Paris ist nicht nur die Stadt der Liebe, sondern auch des Todes. Nirgendwo ist die ewige Ruhe so romantisch wie auf den Friedhöfen Père Lachaise, Montparnasse oder Montmartre. Auch Asnières-sur-Seine, nordöstlich der Innenstadt, besitzt einen idyllischen Gottesacker. Verwitternde Grabsteine unter uralten Bäumen, gekieste Wege mit dem ersten Herbstlaub, Gießkannen, Stelen, Skulpturen, um die sich Efeu rankt. Melancholische Melange aus Erinnern und Vergessen. Ein typischer Pariser Friedhof also - wenn die Bestatteten nicht so auffallend jung gestorben wären. Ob Larry, Kiki, Darius, Uriel oder Scampi, kaum einer lebte länger als 14 Jahre.
Ein Tier bleibt immer ein Kind, enttäuscht einen nicht, verlässt einen nicht.
(Foto: Stefan Ulrich)Dann fällt der Blick auf Hundeskulpturen, Katzen aus Granit, ein in den Grabstein geritztes Pferd und die vergilbenden Fotos auf den Marmortafeln, die Pudel, Bernhardiner, Siam-Katzen oder Hasen zeigen. Auch die Inschriften sind tierisch. "Darius war eine großmütige Mieze von außergewöhnlicher Intelligenz", ist auf einem Marmorgrab zu lesen.
Auf einem anderen Stein ist ein Bild angebracht, auf dem eine schwarzgelockte Frau einen schwarzen Pudel herzt. "Sophie, mein Baby", steht daneben. "Du und Deine kleinen Schwestern haben das Kind ersetzt, das ich nie hatte." Ein paar Schritte weiter, auf einem verwitternden Naturstein: "Schlaf mein Liebling, Du warst die Freude meines Lebens." Der Gruß gilt Kiki, einem Äffchen.
Dies hier ist der erste Tierfriedhof der Erde", versichert der Wärter, der in einem vergitterten Häuschen über das Reich der toten Tiere wacht. Zehntausende seien hier bestattet, Hunde und Katzen, Pferde, Meerschweinchen, Schafe, Papageien, Löwen, Fische. Sogar ein Spatz. Manche Herrchen und Frauchen kämen täglich, um Blumen zu bringen oder den Marmor zu polieren. Sogar Ausländer ließen ihre Tiere hier beerdigen, so bekannt sei dieses Gräberfeld.
Dabei war der Tierfriedhof von Asnières zunächst eine Provokation, über die viele Bürger verständnislos den Kopf schüttelten. Bis Ende des 19. Jahrhunderts landeten die toten Hunde und Katzen der Pariser meist im Hausmüll oder in der Seine. Weil dies zum hygienischen Problem wurde, gestatteten die Behörden im Jahr 1899, den ersten Tierfriedhof der Welt zu errichten. Die Idee hatte Marguerite Durand, eine umschwärmte Suffragette, die La Fronde, die erste feministische Tageszeitung Frankreichs gründete. Madame selbst hielt sich eine Löwin namens "Tiger", die später in Asnières begraben wurde.
Das Grab der Großkatze haben wir nicht mehr gefunden. Dafür stechen andere Monumente ins Auge. Ein lebensgroßer Labrador etwa, der aus hellem Kalkstein gemeißelt ist. "Bébé 1985 - 2000" steht auf der Tafel und: "Du, unser Hund, menschlicher als ein Mensch."
Ich bin immer wieder überrascht, welchen Schmerz viele Leute über den Tod ihrer Tiere empfinden", sagt Gérard Faburel. "Es mag Sie schockieren: Aber viele Menschen betrauern ihren Kater mehr als ihre Großmutter." Faburel sitzt in einem Büro voller Kunstblumen, fünf Autominuten vom Friedhof entfernt. An der Wand hängt ein Poster, das einen Laubbaum vor abendrotem Himmel zeigt. "Die Wahl der Ruhe", steht darauf.
Geld spielt keine Rolle
Der nachdenkliche Herr leitet das Tier-Bestattungsinstitut "Memory". Er bietet alles, vom Abholen und Kühlhalten des toten Tieres, über Särge in allen Größen, Grabsteine, Skulpturen und Monumente bis hin zur eigentlichen Beerdigung. Die Kosten reichen von 800 Euro für eine schlichte Bestattung ohne Grabstein bis zu 15.000 Euro für ein aufwendiges Grabmal. Hinzu kommen die Friedhofsgebühren, die sich auf Tausende weitere Euro belaufen können. Doch "Memory" gehen die Kunden nicht aus. Die Wirtschaftskrise, sagt er, spüre man nicht.
Unsere Kunden sind sehr motiviert, und es sind keineswegs nur ältere, alleinstehende Damen", sagt der Direktor. Vielmehr kämen Junge und Alte, Reiche und Arme, Ärzte, Arbeiter, Christen, Muslime, Juden. Die Beerdigungen liefen wie bei Menschen ab, mit einem Unterschied: "Die Gemeinde hat alles Religiöse auf dem Tierfriedhof verboten." Dabei kämen häufig Kunden, die eine christliche Kapelle errichten oder einen steinernen Koran aufs Grab legen wollten.