Süddeutsche Zeitung

Adel in Deutschland:Die Rückkehr der Krautjunker

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Ein bisschen Will und Kate: Wenn am Wochenende Georg Friedrich Prinz von Preußen Sophie Prinzessin von Isenburg ehelicht, wird zwar nicht die ganze Welt zuschauen - doch zumindest ein Fernsehteam überträgt die Trauung live. Das Interesse an der Hochzeit des Preußen-Prinzen zeigt: Der deutsche Adel ist wieder heimisch geworden.

Gustav Seibt

Wenn am Samstag der noch junge Chef des Hauses Hohenzollern, der 35 Jahre alte Georg Friedrich Prinz von Preußen, in der Potsdamer Friedenskirche Sophie Prinzessin von Isenburg heiratet, und danach mit 700 Gästen im Schlosspark von Sanssouci feiert, wird nicht nur der Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck dabei sein, sondern auch der RBB live übertragen.

In vier Jahren, 2015, wird es 600 Jahre her sein, dass der erste Hohenzoller, Burggraf Friedrich von Nürnberg, von Kaiser Sigismund mit dem Kurfürstentum Brandenburg belehnt wurde. Da der erste nachweisbare Burggraf von Zollern beim schwäbischen Hechingen 1061 starb, kann die Dynastie, die bis 1918 die Könige von Preußen und die deutschen Kaiser stellte, schon in diesem Jahr auf 950 Jahre zurückblicken.

Auf den Spuren Fontanes

Solche Jahreszahlen haben inzwischen wieder viele Berliner und Brandenburger im Kopf. Die großartige Gesamtdarstellung der Hohenzollerschen Geschichte, die 1915, zum 500. Jahrestag der Belehnung mit Brandenburg, von Otto Hintze publiziert wurde, ist ein Bestseller in den Antiquariaten und wurde inzwischen wieder nachgedruckt. Einen würdigen, ebenso erfolgreichen Nachfolger fand sie 2006 in dem Preußen-Buch des australischen Historikers Christopher Clark, das in keinem bildungsbürgerlichen Bücherregal Berlins fehlt - es ist glänzend, ja witzig geschrieben, und es stellt einen Markstein in einem wichtigen kulturellen Prozess nach 1989 dar: die Rückgewinnung der Mark Brandenburg als historischer Landschaft, vor allem durch die neuen Berliner.

Seit die deutsche Hauptstadt wiedervereint und aus ihrer Einzäunung entlassen wurde, konnten ihre Bewohner das Umland zurückerobern und dabei nicht nur schöne, stille Landschaften, sondern auch Herrenhäuser, Kirchen, Schlachtfelder und Denkmäler entdecken. Sie taten das, was der größte Berliner Schriftsteller, Theodor Fontane, im 19. Jahrhundert vorgemacht hatte: Sie erwanderten sich die Mark Brandenburg mit lokalpatriotischer Neugier. Inzwischen gibt es viele Wandervereine und Fahrradclubs, die das Land zwischen Ruppiner See und Spreewald auf Fontanes Spuren besuchen.

Bei diesem Vorgang konnte auch der 1945 enteignete und verjagte märkische Adel nicht fehlen. Schon 1991 setzte das preußische Herrscherhaus durch die Rückführung der Särge von König Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen nach Potsdam ein damals noch hochumstrittenes Zeichen der Rückkehr. Kritiker fürchteten sich vor einer preußischen Reaktion und erinnerten besorgt an Militarismus und Obrigkeitsstaat. Zur selben Zeit wurde Berlin durch die Initiative zur Erneuerung des Stadtschlosses polarisiert.

Auf dem Land, in der Mark, spielten sich stillere Rückeroberungen ab. Die bei Kriegsende nach Westen geflohenen großen Häuser der Mark wie Finckensteins, Hardenbergs, Arnims und die Marwitz kehrten wieder in ihre Heimat zurück - mit Ausnahme der Hardenbergs, die im Dritten Reich verfolgt wurden, aber nicht durch Güterrestitution, sondern als Rückkäufer, Investoren oder Lokalpolitiker.

Heimatliebe und Familiensinn

So sitzt Hans-Georg von der Marwitz seit 2009 für den Landkreis Märkisch-Oderland, also fürs Gebiet seiner Familie, im Deutschen Bundestag, und Alard von Arnim, Mitglied im Kreisvorstand der CDU-Uckermark, war bis 2009 zehn Jahre Landtagsabgeordneter in Potsdam. Ein Graf von Finckenstein kehrte an seinen Geburtsort Madlitz bei Frankfurt an der Oder zurück, wo er das Herrenhaus sanierte und wo am Madlitzer See ein herrlicher Hotelkomplex entstand, während der Wald renaturiert und sich wieder selbst überlassen wurde. Dazu schrieb der Schriftsteller Günter de Bruyn eine Familiengeschichte der Finckensteins, die ebenfalls zum Bestseller wurde, genauso wie de Bruyns Bücher über die Berliner Klassik um 1800, in denen alle die genannten Adelsnamen als Mäzene und Kunstliebhaber auftauchen.

Was bei dieser märkisch-adeligen Renaissance wieder ans Licht kam, war aber nicht Preußen, der auf Militär und Disziplin gegründete Machtstaat, der den Adel ja nur in seinen Dienst genommen hatte, sondern etwas Älteres: die feudale Kulturlandschaft zwischen Elbe und Oder, die sich fast natürwüchsig, nämlich aus Heimatliebe und Familiensinn wiederherstellte.

Die rückkehrenden Adeligen kamen nicht als Herrschaften, sondern als Unternehmer, die vor allem in der neuen ökologischen Landwirtschaft erfolgreich wurden. Eigentlich sind es, wie schon im Mittelalter, Krautjunker, die nun wieder die Mark bevölkern. Die Mischung aus Literatur und Holundersaft, aus Fontane, de Bruyn und Fahrradausflug hat die Mark und ihren Adel gerade auch einem neuen Bürgertum wieder schmackhaft gemacht.

Wenn nun auch das Volk bei der Prinzenhochzeit am Samstag am Wegrand winken oder zumindest RBB schauen wird, kann das nicht groß verwundern.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2011
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