Beziehung und Eifersucht:Er hat eine andere - wie schön!

Lesezeit: 8 min

sueddeutsche.de: Wie lerne ich, statt Eifersucht Mitfreude zu empfinden - muss ich dazu in Therapie?

Bärlocher: Nein. Man kann sich erst einmal fragen: Wieso mache ich einen Unterschied zwischen Freunden und Liebespartner? Hier tritt das Kuchenmodell in Erscheinung: Wenn ich einen Bruder habe, verliere ich die Hälfte der Liebe meiner Mutter. Liebe ist aber unerschöpflich.

sueddeutsche.de: Das weiß ich auch - im Kopf. Dennoch würde ich lügen, wenn ich sage: Ich freu mich ja so für dich, dass du mit Helga eine Woche auf die Malediven fliegst.

Bärlocher: Also lügen und heucheln darf man in dieser Hinsicht keinesfalls. Da ist eine wichtige Regel: Immer ehrlich und offen sein - auch in Bezug auf Dinge, die mich verletzen. Sonst vergebe ich mir und der Beziehung eine Entwicklungschance.

sueddeutsche.de: Was verstehen Sie in einer polyamoren Beziehung unter Treue?

Bärlocher: Treue ist Beständigkeit, Dauer, Langfristigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit. Mit anderen Worten: Den anderen verlässlich und verbindlich Liebe schenken. Treue bedeutet aber auch, sich selbst, seinen Gefühlen und Wünschen treu zu sein und diese mit seinem Partner zu teilen. Treue bedeutet Absprachen einzuhalten. In Poly-Beziehungen werden Dritte nicht ängstlich oder entrüstet ausgegrenzt, sondern freundschaftlich und liebevoll einbezogen.

sueddeutsche.de: Was erwarten Sie von ihrer Partnerin?

Bärlocher: Ich erwarte Ehrlichkeit. Ich erwarte nicht, dass sie ausschließlich mit mir eine Liebesbeziehung hat. Sondern dass sie treu im Sinne von verlässlich und verbindlich in der Liebe zu mir ist. Wenn eine neue Liebe dazukommt, verliert das Alte nicht plötzlich an Wert, sondern darf dauerhaft sein. Dazu gehört, dass ich mich bewusst für die Liebe öffne.

sueddeutsche.de: Hatten Sie schon eine Beziehung, in der Sie einer von beiden Männern waren?

Bärlocher: Selbstverständlich ...

sueddeutsche.de: Wie war es für Sie, als der andere ins Spiel kam?

Bärlocher: Im ersten Moment ist es immer ein doppeltes Gefühl - Mitfreude einerseits, unangenehme Gefühle andererseits. Ich dachte mir: Jetzt muss ich mich mit Neid, Konkurrenz auseinandersetzen, muss mich beweisen, fühle Angst, sie zu verlieren.

sueddeutsche.de: Und wenn man sich dann geeinigt hat - macht man alles zu dritt?

Bärlocher: Nein, natürlich nicht! Aber manche Polys leben auch miteinander. Und wenn sich so etwas wie "Dreieinigkeit" einstellt, ist es wunderschön.

sueddeutsche.de: Wo liegt für mich der Vorteil, wenn ich mir einen Menschen mit einem anderen teilen muss?

Bärlocher: Sie denken schon wieder im Kuchenmodell. Es entsteht ein qualitativer Gewinn, nicht ein quantitativer. Wenn ich jemanden liebe, freue ich mich, dass es ihm gutgeht. Menschen, die dafür offen sind, erkennen: Eigentlich ist es Quatsch, nicht zu teilen. Wir gewinnen mehr Liebe - alle drei!

sueddeutsche.de: Kann so eine Beziehung denn halten?

Bärlocher: Ich kenne Beziehungen, die halten 20, 30 Jahre. Neulich hatte ich einen Mann, der lebt mit der Mutter seiner Kinder und einer gemeinsamen Freundin. Die eine Frau hat einen zweiten Mann, die andere hat immer mal wieder einen Geliebten.

Wie Frauen auf die Botschaft reagieren, dass sie nicht die Einzige sind, lesen Sie auf der nächsten Seite ...

Zur SZ-Startseite