Au-Pair-Mädchen aus China:Keine Zeit zum Babysitten

Immer häufiger werden Chinesinnen als Au-Pair-Mädchen nach Deutschland vermittelt - mit Migrationsabsichten im Gepäck. Statt um den Nachwuchs der Gastfamilie kümmern sich viele von ihnen lieber um eine Ausbildung.

Von Edeltraud Rattenhuber

Mit Yang Ying zog die Moderne bei den Schlossbauers ein. Das 21 Jahre alte Au-Pair-Mädchen kam Mitte August aus Peking in die schwäbische Provinz - und fragte erst einmal, wo denn der Internet-Anschluss sei. Den hatte die Gastfamilie zwar, doch war er nicht auf mehrere Stunden Surfen täglich ausgelegt. "Keine Flatrate", sagt Au-Pair-Mutter Vera Schlossbauer. Doch Yang Ying fühlte sich einsam, so viele Tausend Kilometer von zu Hause entfernt, und so hing sie die ersten Tage eben nur am Computer.

au-pair-mädchen aus china sind im trend

Statt um den Nachwuchs der Gastfamilie kümmern sich viele chinesische Au-Pair-Mädchen lieber um ihre Ausbildung.

(Foto: Foto: iStock)

Die Schlossbauers waren "schockiert" - und gezwungen zu reagieren, wollten sie die Beziehung zu ihrem neuen Familienmitglied auf Zeit nicht gefährden. In mehrstündigen gemeinsamen Sitzungen motzten sie ihren Netzanschluss auf. Jetzt kommt Yang Ying kabellos ins Internet, telefoniert oft im Netz und hat ihre eigene Telefonnummer - damit die Schlossbauers und ihre achtjährige Tochter Anne während Yangs dreistündigen Telefonaten auch einmal jemand anrufen können. "Ich habe Glück gehabt mit meiner Familie", sagt Yang. Nicht alle ihre chinesischen Au-Pair-Kolleginnen könnten so zufrieden sein.

Yang Ying gehört zu einer neuen Generation junger Chinesen, die "mit einer Selbstverständlichkeit in einer hochtechnisierten Welt leben, die wir uns gar nicht vorstellen können", wie Vera Schlossbauer sagt. Yang ist eine der jungen Chinesinnen, die erkannt haben, welche Chancen es birgt, als Au-Pair-Mädchen im Ausland zu arbeiten. Immer häufiger findet man Au-Pairs aus China im Westen. In den USA gilt es als chic, eine Nanny oder ein Au-Pair aus China zu haben, um den eigenen Kindern einen möglichst frühen Einblick in die Kultur und die Sprache der aufstrebenden Weltmacht zu erlauben.

Hier in Deutschland hat der Trend zu chinesischen Au-Pair-Mädchen noch einen anderen Grund. Durch die EU-Erweiterung sei "ein Großteil des osteuropäischen Marktes" - Tschechien oder Polen - weggefallen, sagt der Au-Pair-Vermittler Wolfgang Lietz. Mädchen aus Moldawien, der Ukraine, Russland und Weißrussland bekämen aber oft kein Visum. Daher müssten die Vermittler auf junge Leute aus Afrika, Südamerika und Asien zurückgreifen.

Auch bei den Schlossbauers war es so. In ihrem Einfamilienhaus in Warthausen bei Biberach hatten sie vor Yang schon mehrere Au-Pair-Mädchen zu Gast - zwei aus Rumänien, ein weißrussisches und ein ukrainisches. Warthausen liegt auf dem Land, da gibt es außer Großeltern oder Tagesmüttern keine Betreuung für den Nachwuchs. Au-Pair-Mädchen waren daher für die Schlossbauers immer die erste Wahl zur gesicherten Betreuung ihrer Tochter. Berührungsängste hatten sie nicht. Als ihnen kurzfristig das bereits eingeladene neue Mädchen aus Taschkent absprang, weil es kein Visum bekam, und ihnen ihre Au-Pair-Agentur Ersatz aus China, Afrika oder Südamerika anbot, wurde es den Schlossbauers allerdings schon etwas mulmig. "Man hört so viel von China und weiß so wenig davon", sagt Vera Schlossbauer. Weil Au-Pair-Mädchen immer ein paar Wochen zum Eingewöhnen brauchen, nahm sie das Mädchen nach der Ankunft erst einmal mit auf eine Deutschlandreise, von der Yang in erster Linie in Erinnerung behielt, dass sie immer ein eigenes Hotelzimmer bekam und es uninteressante Kirchen zu besichtigen galt. "Erst beim Shoppen wurde Yang lebendig", sagt Vera Schlossbauer.

Die Großstädterin Yang beschreibt Deutschland als ein ruhiges Land "mit viel guter Luft, vielen Ferien, wenig Stress und viel Platz für Menschen". Ihre Eltern - der Vater ist Bauingenieur, die Mutter Busschaffnerin - hätten sie sehr dabei unterstützt, nach Deutschland zu gehen, erzählt sie. Dabei musste sie ihrer Agentur Geld zahlen. 1600 Euro, das sei nicht viel, sagt Yang, andere verlangten noch mehr. Dass sie durch deutsche Agenturen kostenlos vermittelt werde - hier bezahlen nur die Gasteltern eine Gebühr - habe sie nicht gewusst.

Wer allerdings so viel Geld für ein Jahr Auslandsaufenthalt investiert, der erwartet oft mehr als nur Familienanschluss und Kinderbetreuung samt angeschlossenem Sprachkurs - die Kernpunkte des Au-Pair-Gedankens. "Da steckt oft ein enormer Migrationsdruck dahinter", sagt Au-Pair-Vermittler Lietz. Oft legten ganze Familien zusammen, um einem ihrer Mitglieder eine bessere Zukunft im Ausland zu ermöglichen. Die Au-Pair-Vermittlerin Andrea Dietrich, die Yang an die Schlossbauers vermittelte, hat daher mittlerweile von chinesischen Au-Pairs Abstand genommen. Es gebe nur Ärger mit den Familien, wenn die junge Frau eigentlich gar nicht mit Kindern arbeiten, sondern nur ihre Ausbildung für die Zukunft planen wolle, sagt sie. "Das sind meist junge Leute aus Ein-Kind-Familien, die sind nicht gewöhnt, im Haushalt mitzuhelfen." Oxana Marschall, die seit fast drei Jahren auch chinesische Au-Pair-Mädchen vermittelt, hat dagegen sehr gute Erfahrungen mit Chinesinnen gemacht. Hintergedanken, ob man in der Zukunft nicht im Land bleiben und dort eine Ausbildung aufnehmen könne, finde man auch bei Au-Pair-Mädchen aus anderen Ländern, sagte sie. Sie halte das auch für legitim.

Yang hatte ganz feste Vorstellungen von ihrem neuen Zuhause. Ihr war beispielsweise sehr wichtig, dass sie nicht zu viel Hausarbeit machen muss. Sie bügelt ab und zu und kocht mittags für Anne und sich - meistens Maultaschen aus der Packung. Die Schlossbauers nahmen Yangs Selbsteinschätzung, sie sei faul, ebenso gelassen auf wie ihre Internet-Manie - auch weil sie der Ansicht sind, dass Au-Pair-Mädchen nicht als billige Haushaltshilfen missbraucht werden dürfen.

Fünfmal die Woche fährt Yang mit dem Zug eine halbe Stunde nach Ulm zur Sprachenschule. Dort hat sie bereits mehrere chinesische Freundinnen - das Internet und eine "geheimnisvolle China Connection", wie Vera Schlossbauer es nennt, machen es möglich. Etwa 300 Chinesen gebe es in Ulm, sagt Yang. Und wenn sie mit ihrem Au-Pair-Aufenthalt fertig sei und genug Deutsch könne, wolle sie dort studieren - Volkswirtschaft, was sonst? Dann aber will sie wieder zurück nach China - "in meine Heimat". Da hin, wo die neuesten Musikdownloads für den MP3-Player gratis sind.

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