Accessoires:Her mit den Kröten!

Monika Jarosz fertigt knallfarbige und metallische Geldbörsen und Armbänder aus Aga-Kröten. In Australien sind diese Tiere heute eine Plage.

Von Sven Barthel

Im Pariser Atelier von Monika Jarosz ist gerade eine neue Lieferung eingetroffen. Es sind Kröten. Riesige Kröten. Die Accessoire-Designerin hat sie in Australien bestellt. Die Tiere sind ausgeweidet, aber nicht ausgestopft, und durch ein spezielles Gerbverfahren mit Chrom haben sie ihre natürliche Hautfarbe verloren. Das Rohmaterial ist so bizarr, wie es die Endprodukte der 38-Jährigen sind: knallfarbige und metallisch schimmernde Geldbörsen, Taschen, Gürtel , Armbänder. Köpfe und Körper der Tiere werden dabei so gut es geht erhalten.

Was Tierschützer auf den Plan rufen könnte, ist in Wahrheit gar keine so schlechte Sache. Im Jahr 1935 wurden die Aga-Kröten, so ihr vollständiger Name, auf einem Schiff von Südamerika nach Australien gebracht. Eigentlich sollte das gefräßige Tier aus Venezuela den Zuckerrohrkäfer bekämpfen, der sich dort über die Felder der Farmer hermachte. Am Ende vermehrten sich die Frösche, die über 20 Zentimeter lang werden, so blitzartig, dass sie zu einer der größten Plagen Australiens wurde. Politiker und Umweltverbände sind sich mittlerweile einig: Die Kröte muss weg!

Monika Jarosz sortiert die weiß-bläulich schimmernden Tierpräparate jetzt nach Größe und Struktur auf dem Boden ihres Ateliers. "Jede Krötenhaut ist so individuell wie ein Fingerabdruck", sagt sie. Die Haut ist viel dichter als zum Beispiel Lammleder. Man braucht deshalb für ihre weitere Verarbeitung weniger Farbe, sie trocknet schneller und hält länger. 14 Arbeitsschritte sind nötig, bis das Leder für die Gestaltung der Accessoires vorbereitet ist. Alles geschieht in Handarbeit: Die Beine müssen zum Beispiel abgetrennt werden. Was noch übersteht, wird von innen vernäht. Oder die ausgetrockneten Augäpfel werden durch schwarze Kristallsteine ausgetauscht. Das klingt rabiat. "Aber ich liebe Tiere. Meine Arbeit ist nur eine Form des Recyclings," erklärt Jarosz.

Die Idee, Accessoires aus Kröten herzustellen, kam ihr mit einem Geschenk. Ihr Freund brachte ihr vor fünf Jahren einen ausgestopften Frosch aus Neuseeland mit. "Ich empfand es erst mal als das Abstoßendste, was ich je bekommen habe." Am Ende siegte aber die Faszination über den Ekel, und eine Geschäftsidee war geboren.

An ihr Arbeitsmaterial versuchte Jarosz zunächst über Restaurants zu kommen, die Froschschenkel servieren. Bei der Zubereitung der französischen Delikatesse wird die Krötenhaut aber derart zerhackt, dass sich daraus nichts mehr herstellen lässt.

Schließlich wurde die Designerin bei einer Internet-Recherche auf das Problem der Australier aufmerksam und fand einen Lieferanten in Queensland. Dieser friert gesammelte Tiere ein oder taucht Netze voll mit Kröten in mit Stickstoff gefüllte Container, um sie sofort bewusstlos werden zu lassen. Die Frösche leiden dabei nicht. Millionen Kröten werden so verwertet. Die genaue Anzahl wird jedes Jahr aufs Neue staatlich festgelegt, abhängig von der Jahreszeit und dem von Biologen geschätzten Populationsstand. Nicht nur die Häute der Frösche werden verarbeitet, auch das Fleisch und die Knochen werden zu Mulch gemacht. Präparierte Exemplare landen als Souvenirs in Einkaufszentren.

Monika Jarosz hat mit den Kröten ein neues Material in der Modebranche eingeführt. Accessoires aus Kroko, Schlange, Rochen und Echse gibt es schon lange, Krötenhaut ist neu. Von der Anfangsidee bis zum ersten Modell verging rund ein Jahr des Experimentierens. Ein weiteres Jahr dauerte die Suche nach einer geeigneten Methode zur Farbfixierung.

Das handwerkliche Rüstzeug für ihre Arbeit schaute sich die gebürtige Polin bei befreundeten Modemachern ab, als sie noch als Model vor der Kamera stand. Mit ihren Eltern kam sie im Alter von zehn Jahren nach Frankreich. Eigentlich wollte sie Schauspielerin werden.

Accessoires: Die Froschkönigin: Monika Jarosz verkauft ihre Kröten-Kreationen unter dem Label Kobja.

Die Froschkönigin: Monika Jarosz verkauft ihre Kröten-Kreationen unter dem Label Kobja.

(Foto: Hersteller)

Schnell wurde ihre Kollektion so erfolgreich, dass sie damit auch Geld verdienen konnte. Vergangenes Jahr hat Jarosz die Anzahl der Geschäfte, die ihre Accessoires verkaufen, von 13 auf 26 verdoppelt. In Tokio, Mailand und New York sind die Kröten-Kreationen erhältlich, aber auch in Deutschland, bei Apartment in Berlin.

Kobja hat Monika Jarosz ihr Label genannt. Das ist polnisch und bedeutet frei übersetzt "kleine Kröte". Portemonnaies sind ab 250 Euro zu haben, für Taschen werden mindestens 1200 Euro fällig. "Durch Reibung in der Hosentasche und stete Benutzung wird das Leder poliert und mit der Zeit immer schöner", sagt die Designerin. "Nicht nur im Märchen können sich Frösche in etwas Charmantes verwandeln. Es muss ja nicht immer ein Prinz sein!"

Welche Frau will schon einen Schnösel mit Krone, wenn sie stattdessen eine Designertasche haben kann?

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