Berliner Modedesign:Linker Luxus von Kaviar Gauche

Die Agentin von Charlize Theron weiß, wo es die richtigen Klamotten gibt. Sie kauft bei Kaviar Gauche in Berlin. Die jungen Designerinnen des Labels sind auf dem Weg nach oben - doch worin liegt das Geheimnis ihres Erfolgs?

Katharina Höller

Quer durch den Berliner Stadtteil Mitte führt die Torstraße. Sie grenzt im Osten an Friedrichshain und endet im Westen in der Nähe der berühmten Friedrichstraße. Ohne zu übertreiben kann sie als pulsierende Ader durch ein ebenso pulsierndes Viertel bezeichnet werden. Galerien grenzen an exklusive Restaurants, kleine Boutiquen an Dönerbuden und Kneipen an Ateliers von Künstlern und Designern. Und mittendrin sitzt Kaviar Gauche.

Kaviar Gauche, Karstadt

Die Gesichter hinter Kaviar Gauche: Alexandra Fischer-Röhler und Johanna Kühl.

(Foto: Foto: Karstadt)

Das war nicht immer so. "Wir haben in einem billigen Atelier in einem Abrisshaus angefangen, die Toilette war auf der halben Treppe", sagt Alexandra Fischer-Röhler. "Das hört man nicht so gerne, aber uns blieb einfach nichts anderes übrig." Die junge Frau ist eine Hälfte des Berliner Modedesign-Duos, welches seit seiner ersten Kollektion Anfang 2004 in der internationalen Branche einen rasanten Aufstieg hingelegt hat. Schauspielerinnen wie Heike Makatsch und Maria Schrader lassen sich von den Berlinerinnen Abendkleider auf den Leib schneidern.

"Für uns ist Kaviar Gauche der Inbegriff für modernen Luxus." Fischer-Röhler beschreibt ihren Stil als Mix aus hochwertigen Materialien und klassischem Understatement. Luxus ist für die beiden nicht zwangsläufig opulent. Luxus ist zum Beispiel eine Kombination aus feinsten Stoffen und ungewöhnlichem Material aus Bereichen wie dem Bootsbedarf, die ganz unerwartet zusammen funktionieren. Erklärtes Ziel der beiden Frauen ist, damit die Mode auf eine neue Ebene zu bringen.

Avantgarde angewandt

Auf diesem Weg haben Johanna Kühl und Alexandra Fischer-Röhler eine Menge Lob eingeheimst. Zuletzt den Karstadt New Generation Award, der im Rahmen der Berlin Fashion Week im Sommer zum ersten Mal verliehen wurde. "Uns ging es nicht ums Gewinnen, sondern um die tolle Show, die damit ermöglicht wurde. Sie stand im Fokus, und das war fantastisch", sagt Alexandra. Der Award ist in Deutschland ein Novum, auch insofern, als die Gewinner für das bekannte Kaufhaus Karstadt eine Kollektion entwerfen durften, die nun seit dieser Woche deutschlandweit in ausgewählten Häusern verkauft wird.

"Concept by Kaviar Gauche" heißt die Linie, die 18 Teile umfasst und für 100 - 200 Euro zu haben ist. Keine Angst um die eigene Glaubwürdigkeit als Avantgarde-Designer? "Am Anfang gab es deswegen leichte Irritationen, weil man nicht genau wusste, was passieren würde." Aber Alexandra und Johanna nahmen es als neue Herausforderung, Kleidung für eine wesentlich breitere Zielgruppe zu entwerfen. Positive Nebenwirkungen hat der neue Award für beide Seiten: Karstadt löst sich vom leicht biederen Image des Mittelstands-Kaufhauses und bietet - neben der "Becks Fashion Experience" und dem "Moet & Chandon Fashion Debut" - eine große Chance für Jungdesigner.

Als solcher hat man es in Deutschland nicht unbedingt leicht, gerade wenn das Startkapital bescheiden ist. Kaviar Gauche konnte am Anfang keine großen Sprünge machen, im Gegenteil: Einfallsreichtum war gefragt. Die Geschichte von ihrer ersten Modenschau in Paris, die die beiden Mädels dort einfach auf offener Straße inszenierten, ist mittlerweile fast legendär. "Trotzdem klingt es spektakulärer als es eigentlich war. Die Show war einfach notwendig, weil wir nicht den finanziellen Backround hatten, um auf eine große, teure Messe zu gehen. Wir mussten unsere Präsentation damals selbst initiieren." Für Alexandra hat sich der Aufwand aber gelohnt: "Wir haben dort sehr gute Kontakte geknüpft, die zum Teil bis heute bestehen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Kaviar Gauche ausmacht.

Linker Luxus von Kaviar Gauche

Gegensätze ziehen sich an

Sky Dress, Karstadt

Teil der Kollektion für Karstadt: das "sky dress" aus Jeansstoff kostet 129 Euro.

(Foto: Foto: Karstadt)

Kontakte sind wichtig, vor allem in der Modebranche. Doch ohne kreatives Potenzial und harte Arbeit im Hintergrund nutzen sie wenig. Die beiden Frauen arbeiten deshalb lieber fundiert. "Bei uns ging es nicht in erster Linie um die Freundschaft. Wir waren von Anfang an auf professioneller Ebene ein Team. Schon während des Studiums haben wir bemerkt, dass wir einen ähnlichen kreativen Output haben", erzählt Alexandra. Sie und Johanna funktionieren miteinander - trotz unterschiedlicher Inspirationsquellen.

Doch gerade Gegensätze seien wichtig für den kreativen Prozess. "Wir benutzen konträre Themen, wodurch im besten Fall spannende Ideen aufkommen", erklärt die große Dunkelhaarige weiter. Bei der aktuellen Sommerkollektion standen sich die Begriffe Technik und Natur gegenüber. Entstanden ist daraus ein Konzept namens "Pixelromantik", welches trotz seiner inhaltlichen Kontraste ein stimmiges Bild ergibt: Blumen werden auf ihr Wesentliches reduziert und in plastischen Stoff-Ornamenten dargestellt.

Statt großflächiger floraler Drucke werden Blüten aus Stoff in klaren, geometrischen Formen zusammengesetzt. Die Oberfläche der Kleider erhält Struktur und damit ihren besonderen Reiz. Wilde Farben braucht es dazu nicht: Gedeckte Graphit- und Sandtöne machen viel mehr her.

Typisch für Kaviar Gauche ist die Weiterentwicklung ihrer Designelemente. So taucht zum Beispiel die mittlerweile heiß begehrte Handtasche "Lamella" immer wieder in abgewandelter Form auf. Auch in der Kleidung finden sich ihre organischen Elemente wieder. "In unserer ersten Kollektion war die Symbiose von Accessoires und Kleidung unser Fundament. Aus dieser profunden Idee schöpfen wir nach wie vor - obwohl wir natürlich versuchen, uns darin selbst zu überholen." Macht dieses Fundament vielleicht sogar den Charakter von Kaviar Gauche aus? Nicht nur.

In Paris spielt nicht zuletzt der Name des Labels eine Rolle bei der Steigerung des Bekanntheitsgrades. "Den haben wir uns nicht ausgedacht, es gab ihn schon - und zwar als 'gauche caviar' ", berichtigt Alexandra. Der Begriff wurde in den Sechziger Jahren von französischen Existenzialisten geprägt, die damit auf ironische Weise eine bestimmte Gesellschaftsschicht bezeichneten. "Während der Studentenrevolten gab es diese elitäre Gruppe, die zwar zum Jetset gehörte, sich aber dennoch mit den revolutionären Ideen der Studenten schmücken wollte." Sie galt fortan als 'gauche caviar'. Auch heute noch ist der 'linke Kaviar' in Frankreich ein geflügeltes Wort.

Diese Mischung aus Luxus und polarisierenden Statements passt auch zum Berliner Label. Sie verleihen dem Luxus Tiefe, indem sie ihn nicht zur Schau tragen wie ein Diamantcollier, sondern versteckt zum Ausdruck bringen - in exquisitem Material und modernem, überlegtem Design.

Die Botschaft der Designerinnen kommt an, nicht zuletzt bei der Prominenz. Gerüchte über einen neuen Fan namens Charlize Theron machten die Runde. Und Gerüchte haben zumindest einen wahren Kern. Alexandra klärt auf: "Die Schauspielerin war nicht selbst bei uns im Showroom und hat sich Kleidung anfertigen lassen - leider. Das lief ein bisschen unglamouröser ab. Ihre Agentin hat bei uns Sachen eingekauft." Immerhin, sowas schmeichelt selbst den beiden Berlinerinnen: "Das ist eigentlich das Schönste: Wenn eine tolle Frau ein ebenso tolles Kleid anhat, das du selbst entworfen hast, und dann auch noch große Beachtung findet - fantastisch!"

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: