Alltagsstars im Rampenlicht:Sie werden mal Stars

Eigentlich machen Sie nichts anderes als Lukas Podolski, Heidi Klum und Tokio Hotel. Der einzige Unterschied: Diese Alltagsstars sind nahezu unbekannt.

Ines Schipperges

Es gibt diese Berufe, die in Wirklichkeit keine zu sein scheinen. Sport. Schauspielern. Malen, Fotografieren. Modeln. Musik. Das macht man, nun ja, zu seinem Privatvergnügen. Nach Dienstschluss, an den Wochenenden, in seiner Freizeit. Wenn die richtige Arbeit erledigt ist. Das macht man, sagen wir es doch, wie es ist, zum Spaß.

Alltagsstars im Rampenlicht: Ihre Musik unterscheidet sich grundlegend, ihr Bekanntheitsgrad auch. Trotzdem - im Grunde üben Christoph Wiesner und Bill Kaulitz den gleichen Beruf aus.

Ihre Musik unterscheidet sich grundlegend, ihr Bekanntheitsgrad auch. Trotzdem - im Grunde üben Christoph Wiesner und Bill Kaulitz den gleichen Beruf aus.

(Foto: Foto: Michael Steindorfer;AP)

Natürlich gibt es auch Menschen, die gerade damit wahnwitzig viel Geld verdienen. Aber das sind eigentlich keine Menschen, das sind Stars. Glanz, Glamour, rote Teppiche und ein Monatsgehalt von einer halben Million. Oder die Hobby-Light-Variante: Außenstürmer bei den Hintertupfinger Kickern, Malen nach Zahlen und der allwöchentliche Auftritt in der heimischen Karaokebar. Doch es gibt sie wirklich, die Menschen dazwischen. Sie haben Talent, haben Erfolg, sie sind Profis, aber - noch - keine Weltstars.

Sie kaufen bei H&M ein, bei Aldi und Ikea, sie wagen sich auch ohne quadratmetergroße Sonnenbrille ungeschminkt zum Bäcker. Es sind die Menschen, die mit ihrem Hobby Geld verdienen, ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben - und die immer wieder versichern müssen, dass das, was sie tun, nun ja, tatsächlich richtige Arbeit ist.

Um dorthin zu kommen, genügt es nicht, auf der Straße, in der Disco oder bei einer Castingshow entdeckt zu werden. Es genügt nicht, sich bei "Germany's next Topmodel" oder "Deutschland sucht den Superstar" einem Crashkurs zu unterziehen, in der Hoffnung, den steinigen und langen Weg abzukürzen. Sueddeutsche.de hat mit fünf jungen Menschen gesprochen, die diesen Weg gegangen sind und immer noch gehen. Die von ihrer Karriere erzählen, von ihrem Leben, ihrem Alltag, von ihren Erfolgen, ihren Hoffnungen und Träumen. Die erzählen, wie man dorthin kommt - nicht dorthin, wo Heidi Klum, Lukas Podolski und Tokio Hotel stehen. Sondern dorthin, wo das Privatvergnügen zum Beruf wird.

Sie alle wissen, dass mehr dazugehört als Talent, Ehrgeiz und Fleiß. Eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Meinung derjenigen, die "nur dein Bestes wollen". Der Mut zum Risiko. Der Glaube an sich selbst. Der Spaß an der Sache. Der Wille, in die Welt hinaus zu ziehen, um eben diese zu erobern - von Kärnten nach Mailand, von Schwäbisch Gmünd nach Griechenland, von Heidelberg nach New York.

Sie gehen den langen Weg. Und gerade darum sind vielleicht sie: Germany's next Superstars.

Auf der nächsten Seite: Schauspielerin Lisa Friederich spielte schon mit Katja Riemann.

Sie werden mal Stars

Lisa Friederich, 24 Jahre. Schauspielerin.

Alltagsstars im Rampenlicht: Im Rainer Kaufmann-Film "Ein fliehendes Pferd" hatte Lisa Friederich ihre erste kleine Filmrolle, neben Katja Riemann und Ulrich Noethen.

Im Rainer Kaufmann-Film "Ein fliehendes Pferd" hatte Lisa Friederich ihre erste kleine Filmrolle, neben Katja Riemann und Ulrich Noethen.

(Foto: Foto: FelixBroede)

"Für fünfzig Euro kann ich dir auch einen blasen", sagt sie, studiert aufmerksam den Geldschein in ihrer Hand und sieht Helmut dann direkt in die Augen. Sie ist klein, zierlich, wirkt graziös und zugleich provokativ. Mit ihren zu Schnecken gedrehten Haaren, dem grellen Lippenstift, dem kurzen Kleid sieht sie jung aus, sehr jung. Lisa Friederich ist Schauspielerin. In der Martin-Walser-Verfilmung "Ein fliehendes Pferd" verkauft sie Ulrich Noethen Drogen. Als "Freakiges Mädchen" wird ihre Rolle im Abspann bezeichnet, ihr Nachname als Friedrich aufgeführt. Ihre Szene ist kurz - der Satz prototypisch für ein junges Talent am Anfang der Karriere. Doch Friederich verleiht ihrer Rolle Präsenz, Charakter, trotz der knapp bemessenen Zeit.

Ihr Weg auf die Bühne und vor die Kamera begann langsam und entwickelte sich rasant. Mit vierzehn Jahren entdeckte sie ihre Liebe zum Theater, zu den Brettern, die für sie, wie für so viele andere, die Welt bedeuten. "Ich habe mich damals ziemlich einsam gefühlt - und im Theater das gefunden, was ich gesucht habe", sagt Friederich über diese Zeit, die gefüllt war von abendlichen Theaterbesuchen, Kontakten zu Schauspielern, Phantasien, Sehnsüchten, Träumen. Trotz ihrer immer größer werdenden Leidenschaft für die Theaterwelt stellte sie damals ihre eigene Begabung kein einziges Mal auf die Probe. "Irgendwie hat es sich nie ergeben."

Katja Riemann mit Muskelkater

Eine Woche nach dem Abitur aber nahm sie an den Aufnahmeprüfungen zweier Schauspielschulen teil, erhielt von beiden eine Zusage und entschied sich, nach Stuttgart zu gehen. Andere bereiten sich monatelang auf diesen Moment vor, studieren Pflichtrollen ein, nehmen Unterricht und werden dennoch immer wieder abgewiesen. Friederich übte alleine im stillen Kämmerlein, genauer, auf dem Dachboden im Haus ihrer Eltern. Sie ist ein Mensch, der das Insichgekehrtsein braucht, damit ihr Innerstes nach außen strahlt. "Wenn ich mich vorher auf mich selbst konzentriere, mit keinem Menschen rede, mir nur ein Buch oder eine Zeitung vor die Nase halte - dann komme ich in einen Zustand, der interessant ist", sagt sie.

Auf die acht Plätze der Stuttgarter Schauspielschule bewerben sich jährlich rund 600 Kandidaten. Nicht allen aber, meint Friederich, sei klar, worum es beim Schauspiel wirklich ginge. "Viele haben diesen komischen, traumhaften Wunsch, der nichts mit dem Beruf zu tun hat." Vier Jahre dauert die Schule, eine harte Zeit mit einem Stundenplan, der von morgens um acht bis teils nachts um zehn prall gefüllt ist. Von wegen lustiges Künstlerleben.

Im letzten Jahr dann kamen die Zweifel: Was ist der bessere Weg - das Theater oder der Film? Eines Tages saß bei einer Prüfung Regisseur Rainer Kaufmann im Publikum. Und bot im Anschluss Lisa Friederich eine Rolle für seinen neuen Film an: "Ein fliehendes Pferd". "Auf einmal saß ich im Zug zum Bodensee, habe zwei Nächte lang auf einem Schiff gedreht." Eigentlich hätte sie Theaterproben gehabt, stattdessen übte sie Joints drehen, lief einer von Muskelkater geplagten Katja Riemann über den Weg und stand mit Ulrich Noethen vor der Kamera. Vielleicht war ihr Auftritt in diesem Film ein Meilenstein ihrer Karriere. Für Friederich selbst zählen andere Dinge: "Mich interessiert die Arbeit, mich interessiert es, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die dasselbe wollen wie ich." Doch Leistung wird am Erfolg gemessen, das weiß sie. "Und nur weil da ein, zwei schöne Namen im Lebenslauf stehen, hat man noch lange nicht seine Brötchen verdient."

Zwischen Bühnenglanz und Einsamkeit

Seit ein paar Monaten nun ist sie bei einer Berliner Agentur unter Vertrag. "Meine Agentin unterstützt mich vorbehaltlos, ich bin sehr froh, gerade hier gelandet zu sein. Es hat einfach von der ersten Sekunde an zwischen uns gestimmt", meint Friederich. Rollen in einem "Tatort", in Kurzfilmen, Engagements in Stuttgart, Heidelberg, Düsseldorf, Linz, Nachwuchsförderpreis der Schauspielbühnen Stuttgart - in ihrem Lebenslauf stehen weit mehr als nur ein, zwei schöne Namen. Angekommen fühlt sie sich dennoch nirgendwo. Ihr Alltag ist ein Auf und Ab zwischen Bühnenglanz und Einsamkeit.

In hektischen Zeiten, in denen sie Drehs, Proben, Vorbereitungen für Castings unter einen Hut zu bekommen versucht, verwildert die Wohnung, die Wäsche stapelt sich. "Dann auf einmal ist alles vorbei und man fällt in ein tiefes Loch." Dann sind da wieder die Wochen, in denen die Agentur nichts von sich hören lässt, in denen sie sehnsüchtig auf das Klingeln des Telefons wartet und so manches Mal denkt: "Es ruft mich nie wieder jemand an."

Und doch sei es die Mühe wert: "Wenn man weiß, worauf man hinaus will, alle Kraft dafür aufwendet, wenn man nicht genug von der Arbeit haben kann, und wenn es dann auch noch gut wird - das ist ein großes Glück." Dafür, so sagt sie, lohnten sich auch die schwarzen Tage.

Lisa Friederich ist eine Alleskönnerin - sie ist hochintelligent, beherrscht mehrere Sprachen fließend, ist musikalisch und sportlich. Sie ist eine der Menschen, denen nach der Schule die Zukunft offen steht, die jeden Beruf ergreifen können, den sie nur wollen. Warum hat sie sich gerade für diesen Beruf entschieden, für ein Leben der Ungewissheit, der Unberechenbarkeit? "Platt gesagt war es diese riesige Liebe zum Theater, die Liebe zum Film", antwortet sie.

"Vielleicht kann man es einfacher haben. Es ist irrational, ja - aber die großen Entscheidungen im Leben sind meistens irrational", meint Friederich, seufzt ein wenig und lacht.

Auf der nächsten Seite: Model Anna-Ulrike Kostwein

Sie werden mal Stars

Alltagsstars im Rampenlicht: "Ich bin stets so alt, wie der Kunde mich haben möchte", sagt Anna-Ulrike Kostwein. Eigentlich wollte sdie Designerin werden, jetzt ist sie bei einer Modelagentur unter Vertrag.

"Ich bin stets so alt, wie der Kunde mich haben möchte", sagt Anna-Ulrike Kostwein. Eigentlich wollte sdie Designerin werden, jetzt ist sie bei einer Modelagentur unter Vertrag.

(Foto: Foto: tempo models)

Anna-Ulrike Kostwein, alterslos. Model.

"Ich habe gar kein bestimmtes Alter", sagt sie und lächelt geheimnisvoll. "Ich bin stets so alt, wie der Kunde mich haben möchte." Heute eine reife Frau, morgen ein junges Mädchen: Für Anna-Ulrike Kostwein gehört das zum Alltag. Sie arbeitet als Model - und dafür muss sie wandelbar sein, sogar was ihr Alter betrifft.

Kostwein lebt in Wien und wurde vor fünf Jahren von Schülern der Kunstakademie angesprochen, die mit ihr Fotos machen wollten. "Na ja, probieren wir das mal", dachte sie und stellte hinterher fest: "Macht ziemlich viel Spaß. Und das mit dem Geld verdienen ist auch nicht so schlecht." Eine Freundin drängte sie immer wieder, sich an Agenturen zu wenden, das Ganze professionell anzugehen. Kostwein selbst zögerte zunächst, hatte Bedenken: "Ich wusste nicht so recht, ob Modeln mein Ding ist." Irgendwann gab sie nach, stellte sich bei einer Wiener Agentur vor und erhielt zwei Tage später die Nachricht: "Sie sind in unserer Kartei."

Der Spaß an der Sache blieb, nur mit dem Geldverdienen sah es vorerst weniger rosig aus. "Am Anfang kann man nun einmal keine fette Kohle machen. Man übt viel, reist viel, sammelt Material und baut sich seine Mappe auf", erklärt Kostwein. Um die gewünschte Wandelbarkeit zu erreichen, muss ein Model international arbeiten, möglichst verschiedene Richtungen, möglichst verschiedene Fotografen kennen lernen. Kostwein, die aus einem kleinen Dorf in Kärnten kommt, stürzte sich vom ersten Tag an mitten hinein: "Türkei, Griechenland, Italien, bei mir ging es sofort richtig los."

"Es bleibt einem ja auch nichts anderes übrig"

Wo anderen jungen Mädchen vielleicht erst einmal die Knie zittern würden, bleibt sie gelassen. "Ja, es gehört Mut dazu, mir nichts, dir nichts für zehn Wochen nach Athen oder Mailand zu fahren - in eine fremde Stadt, ganz alleine, ohne zu wissen, was auf einen zukommt. Aber ich war vorher schon sehr spontan und bin durch meine Arbeit noch spontaner, flexibler geworden." Sie fügt hinzu: "Es bleibt einem ja auch nichts anderes übrig."

Anna-Ulrike Kostwein ist ein Mensch, der fröhlich und offen wirkt, sich selten aus der Ruhe bringen lässt. Vom Klischee des zickigen Models keine Spur. Sie gehört nicht zu denen, die schon als kleines Mädchen davon geträumt haben, vor Kameras und auf Laufstegen zu posieren - eigentlich wollte sie immer Designerin werden. "Und jetzt bin ich auf der anderen Seite gelandet", meint sie lachend. "Als Modepüppchen!"

Dass sie, wie sie sagt, "da einfach so reingerutscht ist", empfindet sie heute als großen Vorteil. "Der Konkurrenzkampf unter den Models ist hart und oftmals bissig. Aber mir ist das egal, ich mache mein Ding und habe mich niemals stressen lassen." Für sie ist es das Wichtigste, am Boden zu bleiben. "Viele Models leben in ihrer eigenen Welt, interessieren sich für nichts anderes und haben keine Ahnung von der Realität. Dafür habe ich meine Freunde: Das sind ganz normale Leute, die mit dem Modeln nichts am Hut haben - und das ist auch gut so!"

Nicht jedermanns Sache

Die Kunst, so meint sie, sei es, die Sache ernst zu nehmen und gleichzeitig locker zu bleiben. "Man darf sich nicht verrückt machen lassen. Als Model wird man beleidigt, klar. Vom Fotografen, vom Kunden, von Konkurrentinnen. Für die einen ist man zu dick, für die anderen zu dünn, zu klein, zu groß, die Haare sitzen blöd - das Model ist sowieso an allem schuld." Klingt brutal. "Die Leute sagen dir das direkt ins Gesicht", erklärt Kostwein. "Darum darf man das alles nicht zu nah an sich heranlassen."

Denn die Kunden nehmen keine Rücksicht auf Lust und Laune, Charakter oder Befindlichkeit des Models. Mal rennt Kostwein mit einem Stadtplan in der Hand von einem Casting zum anderen - und soll beim zehnten noch genauso frisch und strahlend wirken wie beim ersten. Mal ist sie mit Freunden unterwegs und bekommt einen Anruf: "Die wollen dich, geh sofort dorthin." Vorausplanen könne man in diesem Business nie, so Kostwein. "Da kann man dann nicht sagen, keine Lust, liege gerade im Park in der Sonne. Das ist Arbeit, die man zu tun hat."

Es sei kein leichtes Geschäft, meint sie, und auch nicht jedermanns Sache. "Ich habe Mädchen gesehen, die drogenabhängig, die magersüchtig geworden sind, weil sie den Druck nicht verkraftet haben. Um professionell zu Modeln gehört so viel mehr dazu als das Aussehen: Man muss geduldig sein, muss eine Menge einstecken können und man muss damit klarkommen, niemals hundertprozentig zu wissen, was als nächstes passiert."

Doch wenn es läuft, wie sie es sich erhofft, könnte Kostwein es sich durchaus vorstellen, auch die nächsten dreißig Jahre diesen Job zu machen. "Und es gibt beim Modeln ja noch so viele andere Sachen, die man ausprobieren kann. Videocasting zum Beispiel", meint sie. "Vielleicht bin ich dann irgendwann die 50-Jährige, die ihr in einer Werbesendung seht!"

Inzwischen hat sie einen soliden Kundenstamm. Werbeshootings, Wäscheshootings, Magazincover, Editorial und Shows - Kostwein möchte ihre Wandlungsfähigkeit in jeder Hinsicht beibehalten. Ihr selbst gefällt dieses Leben, gefällt es, in der Welt herumzureisen. Sie möchte sich auch außereuropäisch etablieren, ihr größtes Ziel ist es, einmal im asiatischen Raum arbeiten zu können. "Dafür würde ich alles stehen und liegen lassen. Die Regeln, die Verträge der Modewelt dort sind beinhart. Aber wenn man diese Fotos sieht, weiß man, dass es die Mühe wert war."

Auf der nächsten Seite: Gitarrist Christoph Wiesner.

Sie werden mal Stars

Alltagsstars im Rampenlicht: "Deckchair Orange" ist die Indie-Pop-Band von Gitarrist Christoph Wiesner. Den größten Auftritt hatten sie bisher als Vorband von "Clap your Hands Say Yeah".

"Deckchair Orange" ist die Indie-Pop-Band von Gitarrist Christoph Wiesner. Den größten Auftritt hatten sie bisher als Vorband von "Clap your Hands Say Yeah".

(Foto: Foto: Michael Steindorfer)

Christoph Wieser, 25 Jahre. Gitarrist der Band Deckchair Orange.

Ein Mädchen in einer Blumenwiese. Dicke Kopfhörer über den Ohren. Ein dickes Lächeln auf dem Gesicht. Vier Jungs in einem leeren, weißen Raum, gefüllt mit Phantasien. Ein Fahrrad. Ein Glas Wein. Tanzen. I have promised not to sleep. Deckchair Orange. Rose.

Die Band kommt aus Wien, hat diesen Sommer ihr Debütalbum herausgebracht, ihre erste Single und dazu auch gleich das erste Musikvideo: "Rose". Christoph Wieser ist Gitarrist und Backgroundsänger, Musik ist seine Leidenschaft. Er sieht aus, wie man sich den Gitarristen einer coolen neuen Band so vorstellt: wuschelige Haare, bloß nicht zu durchgestylt. Markante Gesichtszüge. Konzentrierter Blick. Er macht Musik, seit er denken kann. Mit fünfzehn, sechzehn waren es die typischen Schulbands mit ständig wechselnder Besetzung.

Vor sieben Jahren dann hat er seine heutigen Bandkollegen kennen gelernt, vor drei Jahren haben sie beschlossen, die Musik, das Bandprojekt ernsthaft anzugehen. Seitdem gibt es Deckchair Orange. Indie-Pop mit Schönwetter-Faktor - ihr Name passt zu ihrer Musik. Der erste Teil stammt aus dem The Thrills Song "Deckchair and Cigarettes", der zweite Teil steht für diese ganz bestimmte Atmosphäre, die Sommer verheißt, Sonne, Leben, Freiheit.

"Das Schöne an dieser Band ist", sagt Wieser, "dass sie ein Gemeinschaftsprodukt ist. Dass es vier Leute sind, die ihre Ideen einbringen, dass man zusammen Musik macht, dass niemand von uns eine Egosau ist, die keinen Widerspruch duldet." So professionell die Band arbeitet - tatsächlich wirkt Deckchair Orange wie eine große, glückliche Familie. Christoph Wieser ist der Bruder von Frontman Alex, befreundet sind sie sowieso allesamt und ach ja, das hübsche Blumenmädchen aus dem Video ist übrigens Wiesers Freundin. Vielleicht ist gerade das ihr Erfolgsgeheimnis: "Wir machen das jetzt schon so lange und der Spaß daran war immer da."

Der Erfolg kam langsam und entwickelte sich vor allem im letzten Jahr immer schneller, immer mehr. Als Eröffnungsband für Clap Your Hands Say Yeah spielten sie 2007 in der Münchner Muffathalle, begeisterten die Massen - und ganz besonders eine Person: den Produzenten Ron Flieger. "Hinterher kam er zu uns, sagte, dass ihm das Konzert gefallen hat. Wir sind ins Reden gekommen, und auf einmal bot er uns an, mit ihm ein Album zu produzieren", erzählt Wieser und setzt - immer noch staunend - hinzu: "Und so ist das alles viel, viel größer geworden, als wir uns jemals erträumt hätten."

Letzten Herbst dann wurde das Album "Deckchair Orange" in München aufgenommen, mit einem kurzen Ausflug ins New Yorker Sterling Sound-Studio. Nebenbei drehten die Vier noch ein Video, gaben rund 80 Konzerte in Deutschland, Österreich und Ungarn, standen neben Snowpatrol, Die Ärzte, Mia. auf der Hauptbühne des Salzburger Frequency Festivals.

In die Welt hinaus

"Puh", meint Wieser, wenn er an all das zurückdenkt, was innerhalb des letzten Jahres passiert ist. "Das alles ist nicht nur Glanz und Glamour, sondern auch ziemlich harte Arbeit." Wer eine CD in der Hand hält, denkt selten darüber nach, wie viel Zeit, wie viel Energie in diesem schmalen Plättchen steckt. "Natürlich macht es auch extrem viel Spaß", sagt er, "aber das Klischee, wie man es sich so vorstellt, dass man rumhängt, Bier trinkt und ein bisschen Musik macht, ist falsch." Der normale Tagesablauf während der zweimonatigen Albumaufnahme in München sah so aus: "Um neun Uhr hieß es aufstehen, direkt ins Studio, dort erstmal gefrühstückt und dann durchgearbeitet bis fünf Uhr. Dann nochmal einen Happen essen, weiterarbeiten, bis zwei Uhr in der Früh. Heimgehen, schlafen und am nächsten Tag geht's von vorne los."

In Wien sind sie seit langem eine feste Größe der Musikszene - doch Deckchair Orange will sich nicht auf heimischen Lorbeeren ausruhen. Das Wichtigste, so Wieser, sei es, über die Grenzen hinauszuschauen, international zu denken. "Wir machen das definitiv, wir wollen nicht auf diesem Lokalding sitzenbleiben. Man muss sich einiges zutrauen, darf nicht vor Ehrfurcht erstarren, wenn es auf einmal darum geht, ein Album in einer fremden Stadt aufzunehmen, darf nicht denken, oh nein, das ist so weit weg von zu Hause ... Wer langfristig erfolgreich sein will, muss auch mal hinaus in die Welt."

Deckchair Orange: Alex Wieser - Gesang, Gitarre; Christoph Wieser - Gitarre, Gesang; Klaus Molterer - Bass, Gesang; Wolfgang Bruckner - Schlagzeug, Gesang.

Auf der nächsten Seite: Volleyball statt Fußball. Simon Tischer ist auch international erfolgreich.

Sie werden mal Stars

Alltagsstars im Rampenlicht: Nach dem Sieg der Champions League 2007 in Moskau hält Simon Tischer (Mitte) den Pokal in der Hand.

Nach dem Sieg der Champions League 2007 in Moskau hält Simon Tischer (Mitte) den Pokal in der Hand.

(Foto: Foto: Privat)

Simon Tischer, 26 Jahre. Volleyballspieler.

Als kleiner Junge begleitete er seinen Vater zum Volleyballtraining, zu Spielen, zu Turnieren. Tollte mit dem Ball herum und blickte ehrfürchtig und voller Begeisterung auf zu den Sportlern, die in der Regionalliga erfolgreich waren. In der 6. Klasse meldete er sich dann bei der Schulvolleyball-AG an - ein Schwäbisch Gmünder Gymnasium als Talentschmiede. Tischer gefiel der Sport, er trat in den heimischen Verein ein, wechselte mit sechzehn zum SV Fellbach, landete dort 2001 in der ersten Liga. Hatte plötzlich die Qual der Wahl zwischen den Vereinen, entschied sich für den VfB Friedrichshafen, nahm letztes Jahr das Angebot des griechischen Erstligisten Iraklis Thessaloniki an und qualifizierte sich mit der deutschen Nationalmannschaft nebenbei noch für Olympia.

Die ungeplante Karriere eines kleinen Jungen, der nichts anderes will als ein bisschen Spaß am Ballspielen. Die Schritt-für-Schritt-Karriere eines talentierten Sportlers, der niemals das große Ziel, sondern immer nur die nächste Hürde vor Augen hat. Der nicht als Star geboren, nicht als Wunderkind bejubelt wurde, der beharrlich jede einzelne Stufe seiner Bilderbuchlaufbahn erklettert - ohne Höhenflüge, ohne Abstürze.

Manchmal kann Tischer es selbst kaum glauben. "Wenn ich früher, als kleiner Knirps, meinem Vater und seiner Mannschaft beim Training zugeschaut habe, dachte ich immer: Wow. Und dachte, wenn ich großes Glück habe, spiele ich vielleicht auch einmal in der Regionalliga. Und dann kam eins zum anderen." Obwohl Volleyball in Deutschland neben dem Volkssport Fußball stets einen schweren Stand hat, war Tischer in seiner noch jungen Karriere bereits Teil zweier Sensationen. Als erste deutsche Mannschaft überhaupt gewann Friedrichshafen in seinem dritten Jahr die Champions League. Im Mai diesen Jahres dann qualifizierte sich die deutsche Nationalmannschaft für Olympia - nach 36 Jahren die zweite Teilnahme und die allererste Qualifikation.

Ein Profi, der seine Leistung zu bringen hat

Aufgrund der Erfolge wurden andere Vereine, wurde die Welt aufmerksam auf den jungen deutschen Zuspieler. "Für Griechenland habe ich mich entschieden, weil in Deutschland die Möglichkeiten doch sehr begrenzt sind", erklärt Tischer. "Ich wusste, dass Volleyball in anderen europäischen Ländern einen viel größeren Stellenwert hat, das hat mich gereizt, es ist eine riesige Chance." Auch für seine persönliche Entwicklung sei dieser Schritt gut gewesen: "In Deutschland gilt man vielleicht als großes Talent, im Ausland aber ist man einfach ein Profi, der geholt wird und seine Leistung zu bringen hat." Und Tischer bringt seine Leistung.

Er hatte Glück, so meint er, sei an die richtigen Leute gekommen, die ihm vertraut, ihn gefördert hätten - insbesondere in Friedrichshafen, wo der Bundestrainer höchstpersönlich ihn unter seine Fittiche nahm. Dass niemand einen Spieler fördert, der kein Talent hat, dass kein Trainer einem Sportler vertraut, der keine Leistung zeigt, sagt er nicht. Simon Tischer ist einer dieser Menschen, die es nicht nötig haben, eingebildet zu sein. Er weiß, was er kann, und gerade deshalb braucht er sein Selbstbewusstsein nicht hinter Arroganz zu verstecken.

Spricht er über seine Erfolge, übt er sich in der Bescheidenheit desjenigen, der weiß, dass der Erfolg für sich selbst spricht. Und glaubt er, zu viel gesagt zu haben, schwächt er seine Aussagen gerne durch einen Nachsatz. "Als Zuspieler habe ich schon eine wichtige Position in der Mannschaft - relativ wichtig", meint er. Und: "Ich glaube, vor mir ist noch kein deutscher Zuspieler im Ausland so erfolgreich gewesen - was jetzt nicht arrogant klingen soll." Tut es nicht. Denn Simon Tischer überzeugt durch Taten, nicht durch Worte.

"Da musste schon so manches zurückstecken"

Er hat früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen, sich unter Druck konstant zu beweisen. Während seine Schulfreunde von der einen Party zur nächsten zogen, fuhr Tischer allabendlich zum Training nach Stuttgart. Lernte nebenbei für das Abitur und sagt heute über diese Zeit: "Egal, was wo los war, ich war meistens nicht dabei. Da musste schon so manches zurückstecken."

Während die anderen später studierten, die Freiheit und das Leben in vollen Zügen genossen, versuchte er, Volleyball und ein Betriebswirtschaftsstudium unter einen Hut zu bekommen - dann kam die Einladung in die Nationalmannschaft, "und dann ging gar nichts mehr". Während Gleichaltrige nun allmählich versuchen, irgendwie und irgendwo Fuß zu fassen, ihr Leben zu regeln, ihre Berufsleben in Gang zu bringen, ist Tischer bei einem griechischen Topverein unter Vertrag.

Dass er erwachsener wirkt als viele andere seines Alters, hängt sicher mit seinem Beruf zusammen, zeigt sich aber auch im Privaten. Simon Tischer ist verheiratet, hat eine sieben Monate alte Tochter. "Für mich hat sich ein Traum erfüllt. Ich habe jetzt eine Familie, das habe ich mir immer gewünscht. Ich mache mein Hobby zum Beruf, verdiene damit mein Geld. Und trotz aller Arbeit: Es macht immer noch genausoviel Spaß."

Tischer hat noch einiges vor: Seine Zukunft sehe er auf jeden Fall im Ausland - erst einmal. "Es gibt noch so viele andere tolle Länder, tolle Mannschaften, Russland, Italien zum Beispiel". Doch auch in Deutschland möchte er weiterhin erfolgreich arbeiten, seinen Teil dazu beitragen, den Sport auch in der breiten Masse zu etablieren.

"Auf das, was ich bisher geschafft habe, bin ich schon sehr stolz", sagt er. Und fügt rasch hinzu: "Wenn man das so sagen darf." Darf man.

Auf der nächsten Seite: Künstlerin Johanna Jäger.

Sie werden mal Stars

Alltagsstars im Rampenlicht: Johanna Jäger hat sich für die Kunst und gegen ein sicheres Leben entschieden. Jetzt lebt sie in New York und baut skurrile Installationen.

Johanna Jäger hat sich für die Kunst und gegen ein sicheres Leben entschieden. Jetzt lebt sie in New York und baut skurrile Installationen.

(Foto: Foto: Johanna Jäger)

Johanna Jäger, 23 Jahre. Künstlerin.

Auf den ersten Blick ein ruhiges Bild, ein harmonisches, beinahe idyllisches Bild. Eine junge Frau mit kurzen braunen Haaren lehnt an der Ecke einer Hauswand. Sie ist barfuss, trägt ein ärmelloses schwarzes Kleid, sitzt mit überkreuzten Beinen ein wenig abgewandt von der Kamera und blickt, den Ellenbogen auf der Hand aufgestützt, in die Ferne.

Beim genaueren Hinsehen fallen Details ins Auge. Die junge Frau sitzt in der Zwischenkante zwischen Hauswand und Tür - eine grobe, braune, teils bemalte Tür. An der Wand neben ihr hängt ein Kübel, in der eine kresseähnliche Pflanze wächst. Aus dem Kübel ragt ein dünner Schlauch heraus; das andere Ende hält die junge Frau in der Hand, hält sich den Schlauch lauschend ins Ohr. Und aus ihrem Mund, erkennt der Betrachter staunend, quillt Kresse.

"Ich dachte immer: Wenn du mit der Schule fertig bist, machst du etwas Vernünftiges", sagt Johanna Jäger und lacht. "Etwas Sicheres, Geregeltes, das Berufsaussichten hat, mit dem man sein Geld verdienen kann." Gemalt, fotografiert hat sie immer schon gerne. "Ich wusste, da ist irgendetwas in mir, da steckt auch etwas dahinter. Aber ich hätte niemals in Betracht gezogen, das zu meinem Beruf zu machen."

Nach dem Abitur entschied sie sich, für ein Jahr nach Frankreich auf die Kunsthochschule zu gehen. "Frankreich war mein Alibi", sagt sie. "Ich dachte, wenn ich planmäßig nach einem Jahr abbreche, habe ich zumindest eine Sprache gelernt." Nach einem Monat schon war ihr klar: Hier gehörte sie hin.

Ohne Vorgaben, ohne Noten, ohne Termine

Nach dem Frankreichaufenthalt wechselte sie an die Berliner Universität der Künste. Das System dort sei "super": "Man ist komplett auf sich alleine gestellt. Hier geht es vor allem um die Praxis - ohne Vorgaben, ohne Noten, ohne Termine." Die große Freiheit dieser Form des Studiums empfindet Jäger, die sich als einen Menschen bezeichnet, der "regelmäßig arbeitet", als durchweg positiv. "Ich würde es gar nicht wollen, dass mir jemand vorschreibt, mach mal das oder jenes." Einschränkend fügt sie hinzu: "Man braucht dafür aber schon eine Arbeitsweise, die stabil ist."

Beinahe am Ende ihres Studiums angekommen, macht Johanna Jäger sich allmählich auch Gedanken, was danach kommen wird. Momentan lebt sie in New York - einer Stadt, die als inspirierende Metropole gilt. "Hier gibt es so unglaublich viel Künstler, talentierte und erfolgreiche Künstler, die von der Stadt angezogen, in ihren Bann gezogen werden."

Gerade am Anfang experimentierte Jäger viel mit Materialien, Fotografietechniken, Stilrichtungen. Inzwischen arbeitet sie vor allem mit Fotografie - nicht dokumentarisch, sondern ausschließlich inszeniert. "Auf meinen Arbeiten bin meist ich selbst zu sehen, in einem Umfeld, das real nicht existiert. Ich entwickle und baue eine Art Installation, ein Bühnenbild. Zwischen dem Objekt und mir entsteht dadurch eine Situation, die absurd, surreal oder lustig sein kann."

"Etwas Intensives, vielleicht auch Egoistisches"

Zurück in Deutschland hofft sie, ein Atelier zu finden, möchte so viele Ausstellung wie nur möglich bestreiten. Man müsse von dem, was man tue, überzeugt sein, um diese Art Leben durchzuziehen: "Wer denkt, ach super, die Künstler sind die, die keine Lust haben zu arbeiten, der sollte es lieber gleich lassen." Wie jemand, der keine Lust auf Arbeit hat, wirkt Johanna Jäger nicht - ganz im Gegenteil. Sie strahlt Stärke aus, Zielstrebigkeit und ein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das standhält gegenüber all den vernünftigen Argumenten all der vernünftigen, vorsichtigen Menschen. Sie ist jemand, der sich traut, die guten Ratschläge in den Wind zu schießen und ihren eigenen Weg zu gehen. Es sei schwer, sagt sie, Außenstehende von ihrer Arbeit zu überzeugen, "weil sie in ganz anderen Maßstäben denken, Erfolg und Leistung nach Noten und Geld beurteilen."

Die guten wie die schlechten Zeiten fallen radikaler, extremer aus als in den meisten anderen Berufen. "Doch wenn du eine Idee, ein Projekt wirklich erfolgreich umgesetzt hast, ist das mit keinem anderen Gefühl zu vergleichen. Das ist etwas Intensives, vielleicht auch Egoistisches in dem Moment - und es macht einfach wahnsinnig viel Spaß." Jäger träumt davon, unabhängig und selbstbestimmt arbeiten zu können. "Die Chancen sind schlecht, das weiß ich", sagt sie. "Aber", setzt sie entschlossen hinzu, "es gibt sie - und wer von vorneherein resigniert, hat es nicht einmal probiert!"

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: