Neue Barbie-Puppe:Für immer Praktikantin

Barbie Robotics Engineer

Karriere-Püppchen: So also sieht die Antwort der Firma Mattel auf die Genderdebatte aus.

(Foto: Mattel)
  • Im August kommt eine neue Version von Barbie in den Handel: die Robotik-Ingenieurin.
  • Der Hersteller betont, man wolle jungen Mädchen zeigen, dass sie alles sein und später tun könnten.
  • Die "Career of the Year"-Barbie, zu der auch die Version der Robotik-Ingenieurin gehört, gibt es allerdings immer nur für ein Jahr im Handel. Kommt eine neue, fliegt die "alte" Version raus.

Von Philipp Bovermann

Wer ein bisschen was über die Fallstricke des Feminismus lernen will, sollte sich mit Barbie beschäftigen. Die entwickelt sich seit einigen Jahren zur Botschafterin von Diversität und "Empowerment", also Selbstbestimmtheit, weshalb die neueste Facette nur konsequent ist: Im August kommt Barbie als Robotik-Ingenieurin in den Handel. Der Hersteller Mattel betont, es gehe darum, den jungen Mädchen zu zeigen, dass sie alles sein und später mal tun können - zum Beispiel Roboter bauen. Eine ziemlich löbliche Sache. Doch wenn etwas zu gut aussieht, ist meistens irgendwo ein Haken.

Stevie Schmiedel kämpft als Gründerin der Protestorganisation "Pink Stinks" gegen Geschlechterklischees in der Produktgestaltung und der Werbung. Gerade hat sie mal wieder alle Hände voll zu tun, Medienvertretern zu erklären, dass es sich dabei um einen "reinen Marketingtrick" handele, genauso wie damals, als 2016 Puppen in den Körperformen "groß", "klein" und "kurvig" erschienen. Die Firma reagierte damit auf die zunehmende Kritik am klassischen Barbie-Idealkörper, der so dünn ist, dass bei einem echten Menschen nicht alle Organe hineinpassen würden. Das machte sich zunehmend auch in den Verkaufszahlen bemerkbar. Seit Barbies Diversitätsoffensive in den letzten Jahren legen sie wieder zu.

Für Schmiedel sind die progressiven neuen Puppen aber nur "kurze Impulse, die nicht für die Masse produziert werden". Sie seien lediglich dafür da, Barbie einen emanzipierten Anstrich zu geben. Feminismus als Make-up - wie bei einem Ölkonzern, der irgendwo ein paar Windkrafträder hinstellt und dann sagt: Seht her, wir gestalten die Zukunft!

Die Robotik-Ingenieurin scheint diesen Vorwurf implizit zu bestätigen. Sie ist in der "Career of the Year"-Reihe erschienen, die es seit 2011 gibt und Barbie auch schon zur IT-Spezialistin, Bauingenieurin und Games-Designerin gemacht hat. Allerdings jeweils nur für ein Jahr. Kommt eine neue "Career of the Year"-Puppe in den Handel, fliegt die vorige raus. Das macht Barbie gewissermaßen zur ewigen Praktikantin. Jede von ihnen verdrängt die vorige, die den eigens eingerichteten Sonderplatz besetzt hielt - während auf allen anderen Top-Stellen wahrscheinlich weiterhin Ken schaltet und waltet, ihr männliches Gegenstück. Die Robotik-Ingenieurin gibt es zudem nur in den Körperformen superschlank, superschlank und superschlank. Mädchen haben mit ihr also die volle Freiheit der Wahl: Sie können Karriere machen. Oder einen normalen Körper haben.

Die progressiven Ausnahmen bestätigen somit die Regel, die als gemeinsamer Nenner dessen stehen bleibt, wovon sich die Ausnahmen abheben. Die Firma Mattel gibt keine Zahlen heraus, wie gut sich die "Career of the Year"-Puppen im Vergleich mit den klassischen Modellen verkaufen. Durchsucht man allerdings verschiedene Shopping-Portale, sind die "Top Seller": die Meerjungfrau, die "Fashionista", die Prinzessin und die mit dem stubenreinen Hündchen. Alle weiß, alle supergertenschlank.

Im Beruf abenteuerlustig, zu Hause süß

"Du kannst alles sein", lautet der Slogan von Barbie, seit sie sich öffentlichkeitswirksam "Empowerment" auf die Fahnen geschrieben hat. Er steht auch am Ende jeder Folge ihres Video-Blogs, wo eine computeranimierte Barbie über ihr fiktives Leben berichtet und als eine Art große Schwester ihren Zuschauerinnen Mut zuspricht. Sie ermuntert sie, sich nicht ständig zu entschuldigen und an sich selbst zu glauben. In einer Folge erzählt sie zum Beispiel, wie sie als kleines Mädchen einmal ihren Traumberuf malen sollte - und sich für eine Kombination aus Tänzerin, Doktorin, Astronautin und, na klar, Prinzessin entschied. Ein Freund habe sie damals mit dieser Idee aufgezogen, sie könne schließlich nur eine einzige Sache sein. Aber im Internet sei sie dann auf Mae Jemison gestoßen. Eine Tänzerin ("check!"), Ärztin ("check!") und frühere Astronautin ("check!"), die ein inspirierendes Vorbild und insofern auch irgendwie so eine Art Prinzessin sei ("check!").

Während die Barbie das erzählt, tauchen auf ihrer eingeblendeten Kinderzeichnung von sich selbst nacheinander und übereinander ein Tutu auf, eine Krankenschwesternhaube, darüber ein Astronautenhelm, dem sie zum Schluss auch noch ein süßes Krönchen aufsetzt, so als wären es verschiedene Schichten von Puppenkleidern. Ein paar davon sind progressiv, aber darunter stecken weiterhin die klassischen, die sie gleichzeitig tragen muss.

Also ist die Ideal-Barbie nun abenteuerlustig im Beruf wie eine Raumfahrerin, aber zu Hause trotzdem auch süß und bezaubernd, die Krankenschwester für die Seele ihres Mannes und ihrer Kinder. Und dann soll sie bitte schön alles mit tänzerischer Leichtigkeit unter einen Hut - oder ein Krönchen - kriegen.

Egal, wie dick oder IT-versiert Barbie auch werden mag - sie ist und bleibt ein Püppchen

Ein Anruf bei Mattel gibt einen Hinweis auf die Wurzel des Problems. Am Apparat ist die deutsche Pressesprecherin Anne Esau. "Als Ruth Handler 1959 die Barbie erfand, gab es nur die klassische Baby-Puppe, um damit Mutter zu spielen", erzählt sie. Mit der Barbie hingegen hätten junge Mädchen erstmals "das Erwachsenen-Spiel nachspielen" können, und zwar das ganze gesellschaftliche Spektrum. Von Fee bis Präsidentschaftskandidatin gebe es heute "keine Limitation".

Zumindest eine Limitation bleibt aber doch, eine ziemlich grundsätzliche. Egal, wie dick oder IT-versiert Barbie auch werden mag, sie ist und bleibt ein Püppchen. Eine Frau als Objekt, reduziert auf ihre Äußerlichkeit, auch wenn sie Präsidentschaftskandidatin "spielt". Darin liegt nämlich der tiefere Haken des Barbie-Feminismus: Wenn Frauen nun ein breiteres Spektrum von Körpern feiern, indem sie ihre normal großen, normal hängenden Brüste, ihren normal gewölbten Bauch auf Instagram ausstellen - dann machen sie sich damit, Stolz hin oder her, immer noch zum Objekt eines Blicks von außen. Wenn hingegen Männer dick sind, dann sind sie halt dick, aber für ihr Selbstverständnis hat das meist keine grundsätzliche Bedeutung. Vielleicht spielen sie deshalb als kleine Jungs auch lieber mit Action-Figuren, anstatt sich mit stets gut gelaunt dreinblickenden Mini-Männern schon mal auf die Rollen vorzubereiten, die sie später perfekt ausfüllen sollen.

Wenn es also überhaupt eine Revolution für Barbie geben sollte, müsste sie von Ken ausgehen. Eine wirkliche Gleichheit der Geschlechter wäre erst erreicht, sobald er, nur zur Abwechslung, auch mal am Herd stünde, enthaart von Kopf bis Fuß und besorgt um den Auflauf im Ofen, bis Barbie als fettleibige Astrophysikerin mit einem Bärenhunger nach Hause kommt.

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