Alternative Laufschuhe:Grüne Renner aus dem Kuhstall

Die Hamburger Gebrüder Lunge produzieren als einziger Hersteller Laufschuhe in Deutschland - den Sportlern und der Umwelt zuliebe.

Jochen Temsch

Auf den ersten Blick sind sie keine Schönheiten. Sie wirken nostalgisch, man könnte auch sagen altmodisch mit ihrer puristischen Optik, der dicken Mittelsohle, der aus einem Stück geschnittenen Sohle. Trotzdem ziehen sie neugierige Blicke auf sich. Denn von der Masse druckgeschäumter Kunststoffschlappen heben sie sich nicht nur wegen ihrer limettengrünen Färbung ab, sondern vor allem durch ihre Herkunft: Sie sind die einzigen Laufschuhe, die in Deutschland produziert werden.

laufschuh lunge

Irgendwie retro, aber doch ganz aktuell: der in doppeltem Sinne grüne Laufschuh

(Foto: Foto: lunge)

Genauer gesagt, stammen sie aus einem ehemaligen Kuhstall im mecklenburg-vorpommerischen Flecken Düssin, rund 80 Kilometer entfernt von Hamburg. Seit vergangenem Herbst schicken die Brüder Lars und Ulf Lunge von dort aus ihre Schuhe zur Laufkundschaft. C-Dur heißt das Modell für Männer, a-Moll das für Frauen, und so melodisch ihre Namen sind, so sehr muss man sie als besondere Kompositionen begreifen.

Seit 30 Jahren sind die Lunges, selbst begeisterte Marathonläufer, im Geschäft. Sie betreiben Laufläden in Hamburg und Berlin. Ihre eigenen Schuhe entwickelten sie aus ihren Kundengespräche heraus.

Ulf Lunge sagt: "Wir fanden es frustrierend, dass die großen Hersteller gute Modelle immer wieder durch schlechtere Nachfolger ersetzen, die dann zum Beispiel Knieprobleme machen." Solche Rückschritte, sagt Lunge, ließen sich den Kunden nicht vermitteln.

In ihrer Abhängigkeit von saisonal schwankenden Angeboten hätten er und sein Bruder sich zunehmend empfunden "wie Bauern, die auf eine gute Ernte hoffen". So entschlossen sich die Lunges, eigene Laufschuhe zu produzieren, die ihren Vorstellungen von Fußführung, Griffigkeit und Langlebigkeit entsprechen. Aber auch sozial verantwortlich und umweltschonend sollte die Herstellung sein.

Die ersten grünen Versuche scheiterten

Der Gedanke der Nachhaltigkeit passt zu einem Trend unter Freizeitsportlern. Neuerdings achten sie genauer auf die Abfallberge, die sie bei Stadtläufen hinterlassen, oder auf die Schadstoffe, die bei der Herstellung ihrer Schuhe anfallen. Darauf hat zum Beispiel der große Hersteller Brooks mit einer kompostierbaren Mittelsohle reagiert, der Frankfurter Marathon hat unlängst ein umfangreiches Umweltkonzept aufgelegt.

Die ersten grünen Versuche der Lunges mit einem Partner in Korea scheiterten. Die Materialien seien zu billig gewesen, die Umweltbelastung zu hoch, sagt Ulf Lunge. Außerdem habe sich der Entwicklungsprozess, bei dem es immer wieder zwischen Konstrukteuren und Fabrikanten hin- und hergeht, durch die Entfernung als zu kompliziert erwiesen. Stattdessen fanden die Brüder in Pirmasens, dem traditionsreichen Zentrum der deutschen Schuhindustrie, die richtigen Fachleute für Maschinenbau und Materialbeschaffung.

Alle Schuh-Komponenten stammen nun von Betrieben, die sich staatlich überwachten Ökostandards unterwerfen. Lunge sagt: "Da kommt nicht mal ein Faden dran, der nicht auf Schadstoffe geprüft worden ist." Als Hauptmaterial dient Ethylenvinylacetat, kurz EVA, das von einer Firma für Orthopädietechnik bei Weinheim stammt und in einem flexiblen, kalten Verfahren per Laser und Wasserstrahl zugeschnitten wird.

Das Fräs-Ergebnis fällt relativ streng geometrisch aus und ist nicht so hübsch wie das der Asiaten. Die bekommen mit ihren Techniken verspielte Flächen hin, mit denen sie bestimmte Eigenschaften ihrer Schuhe, etwa Dämpfungselemente, optisch hervorheben.

Dafür geht bei der Produktion der Lunges nicht so viel Energie drauf. "Für die Funktionalität ist gutes Aussehen ohnehin nicht wichtig", sagt Ulf Lunge, "wir vertrauen darauf, dass diese Botschaft beim Käufer ankommt." Der muss immerhin 200 Euro für ein Paar Lunges auf den Tisch legen - etwa 40 bis 50 Euro mehr als bei einem herkömmlichen asiatischen Modell der obersten Preisklasse. Dafür bekommt er laut Eigenwerbung aber auch ein besonders strapazierfähiges Produkt. So sind etwa die Sohlen aus vulkanisiertem Gummi gefertigt - wie Autoreifen.

Nach eigenen Angaben sind bereits 1500 Paar Lunge-Schuhe auf Joggingpfaden zwischen der Hamburger Alster und den Münchner Isarauen unterwegs. Laut Lunge kommt die Produktion der Nachfrage kaum nach. Derzeit fertigen 13 Mitarbeiter im Monat 400 Paar Schuhe - einer schafft etwa ein Paar pro Tag. "Bei drei Millionen Euro Investitionen kann man sich ausrechnen, dass wir noch lange keinen Gewinn machen", sagt Ulf Lunge. Der Idealismus läuft dabei mit.

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