Aufstand der Winzer:Wie käuflich ist die "Bibel des Weins"?

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Aufstand der Winzer: 14 deutsche Top-Betriebe verweigern sich dem Jahrestest des Gault Millau. Diesmal sollen sie Geld zahlen. Die Winzer sehen deshalb die Unabhängigkeit des Testurteils in Gefahr.

Er ist 870 Seiten dick und wurde schon als "Bibel des deutschen Weins" gerühmt: Der Wein-Guide des Gault Millau gilt neben der Zeitung Feinschmecker und dem Weinführer Eichelmann als der renommierteste deutsche Weinwegweiser. 10.000 Weine verkosten die beiden Chefredakteure Armin Diehl und Joel Payne und ihre Redaktion jedes Jahr, 700 Weine und 900 Weingüter werden anschließend vorgestellt.

10.000 Weine werden für den Gault Millau jedes Jahr verkostet. (Foto: Foto: Reuters)

Doch nun droht Ungemach: 14 deutsche Top-Winzer lehnen ein Erscheinen in der nächsten Ausgabe des Gault Millau Wein-Guides ab. Die Revolte entzündete sich an einer neuen "Teilnahmegebühr", doch es geht um mehr. Um die Objektivität von Weinproben schwelt schon länger ein Streit.

Bislang forderte der Gault Millau ein Weingut auf, Proben einzuschicken und bewertete dann die Weine und den Betrieb - das Ganze kostenlos. In einem Schreiben vom 8. Juni bot der für den Gault Millau zuständige Münchner Christian Verlag nun aber auf einmal den Winzern "ein nützliches Paket" mit Werbemaßnahmen zum Preis von 195 Euro an.

Ein "freiwilliger Beitrag"

Mit dem Paket - darunter Gault-Millau-Logo, Urkunde und Aufkleber - könnten die Winzer ihre Präsenz im Gault Millau "noch deutlicher herausstellen", heißt es in dem Schreiben. Als Grund gibt der Verlag gestiegene Kosten an, deshalb sei man nun "auf Ihre Unterstützung angewiesen". Mit dem "freiwilligen Beitrag" stellten die Winzer ja schließlich auch sicher, dass die Botschaft von deutschen Spitzenweinen auch in Zukunft "nachhaltig verbreitet werden kann". Und schließlich, so der Brief weiter, würden für andere Wettbewerbe noch viel höhere Gebühren verlangt.

Den deutschen Winzern stieß das jedoch sauer auf: "Ich kann doch nicht Geld bezahlen, damit ich beurteilt werde", wettert der Pfälzer Werner Knipser, 2008 beim Gault Millau noch "Winzer des Jahres". Wenn Geld für Wein-Journalismus fließe, sei das "anrüchig", da könne man sich ja gleich "seine Beurteilung kaufen". Ziel der Initiative der 14 Spitzenwinzer sei, "das mal öffentlich zu machen und es der breiteren Winzerschaft zur Diskussion vorzulegen", sagt Knipser: "So kann es nicht laufen."

Die Liste der Unterzeichner eines offenen Briefes an den Gault Millau liest sich wie die Crème de la Crème der deutschen Weinmacher: Helmut Dönnhoff (Nahe), Egon Müller (Saar), Meyer Näkel (Ahr), Heymann-Löwenstein (Mosel), Seeger (Baden) sowie Künstler und Leitz (Rheingau).

Das seien alles bekannte Betriebe, die den Wettbewerb nicht mehr so dringend bräuchten, sagt Moselwinzer Jörg Bauer. Er dagegen brauche die Werbung und habe deshalb seine Weine eingeschickt, die 200 Euro seien ja "nur im Erfolgsfall fällig". Auch andere Weinführer würden Gebühren erheben, "das war für mich nur eine Frage der Zeit", sagt Bauer.

Bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) bestätigt man, dass hier pro Wein eine Gebühr von 109 Euro erhoben wird. Der Beitrag sei für die Organisation der Verkostung durch neutrale Experten und für die Ehrungen notwendig, sagt der Geschäftsführer der DLG Testservice GmbH in Alzey, Klaus Rufli. Jedoch würden hier nur die ausgezeichneten Weine veröffentlicht, dazu könne es "eine neutrale Verkostung nur mit neutralisierten Flaschen geben".

Dann lieber eine Anzeige

Genau hier aber setzt die Kritik vieler Winzer am Gault Millau an: Programmleiter Clemens Hahn bestätigt, dass die Verkostung der Weine nicht verdeckt stattfindet, die Tester also die Herkunft kennen. Viele Winzer halten das für mangelnde Objektivität. Im Gault Millau komme "schon sehr deutlich" der Eindruck der beiden Chefredakteure zum Ausdruck, glaubt etwa Agnes Hasselbach vom Weingut Gunderloch, auch eines der Verweigerer-Weingüter. Man habe noch nie für einen Wettbewerb Geld bezahlt, sagt Hasselbach. Entweder bezahle man für eine Anzeige, "dann können wir auch bestimmen, was drin steht", oder man stelle sich eben "einem neutralen Gremium".

Der Verlag will nun auf die Winzer zugehen. Das den Winzern angebotene Paket sei natürlich "völlig unabhängig" von der Aufnahme in den Wein-Guide und von der Bewertung. "Wir waren in der Kommunikation dieses Punktes nicht klar genug", sagt Hahn. Ob das den Winzern allerdings reicht, ist fraglich: "Ich würde sagen, wir machen dieses Jahr alle nicht mit", sagt Werner Knipser.

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