Bestattungskultur:Das Land diskutiert über die Aschefrage

Prozess gegen 25-Jährige wegen Störung der Totenruhe

Eine Bestattungskultur jenseits christlicher Traditionen. Immer mehr Menschen in Deutschland interesssieren sich dafür.

(Foto: dpa)

Darf man die Urne mit nach Hause nehmen? Darf man aus Totenasche einen Diamanten pressen? Wie sieht ein würdiger Abschied ohne christliche Beerdigung aus? Mecklenburg-Vorpommern könnte Vorbild für ein neues Bestattungsrecht sein.

Von Thomas Hahn

Die Aschefrage war noch nicht dran in der Expertenkommission "Bestattungskultur in Mecklenburg-Vorpommern", aber sie wird kommen, und Torsten Lange erwartet einen regen Austausch. Lange ist der Vorsitzende des Landes-Bestatterfachverbandes. Die Debatte um den Umgang mit den Urnen könnte seine Welt verändern: Darf man die Urne mit nach Hause nehmen? Darf man aus einem Teil der Totenasche Erinnerungsdiamanten pressen lassen? Mecklenburg-Vorpommern könnte das als erstes Bundesland erlauben. "Ich bin gespannt", sagt Lange.

Das deutsche Bestattungsrecht ruhte lange in Frieden. Aber in den vergangenen Jahren haben viele Bundesländer ihre Gesetze überarbeitet. Mecklenburg-Vorpommern liegt im Trend und ist sogar besonders gründlich. Eine derart breit besetzte Expertenkommission mit Vertretern von Kirchen, muslimischer und jüdischer Gemeinde, Bestatterverband, Rechtsmedizin, Verbraucherschutz, Politik habe es noch nie gegeben, sagt Lange.

Das Überdenken des Trauerns geschieht aus gutem Grund. Gestorben wird zwangsläufig, und eine moderne Vielfaltsgesellschaft erfordert mehr Möglichkeiten beim Totengedenken. Die Beerdigung christlicher Prägung ist nicht mehr der einzige Ausdruck deutscher Bestattungskultur. Der Bestattungsrechtler Torsten Barthel sagt sogar: "Die kirchliche Begleitung von Bestattungsakten ist im Sinkflug."

Viele Gastarbeiter und Flüchtlinge wünschen muslimische Elemente. Wer an keinen Gott glaubt, sucht ebenfalls würdige Formen des Abschieds. Und die "Liberalisierungstendenz", von der Barthel spricht, hat sich erst im vergangenen November in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes gezeigt. Das Gericht gab damals einer Frau aus Padua recht, die die Urne ihres Ehemannes bei einem privaten Unternehmen unterbringen wollte. Es widersprach damit dem Prinzip der Friedhofspflicht. Eine Revolution.

Was das für Deutschland bedeutet, ist noch nicht klar. Die Friedhofspflicht gilt hier als hohes Gut. Selbst in Bremen wehrte das Parlament den Wunsch ab, die Urne für zwei Jahre nach Hause zu nehmen. Immerhin: Seit 2015 dürfen Trauernde dort die Asche unter Aufsicht des Ordnungsamts auf dem Privatgrundstück verstreuen. Vielen geht das zu weit.

Der wirtschaftliche Aspekt des Todes wird möglicherweise unterbewertet

"Feintuning" nennt Barthel die bisherigen Novellen. Bestattungen in Grüften und Mausoleen wurden zugelassen, es gibt neue Fristen, neue Bußgeldregeln. Nordrhein-Westfalen erlaubt es muslimischen Glaubensgemeinschaften, eigene Friedhöfe zu unterhalten. In der Aschefrage ist noch nicht viel passiert. Vielleicht in Mecklenburg-Vorpommern? Dem Bestatter Lange wäre wichtiger, verbindliche Qualifikationsstandards für Bestattungsunternehmen einzuführen. Und der wirtschaftliche Aspekt des Todes wird möglicherweise auch unterbewertet, seit 2003 das Sterbegeld abgeschafft wurde.

Kürzlich beschwerte sich der Mitarbeiter eines Hamburger Friedhofs darüber, dass dort Urnen auf zu engem Raum beigesetzt würden. Rechtlich sei das okay, sagt Barthel, wenn auch bedenklich. Aber er widerspricht der Vorstellung, Billigbestattungen seien nur für Arme. "Sie werden auch gewünscht." Manchen Leuten ist das herkömmliche Trauern schlicht zu aufgedonnert.

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