60 Jahre Barbie:"In Deutschland macht man das besonders gerne: die Barbie verurteilen"

Barbie wird 60

Barbiefiguren des Herstellers Mattel werden bei der Spielzeugmesse "Toy Fair" in New York präsentiert.

(Foto: Mark Lennihan/dpa)

Am 9. März 1959 wurde die erste Barbie in New York vorgestellt. Ob Bettina Dorfmann Barbies Sechzigsten feiert? Immerhin umfasst ihr Sammlung 18 000 Exemplare

Interview von Friederike Zoe Grasshoff

Barbie, als ewig umstrittene Kunstfigur eigentlich so alterslos wie Homer Simpson, Inbegriff aller Plastik-Klischees, wird 60. Am 9. März 1959 wurde die erste Puppe in New York vorgestellt. Oft gegeißelt als anorektisches Sexobjekt, gibt es sie mittlerweile auch in vermeintlich "kurvig", als Roboter-Ingenieurin und mit Hidschab. 18 000 dieser Puppen besitzt Bettina Dorfmann, 58, die in Düsseldorf eine Puppenklinik betreibt und es mit ihrer Sammlung ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat.

SZ: Frau Dorfmann, wieso widmen Sie Ihr Leben einer Puppe aus Plastik?

Bettina Dorfmann: Barbie erinnert mich an meine Kindheit. Ich habe keine Geschwister und sehr viel mit ihr gespielt. Man kann für sie häkeln, man kann ihr verschiedene Rollen geben, Wohnungen für sie bauen. Meine erste Barbie, Midge hieß sie, habe ich von meinen Eltern zur Einschulung bekommen. Ich mochte sie sofort und wünschte mir dann eine zum Geburtstag, zu Weihnachten. Bis ich 28 Stück hatte. Irgendwann landeten sie im Keller. Aber als meine Tochter drei war, kramte ich sie wieder raus.

Und, konnte sie damit irgendetwas anfangen?

Sie war noch zu klein. Und die Barbies waren auch zu altmodisch: Eine hatte sogar einen Plattenspieler. Dafür entdeckte ich meine alte Liebe zur Barbie wieder. Also reparierte ich die alten Puppen, ging auf Sammlerbörsen und realisierte, dass auch die neuen Barbies ein Spiegel unserer Zeit sind - und dass die ganz viele Themen haben. Man denkt immer, das ist nur 'ne Puppe, die man an- und auszieht. Aber das ist sie ja nicht.

Ist sie nicht?

Sie hat Abi. Sie hat Berufe bis hin zur Präsidentin und zur Kanzlerin, ist zum Mond geflogen, hat Zahnmedizin studiert. Es gibt Barbies im Rollstuhl, Armee-Barbies, Marylin Monroe, Frank Sinatra, Harry Potter.

Bettina Dorfmann mit Barbies

Bettina Dorfmann hat die Barbie zu ihrem Beruf gemacht.

(Foto: B. Dorfmann)

Und seit einiger Zeit gibt es nicht mehr nur die blonde, weiße Barbie, es gibt sie als Ingenieurin und nicht mehr ganz so dünn. Aber es ist und bleibt ein Püppchen, das hübsch und undick zu sein hat.

Das sagen Leute, die sich nicht damit beschäftigen, immer. In Deutschland macht man das besonders gerne: die Barbie verurteilen. Babypuppen von heute haben doch auch riesige Köpfe und wären in echt nicht lebensfähig. Da stört sich keiner dran, es heißt nur ständig: Die Barbie ist blond und dumm. Gehen Sie mal zu einer Barbie-Börse, da ist niemand, der sich umoperieren lässt oder hungert oder aussehen will wie eine Puppe. In Ratingen organisiere ich eine Ausstellung, "Busy Girl - Barbie macht Karriere", da geht es um die Berufstätigkeit der Frau von 1959 bis heute. Und da kann man sehen, dass Barbie nicht nur ein Püppchen ist. Sie stand immer im Leben.

Barbies sind also nicht frauenfeindlich?

Im Gegenteil. Barbie kann alles sein, sie ist emanzipiert und kann jeden Beruf ausüben, den sie will. Ich bin für die Gleichberechtigung und habe mich immer darüber geärgert, dass man als Frau doppelt so viel leisten muss, um Erfolg zu haben.

Und besitzen heute ganze 18 000 Stück.

Die habe ich aber nicht alle zuhause, manche sind im Museum, ein paar habe ich verliehen. Und mein Haus in Düsseldorf ist eigentlich auch ein Museum, ich biete Führungen an und restauriere dort alte Puppen, ich habe ein Barbie-Zimmer und drei Lagerräume außerhalb. Ich bin viel auf Tauschbörsen unterwegs und treffe mich mit anderen Sammlern. Und um gegen noch ein Klischee anzukämpfen: Es kommen genau so viele Männer wie Frauen dahin, wenn auch manchmal heimlich. Meist suchen die Leute ihre Kindheit in den Barbies, den damaligen Zeitgeist, die Mode aus den Siebzigern, manchmal wechseln Puppen für 8000 Euro den Besitzer. Mein Liebling ist von 1967, aus der Flower-Power-Zeit.

Barbie ist also Ihr Beruf. Kann man davon leben?

Kann man, aber nicht sehr ausschweifend. Man sitzt ja teilweise stundenlang an einer Barbie mit Haarausfall - und ich mache das mit Herzblut.

Feiern Sie Barbies Sechzigsten?

Nein, ich bin im Umgang mit Puppen sehr sachlich, für mich sind das Sammelobjekte. Weder habe ich je versucht, auszusehen wie eine Barbie, noch gebe ich den 18 000 Puppen Namen. Es gibt Sammler, die haben immer ihren Barbie-Koffer dabei und spielen mit ihnen, ziehen sie um. Aber ich werde an ihrem Geburtstag in Paris auf einer Barbie-Börse sein. Um nach neuen Barbies zu schauen.

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