Zum Tod von "Dr. Sommer" Martin Goldstein:Aufklärer für Generationen

Lesezeit: 3 min

Als "Dr. Sommer" enttabuisierte Martin Goldstein die Selbstbefriedigung und beantwortete die drängendsten Fragen der "Bravo"-Leser zum Thema Liebe und Sex. Dabei hielt der Psychotherapeut gar nichts von Aufklärung - weil sie zu sehr auf die Technik und zu wenig auf die Menschen eingehe.

Knapp zwei Jahre nach dem Tod von Oswalt Kolle hat Deutschland einen weiteren Aufklärer der Nation verloren: Martin Goldstein, der Mann, der "Dr. Sommer" war, ist tot. Er starb nach langer schwerer Krankheit im Alter von 85 Jahren in einem Hospiz in Düsseldorf. Dem Sexualaufklärer, Autor und Psychotherapeuten vertrauten sich Tausende Teenager an: 15 Jahre lang beantwortete er Fragen der jungen Bravo-Leser zum Thema Liebe und Sex, wie zum Beispiel: Macht Küssen schwanger? Wachse ich nach dem Sex nicht mehr? Sind zwei Kondome sicherer?

Martin Goldstein war ´Dr. Sommer": Der Sexualaufklärer ist tot

15 Jahre lang arbeitete Martin Goldstein für Bravo, er wurde zum "Dr. Sommer". Der Psychotherapeut ist im Alter von 85 Jahren gestorben.

(Foto: dpa)

Bis 1984 arbeitete Goldstein für Bravo als "Dr. Sommer". Von 1975 an war er ärztlicher Psychotherapeut in der eigenen Praxis in Düsseldorf. Zuletzt arbeitete er fast nur noch mit männlichen Klienten, bevor er 2000 in den Ruhestand ging. Sein letztes Buch "Teenagerliebe" erschien 2009. Goldstein lebte zuletzt mit seiner Lebensgefährtin in einer Wohngemeinschaft in Kaarst bei Düsseldorf.

Es war 1969, als der damalige Chefredakteur von Deutschlands größter Jugendzeitschrift anrief, weil er Goldsteins Aufklärungsbuch "Anders als bei Schmetterlingen" gelesen hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war Bravo sexuelle Aufklärung noch fremd; in dem Heft wurde kaltes Duschen gegen Onanie empfohlen. Goldstein sollte diese Rubrik übernehmen und modernisieren. Er willigte ein: "Ich wollte die Jugendlichen direkt erreichen." Sexualität war damals noch stark tabuisiert und die Teenager blieben mit ihren praktischen Fragen zur Sexualität oft allein.

Schnell gingen Tausende Briefe wöchentlich in der Redaktion ein und ein ganzes Team musste eingestellt werden, um sie nach Goldsteins Vorgaben unverklemmt zu beantworten. Dabei hielt der professionelle Aufklärer selbst nicht einmal viel von sexueller Aufklärung, im Gegenteil: "Ich bin der Meinung, dass sexuelle Aufklärung Quatsch ist", erklärte er in einem Interview mit der Online-Redaktion der Bundeszentrale für Politische Bildung. Goldstein fand, dass sie zu wenig auf die Menschen eingehe. Bei der Aufklärung sollte weniger die Technik der einzelnen Körperteile als vielmehr die zwischenmenschliche Beziehung im Vordergrund stehen.

Eine echte Revolution wäre für den Psychotherapeuten eine Art "sexuelle Einweihung" gewesen: "Sexuelle Aufklärung sollte durch das Zusammenleben von Kindern und Erwachsenen geschehen - vor allem indem man darüber spricht." In unserer Gesellschaft werde über Sexualität aber nicht gesprochen, kritisierte Goldstein. Dagegen habe er als "Dr. Sommer" gekämpft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema