Base-Jumping in West Virginia:Mountain Gaga

Einmal im Jahr haben sie sechs Stunden Zeit, sich sooft wie möglich von einer 270 Meter hohen Brücke zu stürzen. Und das tun sie dann wie die Blöden - in West Virginia.

Matthias Fleischer, Fayetteville.

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Colleen steht am äußersten Rand der Metallplattform, direkt vor ihr geht es einige hundert Meter tief in eine Schlucht. Rechts und links säumt herbstlich-bunter Laubwald die Hügel. Dafür hat Colleen gerade kein Auge. Sie zählt: "Three, two, one. See you!" Mit einem kleinen Satz springt sie von der Plattform, breitet die Arme aus und rauscht in die Tiefe. Was für sie wirkt wie eine Ewigkeit, dauert in Wahrheit nur ein paar Wimpernschläge. Dann schleudert Amerikanerin den kleinen Hilfsschirm, den sie fest in ihrer rechten Hand hält von sich, ihr Rucksack öffnet sich und mit lautem Knattern entfaltet sich der Hauptschirm. Ein Ruck, und Colleen gleitet in etwa 200 Metern Höhe über dem New River Gorge National River.

Colleen ist eine von mehreren hundert Base Jumpern beim Bridge Day. Seit 30 Jahren lockt dieses Ereignis, ein lokales Herbstfest in Fayetteville, West Virginia, zahlreiche Extremsportler aus der ganzen Welt an. Sie sind die Hauptattraktion für die zigtausend Schaulustigen und dürfen ausnahmsweise ganz legal von der knapp 270 Metern hohen New River Gorge Bridge hüpfen.

Alle, die wie Colleen heute zum ersten Mal springen, haben vorher an einem speziellen Einführungskurs teilgenommen. Einer der Leiter kommt aus Deutschland, allerdings will er seinen Namen nicht nennen: "Meine Freunde wissen, dass ich diesen Sport mache; meine Arbeitskollegen müssen das nicht unbedingt wissen", sagt er. Er bezweifle, dass die Akzeptanz für seinen Sport groß genug sei. Viele würden Base-Jumping für waghalsig halten, die Sportler für Verrückte. Dabei sind so gut wie alle der Extremsportler erfahrene Fallschirmspringer.

Auch die Organisatoren des Bridge Day sind alles andere als leichtfertig: Wer springen will, muss erst seine Ausrüstung inspizieren lassen; nach einer Wasserlandung stehen sofort Hilfskräfte bereit. Die ziehen auch Colleen nach ihren beiden Sprügen aus dem Wasser. Premiere gelungen.

Es wird wohl für einige Zeit ihr einziger Sprung bleiben: "Base Jumping ist fast überall illegal, deswegen werde ich in nächster Zeit wohl nicht viel zum springen kommen", befürchtet Colleen.

Doch es gibt einen kleinen Lichtblick: Die Veranstalter des Bridge Day haben mittlerweile erreicht, dass ein Steg, der direkt unter der New River Gorge Bridge verläuft, noch an einigen weiteren Tagen im Jahr für Base-Jumper zur Verfügung steht.

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