Süddeutsche Zeitung

Bezahlte Spende:Eizellen gegen Geld

Menschliche Eizellen sind ein wertvolles Gut - und weltweit Mangelware. Da der Eingriff zur Entnahme der Zellen nicht ungefährlich ist, fordern Wissenschaftler, die Spenderinnen zu entschädigen.

Elke Brüser

Während es in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Italien und Norwegen nach derzeitiger Gesetzeslage verboten ist, dass Frauen Eizellen spenden, ist dies in 15 EU-Staaten erlaubt. Mit den gespendeten Zellen können sich zum Beispiel unfruchtbare Paare per In-vitro-Fertilisation (IVF) den Kinderwunsch erfüllen oder Wissenschaftler könnten daraus embryonale Stammzellen für die Grundlagenforschung gewinnen.

In jüngster Zeit mehren sich die Versuche, den Ovum-Mangel zu beheben und die Spendierfreudigkeit anzukurbeln. Der Reproduktionsmediziner René Frydman, Erzeuger des ersten französischen Retortenbabys, hat zum Beispiel gefordert, endlich das Verbot einer Vergütung für gespendete Eizellen abzuschaffen. Der wachsende Bedarf könne sonst nicht mehr gedeckt werden.

Schon jetzt ließen viele Französinnen eine IVF mit fremden Eizellen in Spanien oder Belgien vornehmen. Dort ist das Eizellangebot größer, die Spenderinnen bekommen zirka 900 Euro pro Entnahme, die allerdings ein sehr belastender Eingriff ist. Frydman schlägt eine Aufwandsentschädigung durch die Sozialversicherung oder eine Behörde vor. Nur diese Kompensation - und nicht etwa eine Bezahlung - ist nach der EU-Gewebe-Richtlinie auch tatsächlich erlaubt.

Erhebliche Nebenwirkungen

Ob mehr Französinnen gegen solch eine Entschädigung Eizellen hergeben würden, ist offen. Denn dazu müssen sie etwa zwei Wochen lang Hormonspritzen inklusive deren Nebenwirkungen ertragen und haben am Ende einen Eingriff per Nadelpunktion durch die Bauchhöhle an den Eierstöcken vor sich, der Schmerz- und Beruhigungsmittel, eventuell sogar eine Narkose, erfordert. Außerdem kann es zu Blutungen oder Infektionen kommen, durch verletzte Eileiter zu Unfruchtbarkeit und eine Überstimulation der Ovarien führt im Extremfall zu Nierenversagen.

Auch Engländerinnen bevorzugen für die IVF mit fremden Eizellen spanische Kliniken. Darunter leidet allerdings die britische Stammzellforschung zunehmend, denn sie braucht zahlreiche, manchmal Hunderte Eizellen, um eine neue embryonale Zelllinie herzustellen. Aber der notwendige Rohstoff fiel bisher nur an, wenn bei einer IVF Eizellen übrig blieben und für Forschungszwecke freigegeben wurden.

Um den ständigen Mangel zu kompensieren, versuchen die Briten neue Regeln zu etablieren: Mitte letzten Jahres hat die staatliche Behörde für Fortpflanzungsmedizin und Embryologie (HFEA) dem nordostenglischen Stammzellinstitut in Newcastle (NESCI) ein Egg-Sharing-Programm zugestanden, bei dem Frauen für die eigene IVF weniger zahlen müssen, wenn sie bei dem Prozedere überschüssige Eizellen an die Forschung abgeben.

Bezahlung für die Eizellenspende

Solches Vorgehen kritisiert Ingrid Schneider vom Forschungszentrum Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt der Universität Hamburg scharf. Denn Eierstöcke könnten aus diesem Grund absichtlich stärker hormonell stimuliert werden um Überschuss zu produzieren. "Außerdem", sagt die Expertin für Technikfolgenabschätzung in der Medizin, "werden unter diesen Bedingungen ,überzählige' Eizellen eher an Forscher gehen statt bedürftigen Frauen für Fortpflanzungszwecke zur Verfügung zu stehen."

Als anderen Ausweg aus der Misere haben die ehrgeizigen Forscher vom NESCI beantragt, zu Forschungszwecken menschliches Erbgut in Eizellen von Kühen einzupflanzen. Über den umstrittenen Antrag wird voraussichtlich aber erst im Herbst entschieden.

Auch der jüngste Versuch wird kontrovers diskutiert: Die britische Behörde HFEA hat den Wissenschaftlern in Newcastle eine Art Bezahlung von Eizellspenden für die Forschung gestattet. Bis zu 250 Pfund Aufwandsentschädigung zuzüglich anderer Kostenerstattungen dürfen sie bezahlen, wenn Frauen nach einer Hormonstimulation reife Eizellen spenden.

Die Meinung der Bürger

Die NESCI-Wissenschaftler, die unter einem Dach mit einer Reproduktionsklinik arbeiten, würden so - statt überzähliger IVF-Zellen - endlich ganz frisches Material erhalten, das sich ihrer Meinung nach für therapeutische Klonexperimente am besten eignet. Ingrid Schneider warnt vor diesem Handel: "Eine Eispende ist etwas anderes als eine Blutspende. Neben den medizinischen Risiken bis hin zur Unfruchtbarkeit bestehen hohe psychische Belastungen."

Weil auch die Briten hier Probleme sehen, hat die HFEA einen Fragebogen ins Internet gestellt, der die Meinung in der Bevölkerung erfassen soll. Obwohl die Auswertung noch nicht vorliegt, hat die Behörde den Antragstellern bereits ihre Erlaubnis übermittelt.

Ausgerechnet Stephen Minger vom King's College in London, einer der führenden britischen Stammzellforscher und Antragsteller für die Hybride aus Mensch und Tierzellen nennt die Entscheidung "sehr unsauber" und fragt, was denn diese Bürgerbefragung solle. Zugleich benennt er das Kernproblem der Liberalisierung von Eizellspenden: "Warum sollten Frauen diese Prozedur der Materialspende auf sich nehmen, wenn wir noch keine Ahnung haben, welchen therapeutischen Nutzen das Klonen mit menschlichen Eizellen bringt."

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