Anspruch und Wirklichkeit:Ist Bio besser?

Der Griff nach Öko-Lebensmitteln macht ein gutes Gefühl - schließlich gelten sie als gesund, vitaminreich und umweltfreundlich. Ob das stimmt, ist nicht immer klar.

Sebastian Herrmann

Die Biobranche jubelt. Die Umsätze steigen und steigen, um etwa 15 Prozent pro Jahr. Ist das der Siegeszug des Schlabberpullis und der ökologisch korrekten Schrumpelmöhre? Nein, die Kunden greifen nicht mehr aus ideologischen Gründen zu. In einer Umfrage der Wirtschaftsberater Ernst & Young gaben 81,9 Prozent der Befragten an, dass sie Bio vor allem mit einer gesunden Ernährung verbinden. Bio-Produkte gelten als besonders hochwertig, vitaminreich und schadstoffarm. Ob Bio-Lebensmittel diese Erwartung erfüllen können, darüber sind sich Wissenschaftler und Verbraucherverbände allerdings uneinig.

Enthält Bio mehr Vitamine und Nährstoffe?

Verbraucher sollten sich lieber für den Apfel interessieren, den sie essen, und weniger für den Bauern, der ihn angepflanzt hat. Wichtiger als die Frage nach der Anbauart ist die nach der Sorte eines Obstes. Ein Golden Delicious enthält nicht die gleichen Inhaltsstoffe wie ein Apfel der Sorte Elstar, Gala oder Braeburn. Der Kunde sollte sich dafür interessieren, ob sein Apfel im Schatten groß geworden ist oder ob er an der Südseite des Baumes gereift ist.

Wie ist der Boden beschaffen, auf dem der Apfelbaum gewachsen ist? Wie ist das Mikroklima im Anbaugebiet? Wie reif war der Apfel, als man ihn gepflückt hat, wie lange wurde er transportiert, bevor er gegessen wird? Es gibt viele Parameter, und alle sind für die Inhaltsstoffe wichtiger als die Anbauart. Eine Studie der Bundesforschungsanstalten kam 2003 zu dem Schluss, dass es kaum anbauspezifische Unterschiede bei den ernährungsphysiologischen Werten von Lebensmitteln gebe.

Ist Bio besser?

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Ist Bio besser?

Ist Bio gesünder?

Die Ökobewegung hat sich die Frage nach der Gesundheit anfangs gar nicht gestellt. Es ging darum, die Welt zu verbessern. Heute ist das wichtigste Ziel der Bio-Fans, den eigenen Körper zu optimieren, wie Marktanalysen zeigen. Groß angelegte Studien, mit denen sich beantworten ließe, ob Öko-Essen gesund ist, fehlen jedoch.

Um zu klären, was eine komplette Umstellung auf Öko-Essen bringt, müssten Tausende Menschen über Jahrzehnte unter penibel festgelegten Bedingungen und der strengen Aufsicht von Wissenschaftlern leben und essen - was so gut wie unmöglich ist. Bis jetzt gibt es nur unzuverlässige Studien, wie jene, mit der der Öko-Anbauverband Demeter Argumente für Bioprodukte sammeln wollte. Dazu ernährten sich 22 Ordensschwestern des Klosters Heiligenbronn ausschließlich mit Öko-Lebensmitteln. Die Ergebnisse lasen sich zunächst spektakulär.

Die Nonnen fühlten sich vitaler, hatten angeblich seltener Kopfschmerzen und konnten sich besser konzentrieren. Doch selbst Anhänger der Ökobewegung räumten ein, dass diese Studie keine Aussagekraft hatte. Die Effekte beruhten auf einem kollektiven Placeboeffekt.

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Enthalten Bio-Produkte weniger Pestizid-Rückstände?

Ja, diese Frage lässt sich leicht und klar beantworten. Biologisch produzierte Lebensmittel schneiden bei Tests fast immer besser ab. Allerdings sind auch diese selten ganz frei von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln. Das liegt daran, dass in den Äckern noch Altlasten aus der Zeit konventioneller Bewirtschaftung stecken können; oder daran, dass der Wind Pflanzenschutzmittel vom Nachbarfeld herübergeweht hat.

Bioprodukte sind nur so gut wie die Umwelt, in der sie wachsen. Deswegen wäre es richtiger davon zu sprechen, dass in den meisten Bioprodukten ,,keine Rückstände oberhalb der Nachweisgrenze der Analysemethoden erfassbar'' seien, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung formuliert hat.

Das Ökomonitoring des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts in Stuttgart liefert dazu regelmäßig Daten: Konventionelles Obst und Gemüse enthielt in den Jahren 2002 bis 2006 im Mittel 0,4 Milligramm Pestizidrückstände pro Kilogramm. Bioprodukte lagen dagegen im Schnitt bei 0,003 bis 0,004 Milligramm je Kilogramm.

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Ist Bio besser?

Schmeckt Bio besser?

Es ist vor allem die Erwartung, die ein Geschmackserlebnis prägt. Wer fest daran glaubt, dass eine Speise besonders bitter, besonders süß oder salzig schmecken wird, der wird das auch so erleben. Das ist auch bei Bioprodukten so. Wer der Überzeugung ist, dass die Ökoware ihrer konventionellen Konkurrenz geschmacklich überlegen sind, wird das auch von seinem Gaumen bestätigt bekommen. Das haben zahlreiche Studien belegt.

Ein Beispiel: Die schwedische Wissenschaftlerin Lisbeth Johannson ließ einmal 179 Probanden Tomaten verschiedener Sorten und Anbauweisen verkosten. Das Ergebnis war eindeutig. Glaubten die Testesser, sie hätten gerade eine Biotomate probiert, fiel ihr Urteil stets besonders positiv aus, auch dann, wenn sie eigentlich gerade eine konventionelle Frucht gegessen hatten. Umgekehrt verpfuschte die Erwartung der Probanden das Geschmackserlebnis. Aßen sie eine Biotomate im Glauben, es sei eine Hollandtomate, fiel ihr Urteil wesentlich schlechter aus.

Bio-Produkte werden in dem Glauben konsumiert, etwas zu essen, dass besonders gut sei, die Umwelt schont und dem Körper gut tut - das verbessert das Geschmackerlebnis erheblich. Nur bei Biofertigprodukten funktioniert das offenbar nicht so richtig, wie jüngst Geschmacksprüfer der Stiftung Warentest festgestellt haben: Je stärker Bioprodukte verarbeitet waren, desto eher fiel das Urteil der Tester deutlich schlechter aus. Das kann an nicht ausreichend sorgfältiger Verarbeitung liegen oder daran, dass Aromazusätze fehlen, die man von den üblichen Fertiggerichten gewohnt ist.

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Ist Bio besser?

Schont ökologische Landwirtschaft die Umwelt?

Langzeitversuche des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau haben gezeigt, dass ein Bioacker mehr Leben enthält als eine konventionell bewirtschaftete Fläche. Auf den Ökoversuchsflächen des Instituts nahe Basel krabbelten mehr Käfer und Spinnen; in der Erde krochen mehr Würmer als im konventionellen Vergleichsacker.

Der Ökoanbau ist außerdem weniger energieintensiv, für den gleichen Ernteertrag wird weniger fossile Energie verbraucht. Immer mehr Bioprodukte werden jedoch importiert, Äpfel aus Argentinien, Früherdbeeren aus Spanien oder Biobananen aus den Tropen - das kann die Umweltbilanz von Bioprodukten verschlechtern.

Ökowaren schonen die Umwelt, wenn Kunden sie aus der Region kaufen und zwar dann, wenn die Waren Saison haben. Nur mit dem Allrad-Gelände-Wagen sollten die Bio-Esser nicht zum Bauern fahren, das bringt die Energiebilanz durcheinander.

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Ist Bio besser?

Werden Tiere auf Bio-Höfen artgerecht gehalten?

Das schreibt das EU-Bio-Siegel vor, das den Ökomindeststandard regelt: Die Tiere müssen demnach Kontakt zu Artgenossen haben, sie müssen ausreichend Auslauf und Zugang zu frischer Luft sowie Tageslicht haben. Der Zusatz von Leistungsförderern oder Antibiotika ist verboten. Den Tieren geht es also auf den meisten Bio-Höfen besser als in vielen konventionellen Betrieben.

Die Stiftung Warentest urteilte im September 2007 über einige Betriebe: ,,Die Bilanz der Biohersteller ist hier vorbildlich.'' Dennoch gibt es auch auf Biobetrieben Probleme. Eine Untersuchung der Universität Kassel im Auftrag des Bundesprogramms Ökologischer Landbau war 2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Erkrankungsraten von Nutztieren auf ökologischen und konventionellen Betrieben kaum unterschieden. Auch in der Öko-Produktion wird von den Tieren Leistung verlangt. Mehr Fleisch, mehr Milch, mehr Eier, das laugt auch Biovieh aus.

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