Temperament und Gottesfurcht, von einem Dirndlgewand gut zusammengehalten: Maria Hellwig, die Königin der Volksmusik, feiert ihren 90. Geburtstag. Ein Glückwunsch von Hans Kratzer. Am Montag feiert die volkstümliche Sängerin Maria Hellwig ihren 90.Geburtstag. Da liegt natürlich die Versuchung nahe, zunächst einmal die alten Titel aus dem Archiv zu kramen, mit denen die Fans ihren Liebling über Jahrzehnte hinweg feierten: Edelweißprinzessin, Königin der Volksmusik, manche nannten sie die "Jodel-Callas". Aber natürlich würden ihr derlei Prädikate nicht gerecht. Nicht nur weil schon Loriot wusste, dass das Jodeln Zukunft hat. Heutzutage jodeln Japaner, Heidi Klum und Popsängerinnen ganz ungeniert. An das bergfrische Volumen der Hellwig-Jodler reichen sie freilich nicht heran, was durchaus die Frage aufwirft, warum die Pop-Generation das Imitat bejubelt, das Original aber belächelt. Im Bild: Maria Hellwig, aus Funk und Fernsehen bekannte Sängerin, vor 20 Jahren. Foto: dp
Maria Hellwig gilt als eine der Leitfiguren der volkstümlichen Musik, einer Gattung, an der seit jeher der Makel des Minderwertigen, des Unechten und des Billigen klebt.Als Konkurrenten der echten, reinen Volksmusik stehen die volkstümlichen Musikanten im Verdacht, nur Geldmacherei im Sinn zu haben und Tradition zu verfälschen. Von diesen Anfechtungen hat sich Hellwig nie beeindrucken lassen. Dass man sie meist ernster nahm als ihre Nachfolger, liegt auch daran, dass ihr das Windige, Luckihafte eines Florian Silbereisen und ähnlicher Agenten der volkstümlichen Musik ganz fehlt.Im Bild: Maria Hellwig mit ihren Kollegen bei der ARD-Fernseh-Gala "Krone der Volksmusik" im Jahr 2001. Von links nach rechts: Maria Hellwig, Hansi Hinterseer, Moderatorin Carmen Nebel, Norbert Rier von den Kastelruther Spatzen, Stefanie Hertel, Markus Wohlfahrt von den Klosterthalern, Jantje Smit und Helmut Lotti. Foto: dpa
Andererseits wirkt ihre Fröhlichkeit auf der Bühne oft so überbordend, dass Zweifel an der Echtheit durchaus angebracht sind. Fast jeder, der Maria Hellwig privat kennt, bestätigt aber, dass sie tatsächlich diese grundheitere Person ist, die sie auf der Bühne darstellt. "Die Maria ist einmalig, so eine wie sie gibt es kein zweites Mal." Das sagt Thomas Berger, einer ihrer engsten Weggefährten.Im Bild: Maria Hellwig mit ihrer Tochter Margot im Jahr 2007 in einem Gasthof in Reit im Winkl. Seit 1963 treten Mutter und Tochter als gemeinsames Gesangsduo auf.Foto: ddp
Dass die volkstümliche Schein- und Glitzerwelt von ihr nicht Besitz ergriffen hat, belegt zum Beispiel Hellwigs Verhalten auf Tourneereisen. Vor fünf Jahren sei die Crew im Tourneebus unterwegs gewesen, erzählt Berger, und nach einem Konzert habe man ausdauernd gefeiert. Um vier Uhr morgens habe die Maria, 85 Jahre alt, die Flaschen aufgeräumt und den Bus sauber gemacht.Das ist es, was die Menschen um sie herum fasziniert: ihre Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit, die der Ruhm nicht zerstören konnte. Ein Freund, der pensionierte Forstbeamte Günther Penzl, ein profunder Kenner der Szene, sagt, Maria Hellwig sei von allen Stars und Sternchen am natürlichsten geblieben. "Sie ist nicht abgehoben, sie hat sich ihren Erfolg nie anmerken lassen."Im Bild: Margot und Maria Hellwig beim deutschen Vorentscheid des Grand Prix der Volksmusik 2006. Die beiden schafften es damals nicht ins Finale. Foto: dpa
Kurz nach dem ErstenWeltkrieg geboren hat Hellwig Armut und Entbehrungen noch am eigenen Leibe verspürt. Aus der katholischen Kindheit in den Alpen rühren auch ihr starkes Gottvertrauen und ihr Grundoptimismus her. Aber manchmal wurde auch der erschüttert.Bei Schallplattenaufnahmen starb ihr Ehemann Addi 1996 im Studio an plötzlichem Herzstillstand. "Nur für die Öffentlichkeit hab ich noch lustig zu sein", sagte sie damals tief getroffen. Ein Augeninfarkt raubte ihr auch noch die Sehkraft, aber sie jammert nicht: "Es gibt Leute, die sind noch viel ärmer dran als ich."Foto: dpa
Umso mehr klammert sie sich im Alter an die Bühne und den Gesang. Zuletzt funktionierten ihre Auftritte aber nur noch mit starken Schmerzmitteln, wie etwa am 9. Januar, als ihr Carolin Reiber die "Krone der Volksmusik" für ihr Lebenswerk überreichte. Noch einmal wurden die Stationen ihrer Karriere in Erinnerung gerufen. Wie sie schon als Kind im elterlichen Bauerntheater in Reit im Winkl sang, wie sie die Opernklasse der Münchner Musikhochschule besuchte.Sie fand den Weg ins Münchner Platzl, wo sie alsbald vom Rundfunk entdeckt wurde. Richtig populär wurde sie durch das Wunschkonzert des Bayerischen Rundfunks, dort wünschten die Hörer oft gleich mehrmals am Tag ihren Geburtstagsjodler.Im Bild: Maria Hellwig beim Autogrammkartenschreiben zu Hause in Reit im Winkl. Foto: dpa
Von 1970 an moderierte Maria Hellwig im Fernsehen Volksmusiksendungen, gemeinsam mit ihrer Tochter Margot. Die beiden zählten über Jahrzehnte hinweg zum festen Inventar der volkstümlichen Musik. Die Rezeptur lautet ganz einfach: Temperament, Gottesfurcht und Lebensfreude, von einem Dirndlgewand gut zusammengehalten.Im Bild: Maria und Margot Hellwig singen bei der Generalprobe zur Fernsehsendung "Das Winterfest der Volksmusik" im Jahr 2004. Foto: ddp
Mit ihrer Fröhlichkeit, mit vielen lustigen Musikanten und mit allerlei Illusionen bediente Maria Hellwig perfekt die Sehnsucht des Publikums nach einer heilen Welt. Und oft sogar noch mehr.Eine Studie der Universität Bayreuth erbrachte, dass gerade die Musik der Hellwigs auf alte Menschen sexuell stimulierend wirke. Neben den Fernsehauftritten wurde Hellwig als singende Wirtin in Reit im Winkl eine Touristenattraktion.Ihr größter Wunsch ist, am Muttertag wieder auf der Bühne zu stehen. Sie nimmt die Sache ernst, Maria Hellwig nimmt immer noch Gesangsunterricht.Im Bild: Maria Hellwig an ihrem 80. Geburtstag.Foto: ap