Abenteuer:Über Schnee, unter Sternen

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Kalt und einsam, weit weg und glücklich: 28 Stunden lang fährt Eva mit ihrem Hundeschlitten durch Norwegen. 200 Kilometer weit, über schneebedeckte Wiesen, an Krüppelbirken vorbei, auf gefrorenen Flüssen. Unsere Reporterin hat sie getroffen.

Von Nadine Regel

Rast bedeutet ruhen. Insgesamt mach Eva mit ihren Hunden auf den 200 Kilometern Strecke drei lange Pausen. (Foto: Jørn Losvar)

Bitterkalt ist es in Alta, einem Ort in Norwegen, fast 400 Kilometer nördlich des Polarkreises. Eva, 16 Jahre alt, Schülerin aus Düren bei Köln, steht auf den Kufen, konzentriert, den Blick geradeaus. Unter dem Skioverall trägt sie extrawarme Merinowäsche, die blaue Mütze hat große Ohrenklappen, ihre Hände stecken in dicken Handschuhen, mit denen sie gleich in weitere Handschuhe schlüpfen wird, die am Schlitten montiert sind. Dichte, weiße Atemwolken hängen vor den Schnauzen ihrer sechs Sibirischen Huskys wie Sprechblasen im Comic. Was sie wohl sagen würden?

Gleich geht es los, die ersten hundert Meter unter dem Jubel der Zuschauer, dann wird sie rausjagen in die Einsamkeit. 200 Kilometer liegen vor ihr, über schneebedeckte Wiesen, an Krüppelbirken vorbei, auf gefrorenen Flüssen. Das legendäre Finnmarksløpet. Eva fährt die Juniorversion einmal bis nach Suossjavri und eine Schlaufe zurück nach Alta, 28 Stunden lang, bis minus 20 Grad kalt.

Dick einpacken: Eva, 16, kurz vorm Start des legendären Finnmarksløpet. (Foto: Nadine Regel)

Eva ist mit Hunden aufgewachsen. Seit 20 Jahren hat ihr Papa schon Schlittenhunde, fährt selbst auch regelmäßig Rennen. Auch diesmal macht er mit, eine der großen Touren für Erwachsene, 600 Kilometer. Die Familie hat sich für Sibirische Huskys entschieden, die ganz typischen Hundeschlittenhunde: flauschiges Fell in verschiedenen Grautönen, spitze Ohren, Augen wie Gletscherbonbons. Die Hunde sind zwar etwas langsamer als Alaska-Huskys, dafür aber robuster und sehr, sehr freundlich.

Mit fünf Jahren ist Eva das erste Mal selbst Hundeschlitten gefahren, 30 Kilometer lang. Ihre Winterferien verbringt sie seither immer in Schweden, wo ihre Hunde von Oktober bis März leben. Da trainiert sie mit ihren Hunden. Im Sommer haben die Hunde frei. Da sind sie ganz in ihrer Nähe in Düren. Sie rennen ein bisschen durch die Gegend, spielen miteinander, hauptsächlich liegen sie aber faul in der Gegend rum. Fürs Training darf es nicht wärmer als zehn Grad sein, sonst wird es zu heiß für die Hunde. Eva kennt solche Rennen. Vergangenes Jahr war sie in Norwegen und Finnland.

"Die Nacht ist das schlimmste", sagt sie. Wenn sie allein mit den Hunden durch die Dunkelheit jagt, nur Schnee und Eis, Bäume und Sterne. Sie erzählt von diesem komischen Gefühl, das da in ihr hochkriecht. Schlafmangel, Hunger und Kälte mischen sich dann zusammen zu so etwas wie Heimweh. Ob es dieses Mal auch so wird?

Flauschiges Fell in verschiedenen Grautönen, spitze Ohren, Augen wie Gletscherbonbons: Evas Sibirische Huskys bei der Rennpause. (Foto: Eva Hess)

Sie wird drei Pausen einlegen, zweimal drei und einmal sechs Stunden lang. Die Hunde müssen versorgt werden, heißt: füttern, Mantel anziehen, knuddeln. An den Checkpoints überprüfen Tierärzte auch den Zustand der Hunde. Wer nicht mehr fit genug ist, darf nicht weiter mitlaufen. Die Hunde tragen schwarze Schühchen, an jeder Pfote eins, macht 24 Schühchen, damit sie sich nicht verletzten. Sie müssen über Schnee und Eis rennen und dabei insgesamt 120 Kilo ziehen, Eva und ihren Schlitten halt.

Schühchen an, volle Kraft voraus! Zwei der sechs Schlittenhunde sind links vom Bildausschnitt. (Foto: Jon Vidar Bull)

Die Hunde jaulen, ohrenbetäubend. Damit sie nicht jetzt schon durchstarten, hängt sich ein Quad mit einem Seil in die Rückseite des Schlittens ein und bremst die Tiere. Ausklinken: Drei, zwei, eins, die Zuschauer jubeln, Fahnen werden geschwenkt - und dann ist Eva auch schon auf und davon.

Die Hunde lenkt sie mit Kommandos. "Gee" heißt rechts, "Haw" links. Wenn die Huskys ein Hindernis links umfahren sollen, brüllt Eva "over haw", andere Seite: "over gee". Und wie bremst man? "Whoa". Oder über die Fußbremse. Für absolute Notfälle hat sie noch eine Art Anker, den sie in den Boden rammen kann.

Hat sie aber nicht gebraucht. Überhaupt lief es gut, erzählt sie drei Tage später. Das fiese Gefühl kam nicht auf, mit der Dunkelheit ist sie dieses Mal super klargekommen. Das liegt sicher auch daran, dass sie in der großen Pause in einem richtigen Bett mit Decke und Kissen schlafen konnte, immerhin dreieinhalb Stunden lang. "Die Hunde waren toll", sagt sie. Gemeinsam sind sie auf Platz acht über die Ziellinie in Alta gefahren. Jubeln, Fahnen schwenken.

Geschafft! Nach 28 Stunden und 200 Kilometern ist Eva mit ihren sechs Tieren wieder zurück in Alta. (Foto: Sten Tony Hansen)

Unterwegs sei es mal sehr kalt gewesen, minus 20 Grad. "Mit Fahrtwind ist das noch mal zehn Grad kälter". Ihr Gesicht war rot von der Kälte, an einer Stelle pelle sich sogar die Haut ab. "Jetzt bin ich richtig müde", sagt Eva. Morgen geht es wieder in die Schule, erst mal Deutschklausur: "Over haw!"

© SZ vom 18.03.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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