Affäre um Carl XVI. Gustaf von Schweden:Monarch auf Abwegen

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Der Party-Prinz, der bei der Olympiade 1972 in München seine Traumfrau trifft und der Liebe wegen sesshaft wird. An dieses Märchen haben Carl Gustafs Untertanen geglaubt - und sind nun bitter enttäuscht.

Gunnar Herrmann

Seitensprünge und Stripclubs - es ist kein schönes Bild, das die schwedische Monarchie in diesen Tagen abgibt. Obwohl König Carl XVI. Gustaf selbst in China weilte, beherrschte er die Schlagzeilen in seinem Heimatland auch in dieser Woche wie kaum ein anderer.

Schwere Zeiten für Carl XVI. Gustaf: Die Ex-Popsängerin Camilla Henemark kündigte im Boulevardblatt Expressen ein Buch über ihr Verhältnis mit dem schwedischen König an. (Foto: dpa)

Viele Schweden können es nicht recht fassen, dass ihr Staatsoberhaupt hinter seiner biederen Fassade offenbar ein Doppelleben im Rotlicht führte. Genau das aber legt eine neue Biographie mit dem Titel Der widerwillige Monarch nahe. Und die Reaktion des Hofes hat bisher wenig Anlass gegeben, am Wahrheitsgehalt der schlüpfrigen Geschichten zu zweifeln.

Der Skandal trifft die Monarchie ins Mark

Dies ist das vielleicht Bemerkenswerteste an der ganzen Geschichte: dass das Königshaus selbst den Skandal, in dessen Mittelpunkt es steht, nicht richtig ernst zu nehmen scheint. Dabei trifft er die schwedische Monarchie ins Mark und wird mit Sicherheit langfristige Folgen haben.

Die Pressekonferenz, bei der Carl XVI. Gustaf vor einigen Tagen auf die Krise reagierte, gilt unter Kommunikationsexperten bereits heute als ein Paradebeispiel für einen rundum missglückten Auftritt.

Da stapfte der König, nachdem die Medien tagelang sein Privatleben in den Schmutz gezogen hatten, nach einer Elchjagd forsch auf eine Waldlichtung, wo etwa 60 Journalisten aus ganz Europa auf ihn warteten.

Dort riss er dann erst einmal ein paar Witze über Elchhintern, um schließlich zu verkünden, die in dem Buch beschriebenen Schmuddelgeschichten seien doch schon alt. "Wir blättern um, und sehen nach vorne. Das wird schön."

Ein Dementi klingt anders.

Der Monarch scheint zu glauben, die Untertanen würden sich schon wieder beruhigen, nachdem sie ein wenig dem Voyeurismus gefrönt haben. Doch so einfach ist die Sache nicht. Viele Schweden sind nach den Enthüllungen tief enttäuscht.

Zu Recht, denn jahrzehntelang haben ihnen die Lakaien der Royals folgendes Märchen aufgetischt: Es war einmal ein junger Partyprinz, der ab und zu über die Stränge schlug. Dann aber traf er bei den Olympischen Spielen in München die wunderschöne Silvia. Er machte sie zu seiner Königin - und sie machte ihn bürgerlich und sesshaft. Die beiden hatten drei Kinder und lebten fortan glücklich als Kernfamilie.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die schwedischen Medien eine Mitschuld haben am glorifizierten Image ihres Königshauses.

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Viele Schweden haben dieses Märchen geglaubt und in ihrem König vor allem auch ein Familienideal verehrt. Seit Carl XVI. Gustafs Hochzeit war die heile Familienwelt das wichtigste Markenzeichen der Stockholmer Dynastie. Die Untertanen waren stolz, dass in ihrer Monarchie keine "englischen Zustände" herrschen.

Skandal um ein königliches Sex-Video: Im Saunaklub "Power" soll sich Carl XVI. Gustaf regelmäßig mit Prostituierten vergnügt haben. Der Besitzer behauptet nun, er habe die Schäferstündchen des Königs auf Video. (Foto: AP)

Jetzt bekommen sie das Gefühl, auf einen PR-Trick hereingefallen zu sein.

Die Mär von der Familienidylle

Zunächst wird die Geschichte nun dazu führen, dass die schwedische Presse tiefer als bisher im königlichen Privatleben wühlt - allein schon, um sich vom Vorwurf der Hofberichterstattung reinzuwaschen. Schließlich sollen die meisten Klatschreporter lange von den Gerüchten gewusst haben. Doch aus Rücksicht auf den Regenten bohrten sie niemals nach und verbreiteten stattdessen lieber weiter die Mär von der Familienidylle.

Künftig werden sie anders arbeiten müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit retten wollen. Es kann also gut sein, dass weitere Enthüllungen bevorstehen.

Doch die Skandale bedrohen das Königshaus noch auf einer anderen Ebene. Die Republikaner haben die Affären dankbar aufgegriffen und blasen zum Angriff auf die Regierungsform. Zwar zeigen Umfragen, dass die Mehrheit der Schweden die Monarchie noch befürwortet. Aber sie zeigen auch, dass viele Untertanen sich Erneuerung wünschen und es gerne sähen, wenn der König seiner Tochter Victoria den Thron überließe.

Carl XVI. Gustaf hat diesen Wunsch bisher ignoriert. Damit aber führt er den Schweden deutlich den größten Nachteil einer Monarchie vor Augen: Einen König kann man sich nicht aussuchen. Man muss ihn akzeptieren, wie er ist.

© SZ vom 13.11.2010/holl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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