Süddeutsche Zeitung

Aufgabenteilung im Haushalt:Schlimmer als Höhlenmenschen

Warum nur tun sich viele Paare so schwer, die Hausarbeit gerecht aufzuteilen? Das hat sogar in der Steinzeit schon geklappt.

Von Ulrike Heidenreich

Das hier ist jetzt kein Spaß. Es gibt tatsächlich ein Forschungsgebiet, das sich mit den Geschlechterrollen und der Arbeitsteilung im Jungpaläolithikum beschäftigt. Was können wir nun aus der Steinzeit lernen? In Zeiten des Elterngeldes, der Teilzeitarbeit, der Gendergerechtigkeit? In Zeiten, in denen sich Beziehungsratgeber nur so überschlagen, um Eltern die Richtung zu weisen zwischen turmhohen Erwartungen an ihr Rollenmodell und Bergen von Schmutzwäsche? Wir lernen zum Beispiel, dass die Frauen damals nicht immer nur mit ihren Babys am Busen vor der Höhle saßen, mit dicken Knochennadeln Lendenschurze nähten und warteten, dass ihre Männer mit einem blutigen Stück Mammut vom Jagen nach Hause kamen. Nein, glaubt man der Archäologin und Steinzeitexpertin Linda Owen, war alles ganz anders.

Ötzi war fortschrittlicher als mancher moderne Mann

Die Frauen waren demnach genauso mobil und tatkräftig wie die Männer. Denn möglichst viele aus einer Gruppe mussten ja bei der gemeinsamen Kesseljagd mitmachen, damit man etwas zum Beißen hatte. Echte Arbeitsteilung war überlebenswichtig, das ging von ganz alleine. Da können sich Paare, die heutzutage zu Hause mit Excel-Tabellen hantieren, damit das Kloputzen und die Kinderbetreuung schön aufgeteilt sind, ein Beispiel nehmen. Schon Ötzi war fortschrittlicher als mancher Mann, der heute so beflissen seine neue Ehepartner- oder Vaterrolle übt. Oder warum sonst wurde in den vereisten Hinterlassenschaften dieser Gletschermumie Nähzeug gefunden?

Es gibt viele ernst gemeinte Studien, die besagen, dass Frauen besser bügeln, besser nähen, besser Kinder betüdeln können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) untersucht in einem Langfristvorhaben, wie Paare sich Hausarbeiten aufteilen. Aktueller Punktestand: Waschen, Kochen oder Putzen werden bei etwa zwei Dritteln von der Frau erledigt (65 Prozent) und nur zu etwa einem Drittel von beiden gleich häufig. Ganz selten übernehmen häufiger die Männer diese Arbeiten als die Frauen. Weitere Relikte in den Köpfen: Die Sache mit der Sozialkompetenz, die sich Frauen durch den munteren Schwatz damals am Lagerfeuer erworben haben, während die wilden Männer hilflos ihrem Jagdinstinkt ausgeliefert waren und müde wie sprachlos in die Höhle zurückkehren mussten. Sie konnten ja nicht anders. Alles genetisch? Alles Ausreden.

Es gibt ein hübsches neues Büchlein, das 40 000 Jahre nach Beginn des Jungpaläolithikums versucht, das mit der gerechten Rollenverteilung halbwegs wieder hinzukriegen. Es trägt den etwas albernen Titel "Papa kann auch stillen", wird aber gerne befreundeten Familien als Mitbringsel geschenkt bei Einladungen in großzügige Altbauwohnungen zum frühen Abendessen (der Kinder wegen).

Der Wille ist ja da bei all den ehrlich bemühten, geschlechtergerechtigskeitsbewegten Paaren, die ihren Alltag nach dem 50/50-Prinzip auch leben wollen - sich also die Arbeit in Haushalt, Büro und Kinderzimmer gleichwertig aufteilen. Die Tipps des Autoren-(Eltern-)Paares Stefanie Lohaus und Tobias Scholz mit dem Untertitel "Wie Paare Kind, Job und Abwasch unter einen Hut bekommen", sind da durchaus hilfreich, praktisch ohne viel sozialwissenschaftliches Gedöns.

Trotz Gleichberechtigung: Die Debatte verläuft verkrampft

Trotzdem verläuft diese Debatte um die Rollendynamik immer so krampfhaft, so kompliziert, so verbissen. Darum noch mal zurück in die Steinzeit: Okay, die Supermänner von damals konnten auch nicht stillen. Steinzeit- und Geschlechterforscherin Owen, Professorin für Ur- und Frühgeschichte unter anderem in Tübingen und Wien, kehrte dennoch das Unterste nach oben in der Archäologie-Domäne - die nicht umsonst zweihundert Jahre lang männlich geprägt war. Das Bild vom maskulinen Alleinernährer untergrub die Forscherin mühelos anhand von Artefakten. So gruben Frauen, wenn sie von der gemeinsamen Jagd nach Hause kamen, fleißig nach Wurzeln und Beeren für nahrhafte Steinzeitmüslis, beschafften somit also mehr als zwei Drittel des gesamten Kalorienbedarfs ihrer Gruppe.

So verrückt es ist: Die urgeschichtliche Mär von der Arbeitsteilung zwischen dem starken Jäger und dem schwachen Weibsgeschlecht sind Referenz- und Orientierungspunkte in der aktuellen Geschlechterdebatte. Wenn das "schon immer so war" und "in der Natur liegt", läuft das im Zweifel eben so weiter in den Köpfen. Die Autoren Lohaus und Scholz, die sich ihr Buch fifty-fifty aufgeteilt haben, indem jede(r) aus der eigenen Perspektive schreibt, beobachten denn auch Rückfälle in alte Muster bei Freundespaaren, sobald Kinder da sind. Es geht hier nicht um Verhaltensmuster - denn jeder soll bitte selbst frei entscheiden und damit glücklich sein, ob er/sie mehr oder weniger arbeitet, seltener oder häufiger mit den Kindern spielt, fröhlich oder frustriert die Wohnung aufräumt. Nein, es geht um Rechtfertigungsmuster. Es gibt immer noch klare Vorstellungen davon, was Frauen- und was Männerarbeit ist.

Ein immerwährendes Verhandeln

Der Soziologe Heinz Bude hat das neulich schön in der Zeitschrift Eltern erklärt: Zwischen den Elternteilen gehe es heutzutage immer weniger um Ergänzung, sondern ums ständige Aushandeln. "Beide wollen und sollen beides. Und sollen auch widersprüchliche Eigenschaften in sich vereinen. Frauen erfolgreich und anschmiegsam. Männer kernig und sensibel. Das wird leicht zur inneren und äußeren Zerreißprobe." Dazu komme, so Bude, dass die Familie als Solidargemeinschaft an Bedeutung verliert, man denke nur an das neue Scheidungsrecht. "Einerseits ist da diese unkündbare Beziehung zum Kind, andererseits die geforderte Eigenständigkeit." Ein innerer Konflikt, der gesellschaftliche Ursachen hat, aber zur Privatsache gerät.

In der Privatsache Lohaus/Scholz lässt sich das 50/50-Prinzip ganz gut an. Sie arbeiten beide nicht Vollzeit, sie teilen sich die Arbeit im Haushalt und die Betreuung ihres Sohnes fair auf, ohne größere Reibungen, wie sie schreiben. Was es dem Paar, Jahrgänge 1978 und 1976, vielleicht leichter macht als anderen: Es besteht ein inneres Einverständnis und eine gemeinsame Verständnislosigkeit manchem Althergebrachten gegenüber: "Es gibt für mich einfach keine einzige plausible Erklärung dafür, warum Frauen für sämtliche Familienmitglieder kochen, spülen oder Wäsche waschen sollten", schreibt Stefanie Lohaus unaufgeregt. Ihr Partner ergänzt: "Der Job des einen ist nicht wichtiger als der des anderen. Stefanie gibt ihr gesellschaftliches Privileg als Hauptelternteil auf und ich meine Rolle als Haupternährer."

Ihr Preis: Verzicht auf Luxus, Leben in einer günstigen Mietwohnung, Secondhand-Kleidung. Ihr Gewinn: ein familienorientiertes Modell. Denn: "Hierarchien haben in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern nichts zu suchen. "

Paare, die sich die Hausarbeit teilen, trennen sich häufiger

Es gibt Zahlen, dass inzwischen ein Drittel aller Väter Elterngeld bezieht; am liebsten ist ihnen das Modell, zwei Monate beim Kind zu bleiben. Gleichzeitig vermeldet das Müttergenesungswerk, dass sich die Zahl der Teilnehmer an Vater-Kind-Kuren in ihren Heimen seit 2013 um 20 Prozent erhöht hat, wenn auch auf niedrigem Niveau. Bahnt sich da trotzdem ein 50/50-Prinzip an, wird künftig auch die Erschöpfung gerecht verteilt sein?

Eine Studie aus Norwegen deutet in eine andere Richtung: Paare, die sich die Hausarbeit teilen, trennen sich häufiger als Paare, bei denen die Frau den Löwenanteil übernimmt. Bei der Untersuchung unter 15 000 Norwegern im Alter zwischen 18 und 79 Jahren kam weiter heraus: Übernimmt der Mann den Großteil der Hausarbeit, ist die Scheidungsrate noch höher.

Der Weg in die Steinzeit und zurück ist ein langer.

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SZ vom 25.04.2015/vs
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