summe nicht zahlen. Der Grund: Der Vater hatte vor vier Jahrzehnten den Kontakt zu ihm abgebrochen, sämtliche Annäherungsversuche abgewiesen und den Sohn später bis auf den Pflichtteil enterbt. Der Anspruch auf Elternunterhalt sei dennoch nicht verwirkt, entschieden die Richter.
Der Sohn war zuvor vor dem Amtsgericht Delmenhorst gescheitert; Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte ihm jedoch recht gegeben und den Gang zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.
Die Entscheidung des Familiensenats von Deutschlands höchstem Zivilgericht ist nun von weitreichender Bedeutung, da es nicht nur um den Einzelfall geht, sondern um die grundsätzliche Frage, ob erwachsene Kinder für die Heimkosten ihrer Eltern aufkommen müssen, selbst wenn diese den Kontakt zu ihnen längst abgebrochen haben.
Kontaktabbruch noch keine "schwere Verfehlung"
Generell legt Paragraf 1601 des BGB fest: "Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren." In Paragraf 1618a wird ergänzt: "Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig." Doch es gibt Ausnahmen, etwa wenn eine "schwere Verfehlung" gegenüber dem Unterhaltspflichtigen begangen worden ist. Die "Aufkündigung des familiären Bandes" gegenüber erwachsenen Kindern allein sei aber noch keine "schwere Verfehlung", die zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führe, entschied der BGH.
Das Urteil dürfte bundesweit Städte und Gemeinden interessieren. Diese müssen über die Sozialhilfe für die Pflegekosten alter Menschen aufkommen, wenn deren Rente nicht reicht oder bei ihren Kinder nichts zu holen ist. 2013 beliefen sich diese Kosten nach Angaben des Deutschen Städtetages auf 3,7 Milliarden Euro. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen deutlich, dass die Viermilliardengrenze für diese Ausgaben nicht mehr allzu weit entfernt ist: Derzeit sind es noch etwa 2,5 Millionen Pflegebedürftige, bis 2020 wird sich die Zahl auf etwa drei Millionen steigern.