Agentur "Die Liebeskümmerer":Zielgruppe: gebrochene Herzen

Wer sich ein Bein bricht, geht ins Krankenhaus. Wohin aber mit einem gebrochenen Herzen? Eine junge Berlinerin bietet nun Notfallpakete bei Liebeskummer an - wenn es sein muss, auch um vier Uhr morgens per SMS.

Malte Conradi

Irgendwann war er weg, der Mann, mit dem Elena Sohn den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Zurück blieben Lasse, der gemeinsame Hund, und eine Traurigkeit, die unendlich schien. Zwei Wochen musste die PR-Beraterin sich krankschreiben lassen, an Arbeit war nicht zu denken. Doch weil in der weitgehend problembefreiten westeuropäischen Welt fast jede Misslichkeit auf eine Marktlücke hindeutet, erkannte Sohn einige Wochen später, dass ihr Ex-Freund ihr noch etwas hinterlassen hatte: eine Geschäftsidee.

Agentur "Die Liebeskümmerer": Als sie Rotz und Wasser geheult hat, konnte ihr niemand helfen: Bei Elena Sohn ist die Trauer um die zerbrochene Liebe längst vergangen - die Geschäftsidee aber ist geblieben. Ihre Firma bietet nun Gruppenreisen für Verlassene und unglücklich Verliebte an. Wie die Stimmung in so einer Reisegruppe ist, das ist allerdings nicht überliefert.

Als sie Rotz und Wasser geheult hat, konnte ihr niemand helfen: Bei Elena Sohn ist die Trauer um die zerbrochene Liebe längst vergangen - die Geschäftsidee aber ist geblieben. Ihre Firma bietet nun Gruppenreisen für Verlassene und unglücklich Verliebte an. Wie die Stimmung in so einer Reisegruppe ist, das ist allerdings nicht überliefert.

(Foto: oh)

Tausenden geht es wie mir, dachte sie. Psychotherapeuten erzählten ihr, dass Liebeskummer ein zwar oft unterschätztes, aber ernstes Leiden sei. Neurologen hätten herausgefunden, dass im Gehirn eines Liebeskranken ähnliche Muster ablaufen, wie bei jemandem, der körperliche Schmerzen empfindet - etwa nach einer Verletzung. Andere sprechen von Entzugserscheinungen wie bei Drogenabhängigen. Und so wurde aus einer Idee ein Plan. "Wenn ich mir ein Bein breche, gehe ich ins Krankenhaus und lasse mich behandeln", sagt die heute 31-Jährige. "Warum konnte mir niemand helfen?"

Diese Lücke sollen nun "die Liebeskümmerer" füllen - so heißt das Unternehmen, das Sohn im vergangenen Frühjahr gründete. Auf gemeinsamen Reisen sollen Liebeskranke auf neue Gedanken kommen und Wege finden, ihre Trauer zu überwinden. Immer dabei: Eine Therapeutin, die den Mitreisenden in Gruppen- und Einzelgesprächen hilft, mit dem Schmerz umzugehen. "Ich verspreche niemandem, dass nach vier Tagen alles vergessen ist", sagt die Unternehmerin. Aber schon der Aufenthalt in einem schicken Landhotel könne helfen: "Man muss aus dem schmerzhaften Umfeld raus, wo alles an die vergangene Beziehung erinnert." Hinzu kommt ein Verwöhn-Programm: gutes Essen, Massagen, Sport oder ein paar Stunden mit einem Styling-Berater - was immer den Kunden hilft, sich wohlzufühlen und neuen Optimismus zu finden.

Das Konzept der Liebeskümmerer ist auf den ersten Blick so einleuchtend, dass Elena Sohn in den vergangenen Monaten immer wieder die Frage hörte, nach der sich jeder Unternehmensgründer sehnt: "Warum hat es das nicht schon lange gegeben?" In Deutschland sei es das erste Angebot dieser Art, sagt Sohn. Die Probleme des Geschäftsmodells zeigen sich erst auf den zweiten Blick. Zum Beispiel, dass die Zielgruppe unglaublich schwer zu erreichen ist. Wer an Liebeskummer leidet, zieht sich zurück und ist eher nicht in der Stimmung etwas zu unternehmen und neue Leute kennenzulernen.

Die erste Reise musste Sohn deshalb verschieben, statt im Juli fand sie erst Ende August statt. Sechs Teilnehmer verbrachten da ein Wochenende in einem romantischen Landhotel im Bergischen Land. Dass es länger dauert als gedacht, bis sich ihr Angebot herumspricht, bucht sie als Startschwierigkeit ab. Ziel sei es, die Marke so bekannt zu machen, dass die Menschen sich an sie erinnern, wenn sie die Hilfe der "Liebeskümmerer" brauchen könnten. Um das zu erreichen, müsste sie jetzt eigentlich ordentlich Werbung machen - am besten in Frauenmagazinen. Doch das ist zumindest bislang noch unerschwinglich für Sohn. Sie führt ihr Unternehmen aus ihrer Berliner Wohnung, das Startkapital waren ihre eigenen Ersparnisse.

Werbung auf Taschentüchern

Es kommen also subtilere Maßnahmen zum Einsatz, um das Unternehmen bekannt zu machen - Maßnahmen, wie Sohn sie in ihrer früheren Arbeit bei der PR-Agentur Scholz & Friends gelernt hat: Zweitausend auf Liebeskummer spezialisierte Psychologen sind informiert und verweisen, so hofft sie, vielleicht bald die ersten Kunden an die Liebeskümmerer. Zudem liegen Werbe-Postkarten in vielen Friseursalons aus, denn: "Frauen mit Liebeskummer gehen zum Friseur, das ist kein dummes Vorurteil". Genauso wären Kosmetiker, Fitnessstudios oder Reisebüros denkbare Partner, Sohn hat da noch so einige Ideen. Bald soll es Taschentücher und wasserfeste Wimperntusche mit dem "Liebeskümmerer"-Logo geben.

Ein weiteres Problem, das sich erst jetzt zeigt: Viele Kunden wollen sofort Hilfe und nicht erst in ein paar Wochen, wenn vielleicht die nächste Reise angeboten wird. Für solche Fälle hat Sohn einen SOS-Button auf ihrer Internetseite eingerichtet. Ein Klick darauf löst einen schrillen Alarmton auf ihrem Handy aus. Ob Tag oder Nacht, innerhalb von 30 Minuten verschickt sie dann ein kurzfristiges Reiseangebot.

Bald soll es auch die ersten Reisen für spezielle Kundenkreise geben, für schwule Männer etwa oder für Ältere. So oder so, mindestens eine achtköpfige Reisegruppe müsste Sohn Monat für Monat zusammenkriegen, um ihr Unternehmen rentabel zu machen. Vorwürfe, wie sie kürzlich im Internet aufgetaucht sind, sie würde die Not der Menschen ausnutzen, um Mondpreise durchzusetzen, machen die Jungunternehmerin "betroffen", sagt sie. "Die Reisen gehen in gute Hotels, es gibt ausgezeichnetes Essen und es ist immer ein Therapeut dabei - das kostet eben." Von den etwa 900 Euro, die Kunden für fünf Tage zahlen, bleibe da am Ende nicht viel übrig.

Und wenn es nicht klappt, wenn die "Liebeskümmerer" sich am Markt nicht durchsetzen können? Schade wäre es um die eingesetzten Ersparnisse, eine "niedrige fünfstellige Summe", sagt Sohn und wirkt dabei ziemlich gelassen. "Aber das wäre ein gutes Lehrgeld. Ich hätte in jedem Fall so viel gelernt wie noch nie und außerdem macht die Selbständigkeit Spaß." Das gilt wohl auch für Hund Lasse, der inzwischen eine neue Aufgabe gefunden hat: er arbeitet jetzt als Therapiehund.

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