Alufolie wird 100:Knister, knister, knäußchen

Ob Schokolade, Butter oder Kaffee: Drumherum ist immer Alufolie. Vor genau 100 Jahren meldete ein Schweizer das Patent darauf an. Die Erfindung ist eine Umweltkatastrophe - aber eine ungemein nützliche.

Ein menschliches Haar ist für Stefan Kästner vergleichsweise dick. Die Aluminiumfolie, die in seinem Werk im niederrheinischen Grevenbroich ausgewalzt wird, ist am Ende fast neun Mal so dünn. 6,3 Mikrometer - die Zauberzahl der Branche. "Jedes kleine Kind kann diese Folie sofort zerreißen, trotzdem wird sie extrem schnell und unter großer Hitze produziert", sagt der Leiter des weltgrößten Aluminium-Walzwerkes, das heute zum Norsk Hydro-Konzern gehört.

Kinderdienst: Warum hat Alufolie eine glaenzende und eine matte Seite?

Wohin mit dem Wurstbrot? Seit 100 Jahren bietet sich da die Alufolie an.

(Foto: ddp)

Bis zu 120.000 Tonnen Aluminiumfolie werden in Grevenbroich jedes Jahr hergestellt. 1800 Menschen arbeiten in dem Werk. Der Schweizer Ingenieur Robert Victor Neher meldete vor genau 100 Jahren - am 27. Oktober 1910 - das Auswalzen der silbernen Folie mit dem charakteristischen Knistergeräusch zum Patent an.

Damals war die Folie um einiges dicker als ein menschliches Haar. Trotzdem tat sie schon ihren Dienst als luft- und lichtdichte Verpackung, die frisch hält und isoliert. Nehers erster Kunde war die Berner Firma Tobler, die ihre dreieckigen Schokoladenriegel bis heute in Alufolie wickelt. Über die Jahre folgten Verpackungen für Brühwürfel, Butter, Tabletten, Kaffee, Zigaretten, Milch und Saft sowie die klassische Rolle Alufolie, in der das Pausenbrot eingewickelt oder die aufgeschnittene Tomate frisch gehalten werden kann.

Umweltschützer raten jedoch zu Alternativen: "Lieber Papier oder die klassische Butterbrotdose, denn die Produktion von Aluminiumfolie ist sehr energie- und stromaufwendig", sagt Rüdiger Rosenthal, Sprecher der Umweltschutzorganisation BUND. Die Gewinnung des Grundrohstoffs Bauxit schädige außerdem die Umwelt.

Rund drei Viertel der weltweit hergestellten Silberfolie werden nach Angaben des Europäischen Aluminiumfolienverbandes (EAFA) für Verpackungszwecke und im Haushalt genutzt, der Rest zur Isolierung in Autos, Häusern und Kabeln. "Weitere nützliche Ideen waren die Verwendung als Tischdekoration oder als Vogelscheuche - das Blinken sollte die unliebsamen Gäste abhalten", bemerkt EAFA-Sprecher Guido Aufdemkamp.

Während des Zweiten Weltkrieges produzierte die deutsche Industrie sogenannte Düppelstreifen aus Alufolie, die von Kriegsflugzeugen abgeworfen wurden und die gegnerischen Radargeräte stören sollten. Anfang aller Folie ist ein Barren, gegossen aus flüssigem Aluminium. Um die acht Meter lang, 24 Tonnen schwer und 70.000 Euro wert. Sechs Mal wird dieser Ballen in Grevenbroich gewalzt, dazwischen immer wieder erhitzt, bis eine fertige Rolle Aluminiumfolie aus der Maschine kommt.

Zwar werden die Maschinen heutzutage allgemein am Computer gesteuert, trotzdem ist die Arbeit anstrengend und nicht selten gefährlich, wenn aus den verschiedensten Gründen eingegriffen werden muss. In den Walzhallen ist es laut und riecht verbrannt. Am Eingang können sich die Mitarbeiter Ohrstöpsel kostenlos aus Automaten ziehen. Außerdem müssen sie Schutzkleidung, feste Schuhe und Plastikbrillen tragen.

Die Alufolie aus Grevenbroich wird bis nach Afrika, Asien und Südamerika exportiert - hauptsächlich per Lastwagen und Flugzeug. "Die ersten Produkte sind hier in den 1920er Jahren noch mit der Bahn rausgegangen", erzählt Werksleiter Kästner. "Grevenbroich hatte damals zwei Dienstesel, die die Produkte zum Bahnhof brachten."

150 Tonnen Folie am Tag wurde damals produziert - heute ist es mehr als das Doppelte. Aber auch die Konkurrenz wächst stark: "In Europa haben wir nur einige wenige Konkurrenten, aber besonders in China sind in den vergangenen Jahren enorm viele Walzwerke gebaut worden", sagt Manfred Mertens, der das Foliengeschäft bei Norsk Hydro leitet. An die magische Zahl von 6,3 Mikrometer kämen die chinesischen Produzenten allerdings noch nicht heran.

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