Bestseller-Autor:Kitsch und Kalkül

Nicholas Sparks

Wie bringt man Hunderttausende vor Rührung zum Heulen? Für den amerikanischen Autor Nicholas Sparks, 50, ist das Schreiben von Erfolgsschnulzen ein ökonomischer Prozess.

(Foto: Frank Zauritz)

Nicholas Sparks schreibt so viele Bestseller über die Liebe wie kein Zweiter. Begegnung mit einem Akkordarbeiter, der weiß, wann der Tod ins Spiel kommen muss.

Von Laura Hertreiter

Küsse im Regen, Liebesbriefe in Tintenschrift, alles schön und gut, aber Nicholas Sparks' wahres Erfolgsgeheimnis ist der Tod. Das aber würde der amerikanische Schriftsteller so niemals sagen. Sparks, der erfolgreich wie kein Zweiter über die Liebe schreibt, beugt sich in der Münchner Hotelsuite über den Tisch und feuert Süßstoff in eine zierliche Kaffeetasse. Klick, klick, klick, klick. Er trägt ein Südstaatenlächeln, die Zähne irgendwie zu weiß, die Haare irgendwie zu dunkel, das T-Shirt irgendwie zu eng, und sagt: "Die Liebe ist das wichtigste Gefühl. Ohne Liebe sind wir gar nichts."

Wer sich von Sätzen wie diesen überzuckert fühlt, zählt nicht zur Zielgruppe. Der Rest der Welt offenbar schon. Nicholas Sparks, 50, ist einer der meistgelesenen Autoren überhaupt, ein Phänomen, eine Marke. Seine 18 Romane wie "Das Lächeln der Sterne", "Kein Ort ohne dich" oder "Wie ein einziger Tag" werden in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt und kleben in Bestsellerlisten wie Zuckerguss. Die Hollywoodfilme dazu produziert er inzwischen selbst, oft topbesetztes Hochglanzkino, das mehr als 100 Millionen Dollar pro Film einspielen kann. Richard Gere, Kevin Costner, Rachel McAdams und Zac Efron haben darin schon geküsst, in der Regel im Regen. "Der Regen ist ein so schönes Symbol für die Notwendigkeit, einander näherzukommen", sagt Sparks. Das Ganze kann man sich ein bisschen vorstellen wie bei Rosamunde Pilcher, aber mit mehr Drama. Und üppigerem Etat.

Ein gescheitertes Unternehmen, eine Hypothek, zwei Kinder. Also schrieb er einen Bestseller

Bei Sparks' Geschichten ist alles Hunderte Seiten lang in Südstaatensonne getauchter Honeymoon, dann plötzlich lauert der Tod. Dieser Taschentuchmoment ist das Erfolgsgeheimnis: In den Kinos wedelt das Publikum dann Tempos aus den Taschen, egal ob bei Ladies Nights mit Prosecco oder Pressevorführungen für Kritiker. Es ist der Moment, in dem Sparks die Figuren in die Katastrophe schickt. Er schleudert sie durch Windschutzscheiben, von Segelbooten und Rodeo-Bullen, lässt sie tödlich erkranken oder geistig vertrocknen.

Im Münchner Hotel erzählt der Schriftsteller davon, wie er so lange im Akkord von Liebe und Tod erzählte, bis daraus ein Imperium wurde. Vor der Tür zwei Agentinnen, Handys zwischen Ohr und Schulter geklemmt, eine betreut sein neues Buch, eine seinen neuen Film. Und drin wird schon nach wenigen Sätzen in breitem Amerikanisch klar: Der Held der südstaatenschwülen Romantikgeschichten ist in erster Linie ein kühl kalkulierender Geschäftsmann.

"Ich habe angefangen, über die Liebe zu schreiben, weil es in dem Bereich kaum Konkurrenz gab", sagt er. 28 Jahre alt war er damals, verheiratet, Vater der ersten beiden von heute fünf Kindern, an einer Verletzung gescheiterter Leichtathlet, gescheiterter Unternehmensgründer, halberfolgreicher Arzneimittelvertreter mit Haus, Hypothek, höheren Ambitionen. Er begann über die Liebe zu schreiben, feierabends, 2000 Wörter pro Tag.

Dieses Pensum hält er bis heute ein. Sparks stellt die Tasse zur Seite und zählt an den Fingern ab. 2000 Wörter pro Tag. Fünf bis sechs Stunden an guten Tagen, an schlechten acht. Fünf- bis sechsmal die Woche, kurz vor Abgabe sieben. 70 Schreibtage pro Roman, sechs Monate inklusive Überarbeitung und Pausen. Sparks lächelt. "Ich bin studierter Wirtschaftswissenschaftler", sagt er. "Ich liebe Zahlen."

Die Zahlen zu jenem ersten Roman, der den Vertreter zum Rekordautor machen sollte: Eine Million Dollar zahlte ein Verlag, im Voraus. Weltweite Bestsellerlisten seit Tag eins, mehr als ein Jahr lang. "Wie an einem einzigen Tag", Originaltitel "The Notebook", erzählt von der Liebe eines Paares zwischen Krieg und Demenz. 2004 wurde es mit Ryan Gosling und Rachel McAdams verfilmt - Kuss im Regen - und spielte mehr als 115 Millionen Dollar ein.

Schauspieler James Marsden erzählte nachträglich von seiner Angst am Set, das Ergebnis würde "a schmaltzy movie" werden. Doch in den USA gilt der Film seither als Meilenstein des Kuschelkinos. Als Standard, an dem sich Liebesfilme derzeit messen lassen müssen, sagt Produzent Marty Bowen, der auch zwei Welterfolgsfilme der Vampirsaga "Twilight" gemacht hat.

Sparks also feuert seither ein Liebesdrama nach dem anderen in die Bestsellerlisten. In den Feuilletons rümpft man reflexartig die Nasen. Literaturkritiker Denis Scheck etwa beurteilte schon vor gut zehn Jahren einen der Romane als "in durchweg vergewaltigter Sprache erzählte Schmonzette", den aktuellen als "amerikanische Schwammkopfprosa". Der Boulevard hingegen liebt den Autor. Vor allem, weil er bereitwillig von den persönlichen Schicksalsschlägen erzählt, die ihn inspirieren. Und davon gibt es eine Menge im Leben des Nicholas Sparks.

Kein Sex, kein Ehebruch, keine vulgären Ausdrücke. Oma soll alles lesen können

Den Tod der Mutter bei einem Reitunfall, wenige Wochen nach seiner Hochzeit. Den Tod des Vaters bei einem Autounfall. Die Krebserkrankung der im Jahr 2000 verstorbenen Schwester. "Das Schreiben hilft mir nicht, diese Dinge zu bewältigen", sagt Sparks, "aber es lenkt eine Weile ab." Vorlage für Roman Nummer eins waren die mehr als 60 Jahre verheirateten Großeltern seiner Frau Cathy, erzählt er der Presse seit mehr als zwei Jahrzehnten. Und, sehr wortreich, dass Cathy selbst, deren Herz er Ende der Achtziger mit mehr als 150 Liebesbriefen erobert habe, seine größte Inspiration sei. "Sie ist loyal, liebenswürdig, ehrlich, nachsichtig, warm, schön. Sie ist jede meiner weiblichen Figuren, und jede von ihnen ist in der einen oder anderen Hinsicht meine Frau."

Seit einer Weile spricht er in knapperen Worten über sie, 2015 dann die Scheidung. In München sagt er: "Wir leben weiter beide in New Bern", der kleinen Stadt in North Carolina, wo sein Anwesen steht und sein Privatjet. Das sei das Beste für die Kinder, deren Namen immer wieder in seinen Büchern auftauchen. Ob eine Scheidung das Schreiben über die Liebe erschwert? Sparks scheucht die Frage mit einer Handbewegung aus dem Hotelzimmer. Er schreibe immerzu, immer weiter, "weil es das ist, was die Leser von mir wollen". Oberste Prämisse dabei: die Omaregel. "Was ich schreibe, muss meine Großmutter lesen und verkraften", sagt er. Ehebruch, expliziter Sex und vulgäre Ausdrücke sind tabu. "Bin ja auch katholisch", sagt er mit einem Zwinkern. Deshalb auch keine homosexuellen Hauptfiguren? Kopfschütteln. "Die wird es bald geben."

Vor langer Zeit, als Student, hat Sparks mal eine Horrorgeschichte geschrieben, und einmal einen Thriller. "Beides ist tief in Schubladen vergraben, das darf nie jemand sehen", sagt Sparks, lacht laut, und erzählt lieber von seinen neuen Werken.

Der neue Roman "Wenn du mich siehst" handelt von einer Frau, die einen Schlägertypen kennenlernt. Die beiden verlieben sie sich, alles Zuckerwatte, bis ein Stalker das Leben der Frau bedroht. Im Film "The Choice" geht es um eine Frau, die neben einem Junggesellen einzieht. Die beiden verlieben sich, alles Zuckerwatte, bis ein Unfall das Leben der Frau bedroht.

Wie er solche Taschentuch-Momente plant? "Das ist vor allem ein ökonomischer Prozess", sagt Sparks. Neuer Kaffee, neuer Süßstoff, klick, klick, klick, klick. "Ein Abwägen, wie die Struktur der Geschichte sein muss, wie verschiedene Effekte wie Trauer, Witz, Rührung verteilt und dosiert werden müssen, damit sie funktionieren. Das sind rationale Entscheidungen", sagt er. Und schiebt, Vorsicht, einen letzten Zuckerschocksatz hinterher. "In meinen Filmen muss ich selbst manchmal weinen."

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