Bascha Mika über Frauen im Beruf:Zu weich, zu feige, zu unterwürfig

Es gibt zu wenige Frauen in den Führungsetagen? Selber schuld, findet Bascha Mika. Frauen seien zu bequem und zu feige, um wirklich Karriere zu machen. Sie müssen aufhören, sich selbst zu betrügen, fordert die Feministin.

Cathrin Kahlweit

Sie ist, zum x-ten Mal wiederbelebt, zum Gotterbarmen langweilig, die Debatte über Quoten für Frauen in der Privatwirtschaft: uralt, abgehangen. Die Argumente sind gedreht und gewendet, die Zahlen stagnieren, und doch geht jedes Mal ein Schock der Empörung und der Angst durch dieses Land, wenn mal wieder eine Arbeitsministerin, ein Wirtschaftsboss oder eine EU-Kommissarin vorzuschlagen wagt, das in Ordnung zu bringen, was nicht von allein in Ordnung kommen will: Darf man das? Ist das kontraproduktiv? Wollen das die Frauen überhaupt? Ist das umgekehrte Diskriminierung?

Scheidende 'taz'-Chefin Mika sorgt sich um die Zukunft des Blattes

Bascha Mika, Publizistin und Feministin, will die Frauen wachrütteln.

(Foto: Roland Magunia/ddp)

Tausend Mal gehört, tausend Mal ist nichts passiert. Zu befürchten steht: Bevor die Quote im strukturkonservativen Deutschland kommt, wird eine weitere Generation Frauen sich den Kopf an der gläsernen Decke wundstoßen; dann aber wird die demografische Entwicklung die Unternehmen überrennen und sie werden händeringend nach kompetenten Frauen suchen, die ihnen die Arbeit machen.

Bestes Beleg dafür ist ein nachgerade absurdes Interview, das Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller, Vorsitzender der Kommission für gute Unternehmensführung, vergangene Woche einer Nachrichtenagentur gab. Er wehrt sich gegen die von Ursula von der Leyen angedachte 30-Prozent-Quote mit dem Argument: "Ich habe mal gelernt, dass man keine Gesetze macht, bei denen feststeht, dass der andere sie nicht erfüllen kann." Die Wirtschaft nämlich könne eine mögliche Quote gar nicht erfüllen, denn: "Ich kann heute nur aus einem Pool von Frauen schöpfen, die in den 90er Jahren in den Beruf eingestiegen sind." Es gebe, so Müllers Botschaft, schlicht nicht genug Frauen, die so weit gekommen sind, dass sie heute eine Führungsposition übernehmen könnten.

Dumm gelaufen, möchte man da rufen: Vielleicht hätte das Potential von Millionen Frauen ja mal etwas früher entdeckt und konstruktiv genutzt werden können? Zu spät und sehr bedauerlich, denn: Der Schaden trifft beide Seiten. Aber Schuldzuweisungen helfen nichts; nach dem Machtwort der Kanzlerin ist die Debatte wieder tot - bis zum nächsten Déjà-vu.

Oder doch nicht? Bascha Mika, bis zum Sommer 2009 Chefredakteurin der taz in Berlin, wortgewaltige Publizistin und Feministin, hat soeben ein Buch vorgelegt, das viel weiter unten ansetzt. Nicht in den Führungsetagen, nicht bei Quoten für Karrierefrauen, sondern beim Berufseinstieg, bei der Lebensplanung, bei ganz normalen Leben von ganz normalen Frauen. Sie beleuchtet die Debatte neu - auch wenn ihre These an sich nicht neu ist (Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität. Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug. C. Bertelsmann Verlag, München 2011, 245 Seiten, 14,99).

Das, was Mika beschreibt, wird allerdings - aus einer anderen Motivlage heraus - normalerweise meist von Männern ins Feld geführt: Frauen wollten doch gar keine Karriere machen, sie zuckten zurück vor dem echten, dem harten Leben. Sie spielten keine entscheidende Rolle im männerdominierten, konkurrenzkämpferischen, harten Erwerbsleben, heißt es, und noch weniger spielten sie eine Rolle oben, wo die Luft dünn ist und die Posten rar sind - weil sie sich dem Stress und dem Zeitdruck, den Ritualen und der Gockelei gar nicht stellen wollten.

Frauen sind zu weich, zu wenig ehrgeizig, soll das heißen, sie haben andere Prioritäten, aber: Mit Work-Life-Balance und arbeitsteiligem Familienleben kann man in einem Rund-um-die-Uhr-Job eben keinen Blumentopf gewinnen. Stimmt, sagt dann auch manche Frau, wir wollen nicht mitspielen, weil wir das Spiel in der jetzigen Form nicht mögen. Gäbe es andere Regeln, wäre das Spiel nicht so schrecklich, so menschenverachtend, wären wir sofort dabei.

Kinderkriegen als Ausweg aus dem Berufsalltag

Sofort dabei? Schön wär's, ruft Bascha Mika. Sie reitet ihren Angriff gegen das eigene Geschlecht. Schönfärberei beklagt sie, und Selbstbetrug: In ihren Augen sind Frauen feige, sie sind bequem, sie richten sich ein in ihren kleinen Leben. Sie träumen von der großen Liebe, und wenn sie die gefunden haben, putzen sie ihr klein Häuschen, ziehen ihre kleinen Kinder groß, bescheiden sich, steigen ganz oder für zu lange Zeit aus dem Job aus, reden sich das auch noch schön - und wundern sich zum Schluss, dass der Göttergatte sich eine andere gesucht hat und ihr eigenes Leben zwischen Staublappen und Damen-Bridge versauert ist. "Verkrümelt" nennt die kinderlose Mika solche Leben in ihrer plastischen Sprache.

"Der Mann als Versorger draußen in der Welt, die Frau daheim bei Haus und Kindern, vielleicht mit einem Halbtagsjob. Er zahlt bar, sie mit Lebenszeit und Eigenständigkeit. Ein schleichender Prozess der weiblichen Selbstabwertung." Wir Frauen fluchten über unsere Ohnmacht und die Ungerechtigkeit der Welt, mokiert sich Mika, "aber wie handeln wir Tag für Tag?" Zwingen wir die Männer, regelmäßig Klos zu putzen und die Hälfte des Erziehungsurlaubs zu nehmen? Oder erfüllen wir alle Rollenklischees nur zu gern? Weil wir so erzogen sind, weil es anfangs so nett ist mit dem Baby daheim?

Frauen, meckert Bascha Mika, wählen zu oft ein kommodes Leben. Suchen sich Jobs nicht danach aus, ob sie Geld bringen, mit dem Unabhängigkeit erkauft werden kann. Betrachten ihre Arbeit zu oft als Hobby. Kriegen Kinder als Ausweg aus dem harten Berufsalltag. Finden es normal, dass der Mann der Haupternährer ist. Überhöhen ihre Mutterrolle, um eine Ausrede dafür zu haben, dass sie sich vor Selbstverantwortung drücken. Geben ihre Karriere auf und sagen: "Es hat sich so ergeben", anstatt einzuräumen, dass sie ein anderes Leben nicht genug gewollt haben. Mikas Text ist das, was der Literaturbetrieb ein "Debattenbuch" nennt: viele absolute Formulierungen, viel Schwarz-weiß, viele Ausrufezeichen, viel Redundanz. Man soll sich daran reiben können.

Deshalb klingen ihre kompromisslosen Sätze so: "Bequemlichkeit, Selbstbetrug, Feigheit. Und freiwillige Unterwerfung. In diesem Milieu gedeiht das Kümmersyndrom. Es verschafft (uns Frauen) heimliche Macht, eine, die wir nicht erobern müssen. Die aber unser Leben irgendwann vergiften wird. Warum fällt es uns so leicht, Verantwortung für andere zu übernehmen, nicht aber Verantwortung für uns selbst?"

Und? Hat sie recht? Klar hat sie recht. Nicht immer und überall, aber oft genug übernehmen Frauen die Rolle, die ihnen die Tradition, der Ehemann und der Alltag andienen: Sie kriegen die Kinder, kümmern sich, machen den Großteil der Hausarbeit, weil sie das so kennen und weil sie das so gut können und weil der Gatte ja einen harten Tag hatte und das höhere Gehalt bekommt und sie keinen Streit wollen und ach, weil es schon immer so war und so viel Energie kostet, zu sagen: "Ich will aber alles anders."

Weil es sich eben so ergibt, immer so ergeben hat. Und weil Männer selten von selbst sagen: "Du, Schatzi, wir machen einen gerechten Putzplan, außerdem bleibe ich das erste halbe Jahr beim Baby zu Hause und mache danach immer schon um fünf Uhr Feierabend, damit du an deiner Karriere basteln kannst." Frauen müssten, schlägt Bascha Mika daher vor, ihre Angst vor dem Ehezwist überwinden, ihre dienende Rolle in Frage stellen, ihre Ansprüche selbstbewusster vertreten - und das "Leben von hinten her denken". Denn wenn der erste Überschwang von Verliebtheit, Familienglück und Jugend verblasst, wenn der Mann im Beruf aufgeht, die Kinder aus dem Haus streben und der eigene Halbtagsjob nur ein müder Abklatsch der früheren Träume ist, dann kommt die Reue. Aber dann ist es oft zu spät.

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