Berlin Fashion Week:"Berlin, du bist so...

...wunderbar, Berlin", sagt sich die Medienwelt und hat die Hauptstadt als neuen europäischen Hotspot der Mode für sich entdeckt. Doch was ist dran an dem Hype der Haupstadt?

Katharina Höller

Berlin wurde als Modestadt wiedergeboren. Seit letztem Sommer ist Berlin Gastgeber der "Mercedes Benz Fashion Week". Und Berlin bietet den Nährboden für die Kreativität unzähliger Jungdesigner. Berlin ist bunt, billig und: ach ja, "arm, aber sexy". Was viele nicht wissen: Schon in den 20er Jahren war sie die "Stadt der Konfektion" und gehörte zu den großen Modemetropolen Europas. Doch der Glanz war lange Zeit verblichen.

Kaviar Gauche, Getty Images

Journalisten belagern Johanna Kühl, Designerin von Kaviar Gauche

(Foto: Foto: Getty Images)

Nun rühmt man sich aufs Neue, in Sachen Mode etwas ganz Besonderes zu sein. Doch was ist dran an dieser Behauptung? Und wie sehen die Modeschaffenden vor Ort den neu geborenen Hype? Sind die Branchen-Insider ebenso überzeugt von dieser Entwicklung, oder bleibt es beim leeren Gerücht, das die Medien schürten?

"Wir brauchen Mode in Berlin"

Tatsächlich gibt es die Optimisten, die sagen, Berlin wäre eine Modestadt. Häufig sind das diejenigen, die von dem Trend profitieren. Dazu gehört in erster Linie natürlich die Stadt selbst: "Wir brauchen Mode in Berlin. Die Mode ist nicht nur ein Kultur-, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor", meint Nadja Clarus von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technik und Frauen. Sie ist seitens der Stadt zuständig für Berlins Modebranche.

Sie argumentiert weiter: "Da hätten wir zum einen das tatsächlich vorhandene kreative Potential, nämlich die rund 800 ansässigen Designer und die Hochschulen mit ebenso vielen kreativen Studenten." Um sich nach der Ausbildung selbstständig zu machen, bleiben die Absolventen gerne in der Stadt: "Berlin ist als Standort gerade für junge Designer sehr gut geeignet. Vor allem die Kostenstruktur ist häufig ein Argument, sich hier anzusiedeln", so erklärt Clarus den wachsenden Zulauf.

Die Tatsache, dass sich in der Stadt mit Mode Geld verdienen lässt, hat sich inzwischen auch bei den großen kommerziellen Bekleidungsunternehmen herumgesprochen. Sichtbar wird dies für jeden, der mit offenen Augen durch Mitte schlendert: bereits angesiedelt haben sich Flagshipstores von Diesel, G-Star, Puma, Adidas und Fred Perry. Und sie werden bestimmt nicht alleine bleiben.

Lesen Sie weiter: Gemischte Gefühle nach der ersten Fashion Week.

"Berlin, du bist so...

Der Spielplatz wird kommerzialisiert

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Models auf dem Laufsteg von c.neeon bei der letzten Berlin Fashion Week im Sommer

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Die Stadt scheint längst nicht mehr so roh und kapitalistisch unverdorben zu sein wie nach der Wende. Damals wucherte die Kreativität an jeder Ecke. Alles war möglich und quasi umsonst. Ein fruchtbarer Boden bestehend aus überanspruchter und unterbesetzter Verwaltung - sprich: wenig ernst zu nehmenden gesetzlichen Regelungen und niedrigen Lebenshaltungskosten lieferte dafür die Grundlage.

Zehn Jahre später haben es auch die großen Unternehmen aus dem Ausland bemerkt: Ah ja, in Berlin, da geht noch was, da gibt's was zu holen!

Eingetreten ist dadurch eine Situation, welche die Stadt schon öfter erlebt hat: Eine schwer zu definierende Unbekannte mit mehreren Gesichtern behauptet jetzt, dass Berlin eine Modestadt wäre.

Designerin Katja Schlegel vom Berliner Label "Starstyling" hat dazu eine interessante Theorie: "Es gibt ein Problem: Berlin ist immer mehr das, was man der Stadt von außen aufdrückt, als das was wirklich aus ihrem Inneren kommt. Berlin ist nicht wirklich gewachsen. Alle paar Jahrzehnte hat man der Stadt eine neue Situation übergestülpt. Egal ob das während des Mauerbaus oder der Wiedervereinigung war. Alles Dinge, die Außenstehende entschieden haben. Ein eigenes Sein und eine eigene Identität fehlen hier irgendwie."

Gemischte Gefühle nach der ersten Fashion Week

Schlegel ist pessimistisch und erklärt zu einem Berlin-spezifischen Phänomen, was der Hauptstadt nun auch hinsichtlich der Mode blüht: Die IMG, eine der größten Eventmanagement -und Medienagenturen weltweit, hat sich im Sommer der Berliner Fashion Week angenommen. Diese soll groß werden und konkurrenzfähig, und wurde deshalb in ebenso großem Stil organisiert. Der Catwalk führte geradewegs durchs Brandenburger Tor, und namhafte Designer wie Vivienne Westwood und Michael Michalsky sollten die Medien anlocken. Ein sehr großer Schuh, den sich die Stadt da anzog. Ein Schuh, den sie womöglich nicht ausfüllen kann.

Dementsprechend fiel die Kritik im Anschluss an die Modewoche aus. "Zu wenige Shows, zu wenig Avantgarde, zu wenig internationale Presse", schrieb die Elle.

Und diese Meinung ist weiter verbreitet, als man vermutet: "Berlin überfordert sich total mit diesem 'Unbedingt-eine-Modestadt-sein-wollen'. Jetzt nennt man das auf einmal `Berlin Fashion Week´ und setzt sich damit selbst unter Druck, so sein zu müssen wie Paris und New York. Eigentlich klar, dass wir da gnadenlos verlieren", beurteilt Melanie Warmuth die Lage, Studentin an der Berliner Modeschule Esmod.

Sie und ihre Kommilitonen erleben täglich, was Berlin modisch gesehen zu bieten hat. Auch Jennifer Blum von der FHTW (Fachhochschule für Technik und Wirtschaft) sagt: "Berlin ist immer noch verschrien als T-Shirt-Bedrucker-Stadt. Selbst namhafte Berliner Designer wie Bernadett Penkov sagen, dass man im Ausland immer ein klein wenig belächelt wird. Nach dem Motto: Ihr macht da halt euer süßes kleines Ding."

Doch seitens der Stadt bleibt man optimistisch und setzt verstärkt auf das Mode-Pferdchen. Die Verwaltung zeigt Einsatz und Willen zur Verbesserung der Infrastruktur: "Wir arbeiten an Kooperationsbörsen, die Designer, Zwischenmeister und Schneidereien zusammenbringen, wir bringen regelmäßig Broschüren zum Modestandort Berlin heraus, um die Branche zu informieren, wir bieten für wenig Geld Weiterbildungen an, kurz gesagt: Wir arbeiten an uns und haben erkannt, dass es verschiedene Säulen gibt, die einen Modestandort ausmachen." Doch tut die Stadt genug?

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"Berlin, du bist so...

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Der Bürgermeister beklatscht seine erste Fashion Week.

(Foto: Foto: Getty Images)

Ein kleiner Wehrmutstropen bleibt

"Nach außen hin sieht es so aus als täte die Stadt genug. Es gibt einen Etat-Topf für Förderungen von Kunst und Forschung, aber das heißt, dass man sich als Designer das Geld mit jungen Physikern teilen muss", beschwert sich Katja Schlegel von "Starstyling".

Diejenigen, die vom "Kuchen des Mode-Hypes" schon ein Stückchen abbekommen haben, sehen das anders: Bianca Hartwig von "Talking Means Trouble" konnte ihre letzte Sommerkollektion bei der ersten Mercedes Benz Fashion Week präsentieren.

In einem Punkt sind sich die ortsansässigen Designer einig: Noch fehlen die Strukturen, um Berlin wirklich als Modestadt zu bezeichnen: "Berlin ist ja gerade 18 geworden und damit ein Teenager. Die Stadt ist noch total wild und muss sich erst einmal selbst finden. Wenn ich zurückdenke, wie ich mit 18 war...? Die Stadt und damit auch ihre Mode müssen erst erwachsen werden." Bianca Hartwig spielt mit ihrem Vergleich auf Modestädte wie Paris oder Mailand an. Dort gibt es hinsichtlich der Mode eine jahrzehntelange Tradition. Nicht nur die Designer, sondern auch die nötigen Handwerksbetriebe fungieren vor Ort und sind untereinander vernetzt.

Trotzdem kommen die Argumente für Berlin nicht von ungefähr. Berlin sei so unverbraucht und flexibel - und: "Berlin ist spannend. Hier ist noch nichts gefestigt, alles bewegt sich. Es gibt ja nicht umsonst so schöne Sprüche, die man immerzu hört: Berlin ist nicht, Berlin wird immer", philosophiert Bianca Hartwig. Und auch Katja Schlegel hegt zaghafte Hoffnungen für die Zukunft: "Entweder es wird sich irgendwann eine eigene Identität entwickeln, oder das ist eben für immer das Mantra dieser Stadt: Das sie gerne für irgendwas benutzt wird."

Berlin ist keine Modestadt im klassischen Sinne - soviel ist klar. Die Modebranche hat dort keine handwerkliche Tradition. Dennoch strömen die Kreativen immer weiter in die Hauptstadt und bereichern sie mit ihrem Können. Die Vermutung liegt nahe, dass Berlin eine Stadt des Designs ist. Wenn die Berliner nun aufhören, so sein zu wollen wie Paris oder New York, wird diese eigene Identität leichter für andere erkennbar sein. Sie müssen nicht in Konkurrez treten mit "den Modestädten". Sie sollten einfach weiterarbeiten wie bisher - dann kann man sich vielleicht rückbesinnen auf den Glanz der Zwanziger Jahre.

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