Süddeutsche Zeitung

Australien: Gesetz gegen Tabakindustrie:Ausgedrückt

15.000 Menschen sterben in Australien jährlich an den Folgen von Nikotinsucht. Um diese Zahl zu senken, will die australische Regierung nun hart durchgreifen: Das bekannte Kamel könnte von der Zigarettenpackung verschwinden - stattdessen sollen Schockbilder vor den Gefahren des Rauchens warnen. Das Tabakindustrie läuft Sturm gegen die Gesetzesinitiative.

Urs Wälterlin, Canberra

Wer diese Fernsehwerbung beim Essen sieht, dem bleibt die Wurst im Hals stecken: Bilder einer sich zersetzenden Raucherlunge. Dazu spricht eine sonore Stimme: "Kein Wunder, dass Raucher Atemschwierigkeiten haben. Ihre Lungen sind am Verfaulen". Andere Spots zeigen Bilder von sezierten Raucher-Leichen, von verstopften Blutgefäßen und reumütigen aber sterbenskranken Nikotinsüchtigen.

Ansonsten setzt die australische Regierung beim Thema Entwöhnung vor allem auf den Geldbeutel. 13 Euro kostet mittlerweile eine Schachtel Zigaretten. Doch noch immer sterben jährlich 15.000 Australierinnen und Australier an den Folgen der Sucht. Jetzt plant Canberra Neues.

Dem Parlament liegt ein Gesetz vor, welches Tabakunternehmen wie Philip Morris und British American Tobacco dazu verpflichten soll, Zigaretten nur noch in unauffälligen Packungen anzubieten. Selbst der Firmenname darf nur noch in schlichter Schrift geschrieben werden.

Keine attraktiven Bilder mehr - das bekannte Kamel etwa wird in die Wüste geschickt. An seine Stelle tritt ein Schockbild - etwa das Foto eines Krebstumors.

Für Premierministerin Julia Gillard ist klar, dass die neue Idee Erfolg haben wird. "Alle Experten bestätigen, dass eine Entfernung von Farben und die Verwendung von simplem Papier das Produkt weniger attraktiv machen", sagte sie jüngst.

Das sieht die Tabakindustrie offenbar genauso. An diesem Montag nämlich kündigte Philip Morris an, von der australischen Regierung Schadenersatz verlangen zu wollen. Als nicht unbedingt naheliegenden aber juristisch dennoch interessanten Grund führt der Tabakkonzern auf, die vorgesehenen Maßnahmen würden einen Investitionsvertrag verletzen, den Australien mit Hongkong unterzeichnet habe. Auf die gerichtliche Vorwarnung folgt nun eine dreimonatige Verhandlungsphase. Sollten die Gespräche scheitern, so will Philip Morris klagen. "Wir erwarten, dass die Entschädigungssumme in die Milliarden gehen wird", so eine Sprecherin des Unternehmens.

Die Industrie stellt sich zudem auf den Standpunkt, keine der bereits beschlossenen Maßnahmen würde den von Canberra erwünschten Effekt haben, die Zahl der Raucher zu reduzieren.

Die Pläne Australiens sorgen weltweit für Aufregung in der Tabakbranche. Viele Firmen fürchten nämlich, das Beispiel Australien könne auch in anderen Ländern Schule machen.

Derzeit würden von den Konzernen Millionen in allerlei Gegenmaßnahmen gepumpt, behaupten zumindest die Sprecher diverser Nichtraucher-Organisationen. Beispielsweise würden Besitzer von Tante-Emma-Läden als Sprachrohre rekrutiert, heißt es. Für ein bisschen Bestechungsgeld verbreiteten sie dann die Mär, die neuen Vorschriften würden sie bankrott machen.

Eine Kritik der Tabakindustrie ist, dass ein Staat nicht einfach einem Unternehmen die Nutzung eines eingetragenen Markenzeichens verbieten dürfe, den typischen Schriftzug, die Farbe. Der Streit dürfte die Gerichte wohl noch Jahre beschäftigen.

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SZ vom 28.06.2011/jobr
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