Adoption:Mutter - Mutter - Kind

In gleichgeschlechtlichen Beziehungen bleibt dem Partner nur die Stiefkind-Adoption. Eine neue Studie beleuchtet die Situation von Kindern in "Regenbogenfamilien" - und soll Vorurteile abbauen.

Laura Weißmüller

Wenn Emil seine Familie malt, stehen neben seiner erst wenige Monate alten Schwester Hannah und den Haustieren zwei Frauen: Stephanie und Ursula. Emil, 5, hat zwei Mütter - und das schon von Anfang an. Was für ihn Alltag ist, damit beschäftigt sich jetzt zum ersten Mal auch das Bundesjustizministerium.

Adoption: Sorgerechtsprobleme einer glücklichen Familie: Ursula und Stephanie mit den Kindern Emil und Hannah.

Sorgerechtsprobleme einer glücklichen Familie: Ursula und Stephanie mit den Kindern Emil und Hannah.

(Foto: Foto: Haas)

In seinem Auftrag hat ein Forschungsprojekt die Lebenssituation von Kindern in "Regenbogenfamilien" untersucht. Die 280 Seiten lange Studie, die diesen Donnerstag im Ministerium vorgestellt wird, ist überfällig, entstehen doch durch künstliche Befruchtung immer mehr Kinder in homosexuellen Partnerschaften. Doch für die neuen Familienmodelle fehlen die passenden Gesetze.

Aktuell stammt die Mehrheit der Kinder lesbischer Mütter und schwuler Väter zwar noch aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen, doch zunehmend entscheiden sich Lesben und Schwule mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner für ein Kind. Elke Jansen vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat allein in ihrem Projekt "Regenbogenfamilien" in den vergangenen vier Jahren 1000 homosexuelle Paare beraten.

Auf die aber warten hohe rechtliche Hürden: Anders als in heterosexuellen Beziehungen wird bei einer heterologen Insemination - einer Samenspende - der gleichgeschlechtliche Partner nicht automatisch mit der Geburt des Kindes rechtlicher Elternteil.

Was das heißt, merkt die Familie Rottenbacher jeden Tag: Zwar hat die 40-jährige Ursula, nachdem sie im vergangenen Jahr mit der 31 Jahre alten Stephanie eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen ist, das sogenannte kleine Sorgerecht für Emil und Hannah, doch das reicht für vieles nicht aus: In welche Schule Emil bald gehen soll, darf Ursula ebenso wenig entscheiden, wie sie seine Geburt beim Standesamt anmelden konnte.

Ist Stephanie krank, hat Ursula nicht die Möglichkeit, einen freien Tag zu nehmen, um auf Emil und Hannah aufzupassen - anders als jeder rechtliche Vater. Den Anspruch, Elternzeit zu beantragen, hat Ursula ebenfalls nicht. Und wenn Stephanie etwas zustoßen würde, dürften die Kinder von Rechts wegen nicht bei ihr bleiben. "Es ist eigenartig, man fühlt sich nicht dazugehörig und außen vor", sagt die Ko-Mutter. Dann überlässt sie das Reden ihrer Partnerin. Das Thema deprimiert sie.

Die einzige Möglichkeit, wie nicht leibliche Mütter in Deutschland eine rechtliche Elternschaft erlangen können, ist die Stiefkind-Adoption. Anders als in Schweden, Spanien, Südafrika oder einigen US-Staaten, wo die Ko-Mutter mit der Geburt des Kindes auch rechtliche Mutter wird, muss sie hierzulande ihre Fähigkeit zur Elternschaft erst beweisen - mit Gehaltsnachweis, Führungs- und Gesundheitszeugnis.

Auf der nächsten Seite: Ausländische Studien zeigen, dass es kaum Unterschiede zwischen dem Erziehungsverhalten von lesbischen und heterosexuellen Müttern gibt.

Zermürbendes Verfahren

Außerdem prüft das Jugendamt, ob zwischen ihr und dem Kind tatsächlich eine Mutter-Kind-Beziehung entstanden ist. Das Verfahren zur Stiefkind-Adoption kann dennoch so schnell gehen wie bei der Münchner Familie Kayser: Schon nach sechs Monaten hatte Magnus zwei rechtliche Mütter. Über das Gespräch mit der Frau vom Jugendamt müssen Simone und Eva-Marie trotzdem noch schmunzeln. Wie soll man auch die Beziehung zu einem Kind in Worte fassen, für das man vom ersten Moment an da war?

Der Fragenkatalog zur Stiefkind-Adoption passt eben nicht auf Familien wie die Kaysers oder Rottenbachers, sondern ist auf ein anderes Szenario zugeschnitten: Auf den Fall nämlich, dass eine Ehe zerbricht und der neue Partner der Mutter das fremde Kind adoptieren will.

"Die Stiefkind-Adoption entspricht nicht der Situation der lesbischen Paare. Hier wird das Kind schließlich in die Beziehung hineingeboren", sagt auch der LSVD-Sprecher Manfred Bruns, der als ehemaliger Bundesanwalt am Bundesgerichtshof schon vielen lesbischen Müttern geholfen hat, wenn sie Schwierigkeiten mit der Stiefkind-Adoption hatten.

Die Liste seiner Beratungsfälle ist lang: Mal soll für das Kleinkind ein Pfleger bestellt werden, bis es alt genug ist, selbst über die Stiefkind-Adoption zu entscheiden, mal sieht man keinen Sinn in der Adoption, da doch der biologische Vater bekannt ist. Trotzdem hat bis jetzt - früher oder später - jede Stiefkind-Adoption geklappt. Auch wenn dabei sichtbar wird, wie vermeintlich tolerante Menschen das Thema überfordert: "Es besteht eine große Offenheit für verschiedene Lebensentwürfe", so Bruns, "aber bezüglich Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt es immer noch große Vorbehalte."

Gerade die sollen jetzt mit der neuen Studie des Justizministeriums abgebaut werden. Die Soziologin Marina Rupp vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg hat mehr als zwei Jahre lang über die Lebenssituation der Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geforscht und dabei auch die rechtliche Situation untersucht: "Die gesetzlichen Rahmenbedingungen beeinflussen in gewisser Weise auch die Eltern-Kind-Beziehungen", sagt Rupp.

Mehr durfte sie bislang noch nicht sagen: Die Studie parkt seit Monaten im Ministerium. Deswegen verweist Rupp lieber auf die Vielzahl ausländischer Expertisen. Die haben ebenfalls alle bewiesen, dass es kaum Unterschiede zwischen dem Erziehungsverhalten von lesbischen und heterosexuellen Müttern gibt. Auch kam heraus, dass die Kinder weder gravierende Diskriminierungserfahrungen machen, noch Probleme haben, ihre Geschlechterrolle zu finden.

Das fiel auch Stephanie Gerlach auf, die für ein Buch über das Leben mit zwei Müttern oder zwei Vätern mit Menschen zwischen sechs und 31 Jahren gesprochen hat. Obwohl also Literatur zum Thema schon reichlich vorhanden ist, sei eine weitere Studie in Deutschland sinnvoll, so Rupp: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind überall verschieden.

Wie unterschiedlich allein die Gesetze in Europa sind, musste die Familie Rottenbacher erfahren. Das Gespräch mit der Frau vom Jugendamt haben sie hinter sich, trotzdem hakt seit mehr als einem Jahr das Verfahren der Stiefkind-Adoption: Ursula ist Österreicherin. Und in ihrem Land gibt es weder wie in Deutschland seit 2001 die Möglichkeit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft für homosexuell orientierte Menschen noch die Stiefkind-Adoption, die hierzulande gleichgeschlechtlichen Partnern seit 2005 erlaubt, die Kinder ihrer Lebensgefährten zu adoptieren.

Zwar könne Ursula Hannah und Emil adoptieren, unter der Bedingung jedoch, dass Stephanie alle Rechte auf die Kinder abtritt. Ein Unsinn, weswegen Ursula ihre Einbürgerung beantragt hat. "Dieses ewige Verfahren ist ziemlich zermürbend", sagt sie leise, bevor sie mit Emil zum Spielen ins Kinderzimmer geht. Stephanie redet sich dagegen in Rage: "Das ist doch ungerecht - sie darf für uns sorgen, sie darf für uns arbeiten, aber Rechte hat sie keine!" Und das, obwohl sie doch auch eine Mutter der Kinder ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: