Bademode für Kinder:Push-ups für Erstklässler

In Großbritannien ist eine Debatte über aufreizende Kinderwäsche entbrannt. Hysterie oder berechtigte Sorge? Welche Gefahren der "Pädo-Bikini" birgt.

Lena Jakat

Zwei kleine Stoffstücke haben in Großbritannien eine neue Debatte über den Kinderschutz ausgelöst. In ihrer Titelstory beschäftigte sich die Sun in ihrer Mittwochsausgabe mit sexy Bikinis und Unterwäsche - für Siebenjährige. Verschiedene britische Warenhäuser haben demzufolge die aufreizende Kinderkleidung im Programm - vom gepolsterten BH in Größe 28 AA, über den Stringtanga für Erstklässler bis hin zu Slips mit der Aufschrift "You've Scored" ("Du hast gepunktet!", aber auch: "Du hast jemanden abgeschleppt!"). Das englische Boulevardblatt nannte diese Kinderdessous ganz unverblümt "Pädo-Bikinis".

Im daraufhin losbrechenden Sturm der Entrüstung wurde vor allem argumentiert, solche Kleidung rufe Pädophile auf den Plan. "Diese Produkte nutzen Kinder sexuell aus oder begünstigen Pädophile", sagte die Kinderschutz-Aktivistin Shy Keenan der Sun. Die Badekleidung sei "völlig würdelos", kommentierte Oppositionsführer David Cameron. Michael Nitsch, Leiter des Kinderschutzzentrums München, sieht das anders. "Ich denke nicht, dass Pädophile so besonders auf den Plan gerufen werden", sagt er. "Das große Problem ist ein gesellschaftliches."

Sexy Bikinis schon für Siebenjährige sorgten dafür, dass die Grenze zwischen Kinder- und Erwachsenensexualität zunehmend verschwimme, sagt Nitsch. Die Kinder, die zudem mit einer immer früher einsetzenden Pubertät konfrontiert seien, würden so in ihrer psycho-sexuellen Entwicklung gestört. "Der Zeitraum der Kindheit wird sowieso immer kürzer", sagt der Familienberater. "Durch solche konsumorientierte Ausbeutung werden die Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen zusätzlich nivelliert. Das sollte uns Sorgen machen."

Die Verantwortung dabei sollte nach Ansicht von Daniela Utzmann bei den Eltern liegen. Ihr kleines Familienunternehmen produziert Badekleidung für Kinder und Erwachsenene, Push-up-Oberteile allerdings erst ab Größe 152. "Wer seine Kinder nicht sexymäßig anziehen will, muss halt ein anderes Modell wählen", sagt Utzmann. Der Pädagoge vom Kinderschutzbund sieht dagegen auch die Industrie in der Pflicht. "Der Gruppendruck von Freunden ist so groß, dass die Eltern oft kaum eine Chance haben", sagt Nitsch.

In England hat der erste Konzern diese Verantwortung erkannt. Die von der Sun kritisierten Warenhauskette Primark kündigte an, seine Mini-Push-ups umgehend aus dem Programm zu nehmen. Der irische Konzern, der auch zwei Filialen in Deutschland betreibt, will einen Teil der Einnahmen aus dem bisherigen Verkauf nun an eine Kinderschutzorganisation spenden.

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