Süddeutsche Zeitung

Beruf:Der Bergputzer

Wer kümmert sich darum, dass Felsen nicht auf Wanderer und Wege fallen? Zum Beispiel Klaus Jöchler. Er hebelt und rüttelt, manchmal sprengt er sogar - und hängt dabei in großer Höhe manchmal stundenlang im Seil.

Von Rebecca Sandbichler

Mit Problemfelsen macht Klaus Jöchler kurzen Prozess: Kleinere hebelt er mit einer Brechstange aus dem Berg. Größere sprengt er ab. Nicht mit Dynamit, sondern mit kleinen Luftkissen. Die drückt er erst platt und schiebt sie in eine Ritze. Dann pumpt er so lange Gas hinein, bis der Stein wegbricht. Manchmal braucht er dafür viele Versuche und muss ziemlich laut fluchen, bis der Felsbrocken endlich in die Tiefe fällt.

Ob groß oder klein, alle Problemfelsen haben eine Gemeinsamkeit: Sie wackeln. Das macht sie gefährlich, weil sie hinabstürzen könnten - auf Wanderwege, Straßen oder Gebäude zum Beispiel. Bergputzer wie der Tiroler Klaus Jöchler sollen das verhindern. So nennen manche seinen Beruf, der eigentlich "Höhenfacharbeiter" heißt. Die Arbeiter sichern Wege in den Bergen und räumen lockeres Gestein oder totes Holz weg. Tourismusverbände, Alpenvereine oder große Unternehmen wie die Bahn beauftragen sie, damit beim Wandern niemand verletzt wird und kein Geröll auf Zugschienen und Straßen fällt. Auch manche Städte sind auf Bergputzer angewiesen: In Innsbruck oder Salzburg etwa reichen die Berge so nah an die Stadt heran, dass ein Steinschlag oder eine Gerölllawine noch viel gefährlicher wäre als in der Natur.

Die speziell ausgebildeten Kletterer kommen mit ihrem Sicherungsgurt und den langen Seilen an Stellen heran, die man mit einem Kran gar nicht erreichen würde. "Manchmal muss man sogar mit dem Helikopter an die gewünschte Stelle geflogen werden", erzählt Jöchler. Meistens können er und sein Team sich aber einfach von oben abseilen. Klaus Jöchler ist aber nicht nur ein guter Kletterer, sondern auch ein Steinexperte. Er hat Geologie studiert und kennt sich mit dem Aufbau der Erde und den verschiedenen Gesteinsarten sehr gut aus. Regelmäßig kontrolliert er zum Beispiel die steilen Felswände in der Tiroler Ehnbachklamm: Mit einem Akkubohrer schraubt er markierte Eisenstangen in absturzgefährdete Felsen und misst alle drei Monate nach, wie sehr sie sich in der Zwischenzeit bewegt haben. Dank dieser Felsspione weiß er, ob die Wand stabil genug ist und man den Weg darunter freigeben kann.

Eines ist bei dieser schweren Arbeit ganz wichtig: die kleine Sitzbank, die im Seil eingehängt ist. "Ohne das Bankl geht gar nichts, man kann ja nicht stundenlang im Gurt hängen, das tut weh", sagt Jöchler. Auch sein "Goaßfießl", also die Brechstange zum Lösen kleiner Felsbrocken, hat er immer dabei. Die Ausrüstung muss bei der Arbeit in großer Höhe perfekt sein: Regelmäßig überprüfen die Kletterer Hunderte Meter Seil darauf, ob nicht doch eine Stelle aufgescheuert ist und reißen könnte.

Trotzdem hängen sie bei der Arbeit immer noch an einem zweiten Sicherungsseil mit einem eigenen Auffanggerät. Rund vier Stunden braucht das Team manchmal, bis das ganze Material bereit ist. Erst dann können die Kletterer mit der Arbeit loslegen. Auf seine Kollegen vertraut Klaus Jöchler dabei hundertprozentig, denn alle sind ausgebildete Höhenarbeiter und bringen ihre eigene Ausrüstung mit. Am Berg arbeiten sie meist zu viert, mindestens aber zu zweit. "Wenn jemand im Seil ein Problem hat, muss es oben jemanden geben, der ihn wieder hochzieht."

Verletzt hat sich der Bergputzer bei der Arbeit zum Glück noch nie. Er trägt immer Helm, gute Bergschuhe und oft auch Knieschützer, weil man sich am Fels fies anhauen kann. Nur einmal hat ihn ein kleiner Stein am Arm verletzt. "Solange der Brocken nicht größer ist als eine Kinderfaust, kommt man mit einem blauen Fleck davon", sagt Jöchler.

Übrigens kriegen auch die fleißigsten Bergputzer einen Fels niemals ganz sauber: "Selbst wenn ich heute jeden Stein genau kontrolliere, kann morgen schon ein großer Sturm etwas Neues lockern", sagt Jöchler. "Absolute Sicherheit gibt es am Berg nie."

Trotzdem liebt der Tiroler die Arbeit in den Bergen. Seine Erfahrung wird aber auch in der Stadt gebraucht. "Es gibt zum Beispiel Hochhäuser mit hohen Glaswänden, wo unten kein Platz für eine Hebebühne oder den Fenstersteiger ist. Da werden wir dann gerufen." Auch in hohen Fabrikhallen klettert Jöchler manchmal ganz nach oben und baut Haken ein, damit die Arbeiter ihre riesigen Maschinen selbst kontrollieren können. Dazu bringt er ihnen auch bei, wie man sich richtig am Seil sichert.

Außerdem hat er schon geholfen, Windräder in Deutschland aufzubauen. "So ein Windrad kann man montieren wie ein Ikea-Regal, das ist keine Hexerei", sagt Jöchler. Alle Teile sind schon vorgebaut und müssen nur noch verschraubt zu werden. Das allerdings in 150 Meter Höhe - und das muss man erst mal verkraften.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019
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