Berlin:Heiraten mit Wartenummer

Hochzeitsbilder am frühen Morgen

Ein Ehepaar aus Dresden ist für die Hochzeitsfotos vor dem Reichstagsgebäude nach Berlin gereist. Solch Ausgelassenheit ist für viele Berliner Heiratswillige fern der Realität.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Heiraten in Berlin ist teils schwierig.
  • Im Bezirk Mitte fehlt den Behörden seit Monaten das Personal, damit Brautleute einen Termin für die standesamtliche Trauung vereinbaren können.
  • Seit Anfang des Jahres hat sich die Lage etwas gebessert - nur nicht im Standesamt Berlin Mitte.

Von Verena Mayer, Berlin

Sercar Konal sieht alles schon vor sich. Eine Hochzeit im April, nicht zu groß und nicht zu voll, mit seiner türkischen Familie und den portugiesischen Verwandten seiner Verlobten. Er sei jetzt 29 Jahre alt, sagt Konal, "da ist es Zeit zu heiraten". Für die Liebe seines Lebens muss er allerdings noch ein großes Hindernis überwinden, die Warteschlange am Standesamt Berlin-Mitte nämlich. Die ist lang, die Ersten in der Reihe standen bereits um vier Uhr morgens vor der Tür, mit Decken und Thermoskannen ausgerüstet gegen die beißende Berliner Winterkälte.

Heiraten in der Hauptstadt ist nicht einfach, jedenfalls, wenn man im Bezirk Mitte wohnt. Dort leben 370 000 Menschen, viele im heiratsfähigen Alter. Doch den Bezirksbehörden fehlt seit Monaten das Personal, damit Brautleute einen Termin für die standesamtliche Trauung vereinbaren und die Formalitäten erledigen können. Wer also eine Hochzeit plant, muss früh aufstehen, sehr früh. Und das nur, um überhaupt erst mal eine der Wartenummern zu bekommen, die nur montags und dienstags um 7.30 Uhr vergeben werden.

Die Berliner sind, was ihre Verwaltung betrifft, ja einiges gewöhnt. Die Bürgerämter waren lange Zeit so überlastet, dass ein Termin einem Lottogewinn gleichkam. Um aufs Bürgeramt zu gehen, ließen Leute ihre Läden geschlossen oder Operationen verschieben. Freie Termine wurden unter der Hand weiterverkauft, die Schlangen vor den Rathäusern waren so lang wie Freitagnacht vorm Club Berghain.

Dinge, die anderswo selbstverständlich sind, sorgen in Berlin für Aufsehen

Seit Anfang des Jahres hat sich die Lage etwas gebessert. Nach Jahren des Sparens wurde das Personal aufgestockt, insgesamt hat man in den Bürgerämtern 117 neue Stellen geschaffen, heißt es aus der Senatsverwaltung für Finanzen. Auf den meisten Berliner Ämtern bekommt man jetzt zwei bis acht Wochen im Voraus einen Termin, in manchen Behörden kann man sogar spontan aufkreuzen. Dinge, die in anderen Städten selbstverständlich sind, in Berlin aber für Aufsehen sorgen. "Sensation an Bürgerämtern: Termine sind möglich", titelte eine Zeitung.

Allerdings nicht am Standesamt Mitte. Ein schöner Altbau in der Nähe des historischen Nikolaiviertels. Es ist Valentinstag, sechs Uhr früh, als der Portier Mitleid bekommt und die frierenden Paare von der Straße ins Foyer lässt. Dort stehen sie nun zwischen Zimmerpflanzen und Stapeln von Broschüren, in denen "traumhafte Hochzeitslocations" vorgestellt werden. Die meisten sind nicht zum ersten Mal hier, so wie der 31-Jährige aus München, der auf seinen Laptop einhackt. Er arbeitet in Berlin für eine Beraterfirma und würde gerne im Sommer heiraten. Einmal haben sie ihn schon weggeschickt, sagt er und guckt wieder auf seinen Rechner. "In Berlin ist alles so, da erwartet man es nicht anders."

Wenn es nach der zuständigen Bezirksstadträtin Sandra Obermeyer geht, kann es allerdings noch dauern, bis Heiraten in Berlin-Mitte wieder ein Traum wird. Fünf der 15 Standesbeamtenstellen seien nicht besetzt, "eine Ausnahmesituation". Was daran liege, dass die Stadt Jahr für Jahr wachse und die Bezirksämter mit der Arbeit einfach nicht mehr hinterherkommen. Neue Leute zu finden, sei schwierig, so Obermeyer, vorhandenes Personal springe ab. Auch müssen Standesbeamte eine halbjährige Zusatzausbildung durchlaufen, ein Prozess, der sich nicht beschleunigen lasse. Erst im Laufe des Jahres 2017 soll es besser werden.

Es sieht nicht gut aus für seine Hochzeit im April

Bis dahin kann man sich morgens in der Schlange am Standesamt Mitte seine Gedanken über die Ehe machen. Wer von den fünfzig Leuten hier wohl bald verheiratet sein wird? Das ältere Paar, das sich leise auf Russisch unterhält? Der Mann aus Dresden, der erzählt, dass er seine Verlobte an diesem Morgen ausschlafen lässt? Und wie lange wird die Ehe der jungen Frau im Daunenmantel halten, deren Verlobter ständig auf sein Smartphone starrt, während sie mit ihm redet?

Es ist kurz vor halb acht, ein Sicherheitsmann bittet die Brautleute, sich hintereinander aufzustellen. Gleich werden die Wartenummern verteilt, wer eine ergattert, darf eine Treppe höher und dort weiterwarten. Alle anderen müssen an einem anderen Tag wiederkommen und sich mit der Berliner Verwaltung herumschlagen, in guten wie in schlechten Zeiten. Sercar Konal blickt auf die vielen Leute vor sich. Es sieht nicht gut aus für seine Hochzeit im April. "Egal, ich bin ein Kämpfertyp", sagt er. Er erzählt, dass er seine Verlobte seit zwei Jahren kennt, im September erwarten die beiden ihr erstes Kind. Spätestens dann wird er wiederkommen. Um ein Kind eintragen zu lassen, werden ab 5.30 Uhr Wartenummern ausgegeben.

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