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Normalerweise geben Politiker in Interviews aalglatte Antworten. Diese Woche aber haben sich gleich zwei heftig blamiert - weil sie von Kindern befragt wurden ...

Von Nina Himmer

Ein Candystorm ist ein seltenes Phänomen. Normalerweise wüten im Internet eher Shitstorms: Wenn jemand in der Öffentlichkeit etwas Dummes sagt, fegt danach oft ein Sturm der Empörung durch die sozialen Netzwerke. Bei dem 13-jährigen Alexander aus Berlin war es diese Woche genau umgekehrt. Er wurde mit Beifall, Einladungen und Glückwünschen überhäuft, nachdem er für die Kindernachrichtensendung "Logo" den AfD-Politiker Tino Chrupalla interviewt hatte. In dem Gespräch forderte der Politiker, dass Kinder in der Schule mehr deutsche Gedichte und Volkslieder lernen sollten. Auf Alexanders Nachfrage fiel Chrupalla aber kein einziges Gedicht ein, geschweige denn Zeilen daraus. Peinlich, peinlich. Ähnlich erging es CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der von Pauline und Romeo, beide elf Jahre alt, für "Late Night Berlin" interviewt wurde - und bei Fragen zum Hambacher Forst oder zu Nazis so sehr ins Straucheln kam, dass er pampig wurde. Danach wurde viel diskutiert: Sind Kinder bessere Reporter? Oder werden sie nur vorgeschickt, um bestimmte Fragen zu stellen? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Einerseits zwingen Kinderfragen Politiker, verständlich zu antworten und sich zu erklären. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass Pauline und Romeo sich ihre Fragen selbst ausgedacht haben. So oder so waren die Reaktionen verräterisch. Alexander übrigens hätte eine Antwort parat gehabt: Er mag "John Maynard" von Theodor Fontane. Kennt er aus der Schule.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2021
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