In dieser Woche war es mal wieder so weit: Zeit für ein Abschiedsvideo. Die vergangenen Monate konnten sich die Fans der deutschen Fußball-Nationalteams ja fast schon daran gewöhnen. Bei den Männern waren es Toni Kroos, Thomas Müller, Ilkay Gündogan und Manuel Neuer. Bei den Frauen traten Flankenzauberin Svenja Huth, Abwehrchefin Marina Hegering und die langjährige Stammtorhüterin Merle Frohms zurück. Das hätte wirklich gereicht, irgendjemand muss schließlich noch auf dem Rasen stehen. Aber ein weiterer großer Name kam hinzu: Auch Kapitänin Alexandra Popp hört im Nationalteam auf.
Der stilvolle Rücktritt zur richtigen Zeit, das ist eine ganz eigene Kunstform. Toni Kroos verabschiedete sich lieber gleich zweimal, nachdem er zur Heim-EM sein Comeback gegeben hatte, mit dem Ziel, den Titel zu gewinnen und auf dem Höhepunkt umjubelt Ciao zu sagen. Zumindest das mit dem großen Applaus hat geklappt. Auf wen also hören? Den Kopf? Den von all den Trainingseinheiten und Wettkämpfen verschlissenen Körper? Oder auf die Gefühle? „Ich habe immer betont, dass mein Bauch die Entscheidung treffen wird, und nun hat er entschieden“, sagte Popp. Ihr Körper sei eine tickende Zeitbombe, „bevor das Feuer ganz erloschen ist (…), ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen“.
Auch wenn die Entscheidung angesichts ihrer zahlreichen Blessuren verständlich ist, hätten viele die 33-Jährige vom VfL Wolfsburg gerne noch länger spielen sehen. Die Begeisterung um die Mittelstürmerin ist groß, weil Popp mit ihrer ganzen Wesensart – humorvoll und direkt, auf dem Platz energiegeladen und einschüchternd – so schön mitreißen konnte. Wie sie ihre Mitspielerinnen antrieb, wie sie den Ball aus allen möglichen Winkeln im Tor versenkte, berüchtigt für ihre Wucht bei Kopfbällen, war schon besonders.
Diese absolute Willensstärke hat sie einst gelernt von der Generation um Inka Grings und Birgit Prinz, die weit mehr um Anerkennung ringen musste. Das hat Popp geprägt, und mit ihr verabschiedet sich nun die letzte Spielerin dieser rauen, aber erfolgreichen Schule aus dem DFB-Kader. Popp steht zwar nicht für die glorreiche Zeit der acht EM- und zwei WM-Titel, aber sie verkörpert den Aufstieg des Frauenfußballs. Rund um die EM 2022, wo ihr Team (ohne die verletzte Popp) beim Finale in Wembley nur knapp an der Krönung vorbeischrammte, stieg sie zur bekanntesten deutschen Fußballerin auf. Den Schwung nahm sie mit, nicht zuletzt, um sich für bessere Bedingungen einzusetzen. Die gelernte Zootierpflegerin ist eben eine Kämpferin.
Ihr Höhepunkt im DFB-Trikot war Olympiagold 2016, zum Schluss gab es noch Bronze. Am 28. Oktober bestreitet sie ihre letzte, 145. Partie fürs Nationalteam in Duisburg. Dort, wo für sie 2010 alles begann. Dann ist Schluss. Und das ist doch ein gelungener Abschied von dieser Bühne für eine der Größten des deutschen Fußballs.