Fastenzeit:Zum App-Gewöhnen

Längst hat die Kirche kein Monopol mehr auf das Fasten. Ein Blick in den Appstore verrät, dass Menschen bei ihren Fastenvorhaben heute auf skurrile Helfer zurückgreifen können.

Von Helena Ott

Es gibt so gut wie keine Alltagsfragestellung mehr, auf die App-Entwickler nicht schon reagiert hätten. Und deshalb gibt es auch für die nun beginnenden 40 Tage Fastenzeit, jene Zeit der Selbstbeherrschung zwischen Fasching und Ostern, diverse Angebote, um die Entbehrung erträglicher zu gestalten. Immerhin hat das Fasten sein mittelalterliches Image der frommen Selbstkasteiung längst verloren, fasten ist in, man möchte fast sagen: Fasten ist heutzutage ein gesellschaftsfähiges Massenevent. Was man auch daran erkennen kann, dass auch überzeugte Nicht-Beter bereitwillig um diese Jahreszeit den Verzicht verfolgen. 63 Prozent (und damit zehn Prozent mehr als 2012) finden laut aktuellen Umfragen die 40-tägige Abstinenz von Genuss und Konsum sinnvoll. Noch eine Zahl: Unter den Fastenfans halten 73 Prozent Bier und Wein für verzichtbar, und auch die Bereitschaft, in der Fastenzeit auf das Auto zu verzichten, ist - ganz wie es der Zeitgeist will - gestiegen. Anregungen jenseits des Erwartbaren liefern nun digitale Fastenhelfer. Sie zeigen außerdem, wie sich mit gesteigerter Popularität des Fastens die Verzichtvorhaben fernab von bloßem Fleischverzicht und Rosenkranzbeten ausdifferenziert haben. Kein Wunder: Das Potenzial an möglichen Lastern explodiert in der digitalen Konsumwelt förmlich, das fördert durchaus suchthaftes Verhalten zu Tage, ganz egal, ob es um permanentes Smartphone-Festhalten, Online-Bestelleritis oder den Konsum von Anzüglichem geht. Mit der richtigen App aber ist diszipliniertes Fasten doch ein Kinderspiel.

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(Foto: SZ)

Handy Detox

Name: ShutApp - Digitaler Detox

Fastenziel: Verzicht auf das Smartphone.

So funktioniert die App: Sie arbeitet mit einem Höchstmaß an sozialer Ächtung und verspricht damit gleichzeitig große Erfolgschancen beim Durchhalten. Der Nutzer kann einstellen, dass er während der Fastenzeit beispielsweise von 8 bis 14 Uhr seine Finger vom Smartphone lassen will. Über eine digitale Liste kann er Freunde zu digitalen Bewährungshelfern bestimmen. Die Auserwählten bekommen fortan bei jedem Fastenbruch - das heißt: Finger berühren den Bildschirm - eine Push-Mitteilung auf das eigene Gerät. Spätestens mit dieser App sollte geklärt sein, dass Wischen das neue Rauchen ist.

Geeignet für: Menschen, die ihr Smartphone erinnert, dass es draußen das erste Mal 15 Grad warm ist.

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(Foto: SZ)

Konsumstreik

Name: Weniger ist mehr (Misereor)

Fastenziel: Verzicht auf Luxus, Fastfood, Autofahren und sonstige Späße.

So funktioniert die App: Egal, ob man zum nächsten Bäcker das Auto nimmt, suchtartig Serien streamt oder regelmäßig Stopps bei Fastfoodketten einlegt - Misereor bietet Abhilfe für diverse Laster. Fastenfans können aus neun Kategorien wählen, worauf sie verzichten wollen. Mit einem Regler lässt sich tarieren, wie viel Zeit, Geld oder Kalorien man hofft, einsparen zu können. Die App zählt, wie viel dabei in 40 Tagen zusammenkommt. Im Fall einer finanziellen Ersparnis weiß Misereor auch direkt, wohin mit dem übrigen Geld. Nämlich spenden.

Geeignet für: Alle, die von ihren Nachbarn gehasst werden, weil die sich wie DHL-Annahmestellen fühlen.

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(Foto: SZ)

Pornoverzicht

Name: FapWatch ("fap" ist die vulgäre englische Form für masturbieren)

Fastenziel: Keine Pornovideos schauen, nicht masturbieren.

So funktioniert die App: FapWatch hat nur eine einzige Funktion: Die App zeigt an, wie viele Tage und Stunden der Benutzer auf den Pornokonsum verzichtet hat. Es klingt bizarr, ist es aber nicht mehr ganz, wenn man die statistisch erfasste Wahrheit kennt: 25 Prozent der täglichen Suchanfragen drehen sich laut Google um Pornografie. FapWatch dokumentiert, ob es auch mehrere Tage ohne geht. Gegen Selbstverleugnung ist sie jedoch machtlos. Der Nutzer trägt selbst ein, welche Tage er ohne Abstecher auf Pornoplattformen überstanden hat.

Geeignet für: Männer, die den Begriff "Milf" nicht googeln müssen.

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(Foto: SZ)

40 gute Taten

Name: 3 ½ Minuten, die App der katholischen jungen Gemeinde Köln (KJG)

Fastenziel: Im Wechsel spirituelle, körperliche oder geistige Übungen absolvieren.

So funktioniert die App: Statt sich darüber zu beschweren, dass Fasten als weltlicher Trend gekapert wird, nutzte die KJG (leider nur für das Jahr 2016) den Zeitgeist. Das junge Entwicklerteam hatte verstanden, dass Strafen und Verbote bei Fastenpionieren oftmals abschreckend wirken - stattdessen stellten sie ihren Nutzern via Push-Nachricht täglich kleine "körperliche, soziale, spirituelle, politische, persönliche und geistige" Aufgaben. Zum Beispiel: Lebensmittel spenden, Yoga- und Workout-Übungen oder Impulse für kurze Gespräche mit Gott.

Geeignet für: Jeden, der gelegentlich gerne mit Gott spricht.

Alle Illustrationen: Jessy Asmus

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