Ausrüstung am Klettersteig:Tricks am Draht

Am Berg zählt jedes Gramm - und die richtige Sicherung. Warum alte Systeme gefährlich sind und welcher Helm der passende ist: Tipps vom Alpenverein.

Birgit Lutz-Temsch

Der Mann krallt sich an das Drahtseil, Schweiß perlt auf seiner Stirn. Er starrt den Fels hinunter und kann nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Der 43-jährige Münchner wollte den Mindelheimer Klettersteig begehen - und stellt fest: Der Weg ist zu weit, die Kondition zu schlecht.

"Was dann passiert, nennen wir eine klassische Blockade", sagt Stefan Winter, Sicherheitsexperte beim Deutschen Alpenverein (DAV). "Dieser Zustand baut sich langsam auf: Der Alpinist ist nicht fit genug, er trinkt zu wenig, dehydriert langsam und verausgabt sich bis zur völligen Erschöpfung. Dann kann er irgendwann nicht mehr weiter, aber auch zum Absteigen ist er zu schwach."

Aus solchen Situationen kommen die wenigsten alleine heraus - wer seine physischen und psychischen Reserven aufgezehrt hat, braucht meist Hilfe von außen. "Es kommt vor, dass man Klettersteiggeher rettet, die sehr gut ausgerüstet, aber konditionell am Ende sind", sagt Winter.

Das liegt oft daran, dass besonders Anfänger zu viel Gepäck mitnehmen. "An Klettersteigen muss man auch mal Klimmzüge machen, mehr als fünf bis sieben Kilo sollte ein Rucksack nicht wiegen."

Zu einer kompletten Klettersteigausrüstung gehören laut Winter Klettergurt und ein Klettersteigset, Helm, Handschuhe, feste Bergschuhe und funktionelle Sportkleidung; in den Rucksack sollte neben dem Proviant eine Notfallapotheke und warme Überkleidung.

Die Hersteller haben die Klettersteigausrüstungen in den vergangenen Jahren immer weiterentwickelt. Das sogenannte X-System ist schon lange vom Y-System abgelöst worden, bei dem eine Klettersteigbremse den Sturz abdämpfte. "In der Anwendung wurden hier aber Fehler gemacht", sagt Winter, "das Y-System kann leicht falsch angelegt werden, außerdem baumelt die Klettersteigbremse oft störend ums Knie."

Der Deutsche Alpenverein empfiehlt deshalb nur noch Klettersteigsets mit einem sogenannten Bandfalldämpfer mit gerafften Schlauchbändern - beim Sturz reißt das zusammengewobene Band auf und dämpft den Fallstoß. Und Winter rät dringend davon ab, sich ein Klettersteigset selbst zu bauen: "Man sieht immer wieder erfahrene Bergsteiger, die sich mit abenteuerlichen selbstgebastelten Seilkonstruktionen sichern. Bei einem Sturz kann das dramatische Folgen haben."

Kam es zu einem Sturz, muss man das Klettersteigset aussondern - egal, welches System man verwendet. "Die Klettersteigbremse kann sich bei einem Sturz verbiegen, dann stimmen die Bremswerte nicht mehr. Und wenn der Bandfalldämpfer aufgerissen ist, darf man ihn auf keinen Fall wieder zusammennähen", warnt der Sicherheitsexperte.

Um schmerzhafte Verletzungen an freistehenden Drahtseillitzen zu vermeiden, empfiehlt Winter zudem das Tragen von Klettersteighandschuhen. Und den richtigen Helm: "Immer öfter sieht man jetzt Klettersteiggeher mit Fahrradhelmen. Aber Fahrrad- und Kletterhelme haben unterschiedliche Anforderungsprofile. In den Bergen sollte man Bergsteigerschutzhelme tragen, die auch vor Steinschlag schützen."

Der Hersteller Salewa hat mit der Tiroler Bergrettung einen Multifunktionshelm entwickelt, den der DAV empfiehlt. Der Xenon soll den Kopf beim Sportklettern, Bergsteigen, Mountainbiken, Skifahren, Snowboarden und Rodeln schützen.

Auch die Schuhhersteller haben auf die wachsende Beliebtheit der Klettersteige reagiert, mittlerweile gibt es ausgewiesene Klettersteigschuhe. Im Vorderfuß sind sie flexibler, ähnlich Kletterschuhen, die Sohle hat trotzdem noch ein gutes Profil.

Viel Gewicht kann man bei Bekleidung und Proviant sparen: "Passend angezogen ist man mit kurzer Sportunterwäsche, langer Hose und langem Funktionshemd", sagt Winter. In den Rucksack gehöre eine atmungsaktive und winddichte Jacke, ein dünnes Fleece und ein Shirt zum Wechseln.

Beim Proviant rät Winter zu Energieriegeln, die wenig wiegen und schneller ins Blut gehen. Und ein paar Gramm spart man obendrein, wenn man nicht den kompletten Klettersteigführer mit auf den Berg schleppt, sondern die relevanten Seiten kopiert. Solche Tricks minimieren das Gepäck, sodass ein leichter Rucksack ausreicht, der maximal bis zu 35 Liter fasst.

Das Wichtigste beim Klettersteiggehen aber bleibt neben der richtigen Ausrüstung die Tourenplanung. "Das beste Klettersteigset hilft nichts, wenn man zu erschöpft ist, um es noch richtig einzusetzen", sagt Winter, "man muss vorher überlegen, ob man eine Tour schafft - damit es nicht auf halber Strecke zu einer Blockade kommt."

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