Automatisierung am Arbeitsplatz:Roboter als Chef

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Zwei Roboter im National Museum of Emerging Science and Technology in Tokyo. So ähnlich sueht auch Iwazume aus dem verrückten Roboter-Hotel aus. (Foto: Yoshikazu Tsuno/AFP)

Staubsaugende Roboter gibt es längst. Nun können intelligente Maschinen auch Hotelgäste empfangen, Versicherungen verkaufen, selbständig Texte schreiben und sogar Chef sein.

Von Anna Fischhaber und Oliver Klasen

Die Rezeptionistin im Henn-na-Hotel in Nagasaki, das im Juli eröffnen soll, wird - das steht jetzt schon fest - nicht nur japanisch sprechen, sondern auch fließend chinesisch, koreanisch und englisch. Der dunkelblaue Hosenanzug und das Halstuch sind aufeinander abgestimmt, die Ponyfrisur ist perfekt gekämmt und Iwazume, so heißt die Dame, ist zu jeder Zeit freundlich und zuvorkommend. Iwazume regt sich nie auf über Hotelgäste mit schlechten Manieren. Sie ist immer gut drauf und den dringenden Wunsch, Feierabend zu machen, verspürt sie auch nicht.

Iwazume ist ein Roboter - nicht der einzige im Henn-na-Hotel. Etwa 90 Prozent der Servicearbeiten, so schreibt die Washington Post, will Hotelmanager Hideo Sawada von den Androiden erledigen lassen.

Den wenigen menschlichen Angestellten obliegt vor allem die Überwachung der Roboter. Es soll drei Maschinen an der Rezeption geben, vier, die sich um das Gepäck der Gäste kümmern und drei bis vier weitere, die die 72 Zimmer in dem Hotel sauber halten. Dabei gehen sie hoffentlich sensibler vor als ihre Kollegen in Südkorea, wo im Februar eine auf dem Fußboden schlafende Frau von einem Staubsauger-Roboter attackiert wurde, weil dieser ihre Haare mit Schmutz verwechselte.

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Japan ist führend in der Entwicklung intelligenter Robotersysteme. Für die Hotel-Androiden ist ein Forscherteam an der Universität in Osaka verantwortlich. Vertrieben werden sie von der Firma Kokoro, einem Tochterunternehmen des Konzerns, der auch die Markenrechte an der Comic-Figur "Hello Kitty" hält. Bereits 2003 wurde das erste Modell auf den Markt gebracht und seitdem ständig verbessert. Die neueste Generation, die im Henn-na-Hotel - zu deutsch übrigens: das verrückte Hotel - zum Einsatz kommt, wurde so eingestellt, dass sie in Gestik und Mimik einer jungen japanischen Frau entspricht. Iwazume kann auch die Körpersprache seines Gegenüber erkennen und darauf reagieren.

Möglicherweise sind Iwazume und ihre Kollegen im Henn-na-Hotel von ihren Umgangsformen also einen Schritt weiter als der Roboter, der an diesem Montag Angela Merkel im Zukunftsmuseum von Tokio gegenübertrat. Asimo, so heißt der Roboter, kann zwar Fußbälle schießen wie einst Kaiser Franz. Aber als die Kanzlerin ihm als Anerkennung die Hand reichen will, schlägt der Androide die freundliche Geste aus. Hände schütteln kann Asimo nicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will Roboter Asimo die Hand schütteln. (Foto: dpa)

Wenn Thilo Bonow, Chef einer Berliner Agentur, auf Dienstreise geht, lässt er sich von einem Roboter vertreten. In einem Fernsehbeitrag sieht man, wie eine Art Segway mit Jacket durch die Gänge rollt, statt einem Kopf hat die Maschine ein iPad. Mit Hilfe einer Webcam kann Bonow seinen Mitarbeitern über die Schulter schauen und Konferenzen leiten. Der "Double Robotics" wurde von einem Start-up im Silicon Valley entwickelt. Das Ziel: Menschen wie Bonow zu helfen, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein.

In diesem Fall steht hinter dem Roboter ein echter Chef. Doch wie wäre es, wenn Maschinen künftig komplett die Kontrolle übernehmen? Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA hat dazu eine Studie vorgestellt. Ergebnis: Will man glückliche Mitarbeiter, sollte man den Robotern mehr Autonomie geben. Schon lange würden Firmen die Vorteile der Automatisierung nutzen - etwa bei der Arbeit am Fließband. Doch immer wieder gebe es Bedenken, dass Arbeiter sich austauschbar fühlten, schreiben die MIT-Forscher. Ihr Experiment führte nun zum gegenteiligen Ergebnis: Maschinen als Chefs sind durchaus erwünscht.

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In der Versuchsanordnung bildeten zwei Menschen und ein Roboter ein Dreier-Team und bauten manuell Kleinteile zusammen. Zunächst war einer der Menschen der Chef, dann koordinierte ein Arbeiter seine eigenen Aufgaben, während der Roboter dem anderen Befehle gab. Zuletzt übernahm die Maschine die Kontrolle über die Arbeit, der Roboter gab nun allen Anweisungen. Die letzte Versuchsanordnung war nicht nur die effizienteste, sondern bei den Menschen auch die beliebteste.

Die Arbeiter sagten sogar, sie hätten das Gefühl gehabt, der Roboter habe sie "besser verstanden" als der menschliche Chef. Stellt sich die Frage, ob das nun mehr über die Qualität von Robotern oder mehr über die Qualität von Chefs aussagt. Dass Maschinen in naher Zukunft die Chefetagen komplett übernehmen werden, glaubt allerdings auch MIT-Projektleiter Matthew Gombolay nicht. Eher, dass Aufgaben von programmierten Algorithmen verteilt, geplant und koordiniert werden. Chefs wird es also wohl noch eine Weile geben. Ob via Webcam oder in real.

Die Stimme ist charmant. Samantha West lacht am Telefon, manchmal klingt es sogar, als würde sie flirten. Samantha West kann nicht anders. Denn sie existiert gar nicht. Zumindest nicht als Mensch aus Fleisch und Blut - auch wenn sie am Telefon das Gegenteil behauptet. "Ich bin eine reale Person. Vielleicht liegt es an der schlechten Verbindung", sagt die Stimme, wenn man sie fragt, ob sie ein Roboter ist.

Nach Recherchen des Time-Magazins hat sich Samantha West quer durch Amerika telefoniert, um Krankenversicherungen zu verkaufen. Ansagen vom Band, nach denen man sich selbst weiterverbinden muss, sind in Deutschland längst gang und gäbe. Aber ein Sprachroboter? Noch dazu einer, der so gut ist, dass man kaum einen Unterschied bemerkt? Einer Studie der Universität von Oxford zufolge sieht so die Zukunft aus. 700 Berufsgruppen wurden dafür in den USA untersucht. Das Ergebnis: Keine wird mehr durch die Computerisierung bedroht als "Telemarketers".

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Samantha West ist kein echter Roboter, hat das Time-Magazin herausgefunden. Sie funktioniert wie ein ferngesteuertes Auto, das von einem realen Menschen in einem Callcenter gelenkt wird. Das zumindest erklärt ein Vertreter der zuständigen Firma Premier Health Plans, Inc. Das Unternehmen lässt Samantha vorab Antworten einsprechen. Ein menschlicher Mitarbeiter hört beim Kundengespräch mit und drückt dann auf den passenden Antwortknopf - und Samantha spricht. Der Vorteil: Die Computerstimme hat - anders als der Mensch, der sie außerhalb der USA steuert - einen amerikanischen Akzent. Und Samantha sagt nichts, was das Unternehmen nicht vorher aufgezeichnet und abgesegnet hat.

In Callcentern in Deutschland ist die Kontrolle der Mitarbeiter oft Alltag. Gespräche werden mitgehört, aufgezeichnet, ausgewertet. Sind die Anrufer kompetent? Bleiben sie freundlich? Machen sie Fehler? Samantha West macht keine Fehler.

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"Ein Erdbeben mit einer Stärke von 4,7 wurde am Montagmorgen fünf Meilen von Westwood in Kalifornien aufgezeichnet, wie die US-Forschungsstelle 'Geological Survey' (USGS) meldet. Der Erdstoß ereignete sich um 6.25 Uhr (Ortszeit) am Morgen in einer Tiefe von fünf Meilen. Der USGS zufolge befindet sich das Epizentrum sechs Meilen von Beverly Hills entfernt, sieben Meilen von Santa Monica entfernt und 348 Meilen von Sacramento entfernt."

Ist Ihnen an dieser Meldung etwas aufgefallen? Nein? Das ist eine ganz normale Nachricht, die auf Englisch in der Onlineausgabe der Los Angeles Times erschienen ist. Allerdings wurde sie nicht von einem Menschen verfasst, sondern von einem Schreibroboter, genauer gesagt von einem Computer-Algorithmus.

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"Quakebot" heißt der Algorithmus - er verarbeitet Rohdaten der Erdbebenwarte, verknüpft sie mit einer Textvorlage und erstellt daraus einen kurzen Bericht. Der ist zwar "nicht direkt Pulitzer-Preis würdig", wie das US-Portal Slate bemerkt, aber solider Nachrichtenjournalismus und auch nicht schlechter als das, was die meisten Redakteure in einer Eilmeldung kurz nach dem Ereignis hinbekommen.

Ken Schwenke, Reporter bei der LA Times, sieht den Schreibalgorithmus trotzdem nicht als Bedrohung für seinen Berufsstand - im Gegenteil. Neben "Quakebot" gibt es eine ähnlich automatisierte Lösung auch für Polizeimeldungen über Tötungsdelikte. "Wir benutzen sie als Ergänzung. Sie sparen uns eine Menge Zeit und machen unseren Job interessanter." Der Roboter für die schnelle Meldung und die Reporter für die ausführliche und am Ort des Geschehens recherchierte Story, bei der auch Betroffene und Experten befragt werden - das ist die Arbeitsteilung, die Schwenke und seine Kollegen anstreben.

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:"Die Roboter nehmen uns die Arbeitsplätze weg!" - wird es so weit kommen?

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Experten sehen auch bei Wirtschafts- oder Wettermeldungen großes Potenzial für den Einsatz von Schreibalgorithmen. Allerdings werden sie auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, Reportagen zu schreiben oder Interviews zu führen. LA-Times-Reporter Schwenke legt außerdem Wert darauf, dass derjenige, der am Ende den Knopf "Publizieren" drückt, immer noch eine reale Person ist und keine Maschine.

Und nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Dieser Text wurde von zwei realen Personen geschrieben.

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