50 Jahre Diskothek:Balzen beim Bananenweizen

In der Zeit vor Haarausfall und Arthrose: Unsere Redaktion hat ihre wildesten, peinlichsten und schönsten Disko-Momente aufgeschrieben. Lustig war das nicht!

Einblick.

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50 Jahre Diskothek, Foto: dpa

Quelle: SZ

Vor rund 50 Jahren eröffnete mit dem Aachener Scotch Club die erste Diskothek in Deutschland. Zum Geburtstag hat unsere Redaktion ihre wildesten, peinlichsten und schönsten Disko-Momente aufgeschrieben. Lustig war das nicht! Ein Einblick.

Die Beule

Das "Roxy" in einer niederbayerischen Kleinstadt. Die Disko hatte nichts mit Roxy Music zu tun. Nichts mit Bryan Ferry und Brian Eno. Nichts mit Stil und Ästhetik, Avantgarde und Frauenkleidern an Männern. Obwohl: Viele Jungs hatten lange Haare. Aber die Decken waren niedrig, der Dreiklang aus Rauch, Bier und Schweiß hätte Bryan Ferry innerhalb von Minuten vertrieben. Die Kleinstadtjugend schwang hier in den neunziger Jahren das Haar. Und alle konnten spanisch. Zumindest wenn "Entre dos tierras" von Heroes del Silencio lief.

Ein Freund war gerade von zu viel spanisch, einem Bier zu viel und Haareschütteln etwas erschüttert und erholte sich an einem Tisch, den Kopf in die Hände gestützt. Doch der Kopf mit dem vielen Alkohol, den vielen Haaren und dem vielen Schweiß war zu schwer, knallte auf die Tischplatte.

Das Resultat war eine Beule. Belächelt am Montag in der Schule. Und ein gewaltiger Lacher nach den großen Ferien. Die Beule verschwand einfach nicht mehr. Direkt auf der Stirn, überdeutlich zu sehen, ragte sie einem entgegen. Die Diskobeule. Sie war bald kleinstadtbekannt. Und mein Freund musste nie wieder Eintritt bezahlen im Roxy. "Die Beule", so begrüßten ihn die Türsteher. Erst nachdem das Roxy nicht mehr angesagt war, ließ er sie sich wegmachen. Der Arzt musste fräsen.

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Im Bild: Howard Carpendale (oben rechts) im Jahr 1965 in Deutschlands erster Diskothek, dem "Scotch Club" in Aachen.

Und Sie? Schreiben Sie uns Ihr bestes Disko-Erlebnis! (Sie dürfen auch petzen, was Ihre Freunde Schlimmes erlebt haben!)

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50 Jahre Diskothek:Der Ausrutscher

50 Jahre Diskothek, Foto:  AP

Quelle: SZ

Bothe hieß die gute, die gute Disko. Anfang der Achtziger. Bothe, die Tanzschule. Direkt an der Eilenriede, dem großen Stadtwald von Hannover. Wir waren so ungefähr 13 und mussten einmal in der Woche zum Kurs, weil unsere Mütter uns ansonsten das Taschengeld gestrichen hätten.

Doch Samstag gab es Disko. Der Samstag, an dem ich kurze Zeit zuvor immer in die Wanne gesteckt wurde und danach im Bademantel Kung Fu im Fernsehen anschauen durfte.

Die Disko war ein neuer Lebensabschnitt, wir fühlten uns so erwachsen. Auch wenn sie schon um 17 Uhr anfing und um 20 Uhr wieder aus war. Bothe hatte neben der aufgeräumten Tanzfläche auch noch einen engen, niedrigen Schlauch im Keller, der eben nicht den mehr oder weniger ausgereiften Tanzschritten diente, sondern seine Existenz nur dem Hotten, Abrocken, Durchrütteln verdankte. Nach einer Stunde tropfte der Schweiß von der Decke. Alles war mehr als glitschig. Super Frau gesehen, nein Mädchen. Ich hin. Total cool, mit der Tolle von Patrick Swayze. Stellte mich vor sie, sah ihr beim Tanzen zu. Dann machte sie eine Pause und ich kam zu ihr. Locker lehnte ich an der Wand, meine Gleichgewicht wurde gehalten durch meine Hand an der Decke. Doch die Hand rutschte ab, ich fiel hin, direkt auf sie drauf. Ich lag auf dem Mädchen. Das war stürmisch, aber nicht so gewollt. Ich hab' sie nie wiedergesehen.

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Im Bild: Teenager in einer Münchner Tanzschule.

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50 Jahre Diskothek:Sehnsucht

50 Jahre Diskothek, Foto: dpa

Quelle: SZ

Eine Disko ist der richtige Ort für Singles, die keine mehr sein möchten. Man verbringt darin in jungen Jahren zu viele Stunden und gibt zu viel Geld aus. Immerhin sehnt man sich später mitunter danach zurück - vermutlich, weil es die Zeit vor Haarausfall und Arthrose war. In der Kur- und Landeshauptstadt, in der ich aufwuchs, gab es die beste Disko in einer Straße, die nach einem Kaiser benannt war. Zu einer gewissen Zeit tauchte hier nachts ein Mädchen auf, das Erika hieß, "Falco" sagte und neu aufgenommene Audiokassetten dabei hatte. Darauf war Musik, wie sie die Disko nie spielte, aber immerhin lief Falco: "Der Kommissar" und solche Sachen. Erika habe ich lange nicht gesehen, dafür aber war ich vor einiger Zeit wieder im einstigen "Victorian". Man kann es jetzt für bunte Abende mieten und mein bester Freund feierte seinen 50 dort. Die Discokugel drehte sich immer noch, doch Falco ist tot und Erika vermutlich verheiratet und Mutter. Die Disko ist ein Ort, an den man viele Jahre später besser nicht zurückkehren sollte.

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Im Bild: Ein Szenenbild des Musicals "Falco meets Amadeus", das im Jahr 2002 unter der Regie von Elmar Ottenthal in Oberhausen aufgeführt wurde.

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50 Jahre Diskothek:Die große Umarmung

50 Jahre Diskothek; Foto: iStock

Quelle: SZ

Manchmal gibt es in der Disco diesen einen Moment, in dem plötzlich Unmögliches möglich wird.

Das Ende einer Sommernacht im Münchner Atomic Café. Man ist mit Freunden durch die Nacht gezogen, Fremde haben sich angeschlossen und jetzt steht man mit alten und neuen Bekannten auf der Tanzfläche, die sich immer weiter leert.

Dann spielt der DJ das letzte Lied. "Forever Young" von Alphaville. Wir liegen uns in den Armen, singen mit - und plötzlich sind wir uns sicher: Wir werden es schaffen, für immer jung zu bleiben, egal was auch kommen mag.

Dann geht das Licht an.

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50 Jahre Diskothek:Barfuß

50 Jahre Diskothek, Foto: iStock

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Mit 15 in der "Tonfabrik" in Aalen. Es war meine Phase der langen schwarzen Kleider, zu denen nur schwarze Schnürschuhe mit hohem Absatz gingen. Darunter steckten meine Füße in schwarzen - natürlich - Polyester-Socken. Die wurden beim Tanzen ("The Temple Of Love") so heiß, dass ich auf der Toilette die Schuhe ausziehen musste. Ich hab' das nie wieder erlebt: Meine Füße, besser gesagt Socken, qualmten. So sehr hat Disko damals Spaß gemacht!

dgr

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50 Jahre Diskothek:Paartanz

50 Jahre Diskothek; Foto: iStock

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Vor zwölf Jahren auf dem Weg zu einem Tanzabend dachte ich: "Ausgeschlossen, dass man in einer Disko einen Partner fürs Leben kennenlernt". Am gleichen Abend stand ein Mann in der Disko, der dasselbe dachte.

Wir sind noch heute ein Paar.

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Und Sie? Schreiben Sie uns Ihr bestes Disko-Erlebnis! (Sie dürfen auch petzen, was Ihre Freunde Schlimmes erlebt haben!)

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50 Jahre Diskothek:Frische Landluft

50 Jahre Diskothek, Foto: dpa

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Es ist keine Schande, vom Lande zu kommen. Man muss nur die sieben goldenen Regeln beachten, wenn man in eine Disko will. In meiner Jugend in den frühen Neunzigern sahen die Regeln so aus: 1.) Den schlabberigsten Ökopulli aus dem Schrank holen und anziehen. 2.) Einen Dummen finden, der die Clique die nächstgrößere Kleinstadt fährt. 3.) Um 22 Uhr rustikal eingerichtete Diskos mit Namen wie "Café Klatsch", "Focus", "Tenne" und "Universum" betreten. 4.) Bei dem langhaarigen Typen mit dem Nirvana-Longsleeve hinter der Bar ein Bananenweizen bestellen. 5.) Sich lässig an dunkelbraune Stehtische stellen. 6.) Zu Songs wie "Westerland", "Come on Aileen" und "So lonely" entweder möglichst wild oder möglichst verträumt tanzen. Bei ganz großer Verträumtheit Schuhe ausziehen und barfuß weitermachen. 7.) Knapp zwanzig Jahre später darüber lachen.

Wer im Alter von 34 Jahren zum ersten Mal in eine Großraumdisko geht, stellt fest, dass heute sieben andere goldene Regeln gelten: 1.) Das noch eben bei H&M eingekaufte knappe Glamour-Ausgeh-Outfit zusammenstellen. 2.) Einen Dummen finden, der die Clique in die nächstgrößere Kleinstadt fährt. 3.) Nicht vor Mitternacht die Großraumdisko namens "Top Ten", "Avenue Park" oder "Way Up" betreten - vorher ist Kindergeburtstag. Dazu die eigene Clubkarte vorzeigen. Jeder ist VIP. Datenschutz spielt keine Rolle. Geld spielt ebenfalls keine Rolle. Bezahlt wird am Ausgang, wenn man den Überblick längst verloren hat. 4.) Bei den Frauen in Hotpants und BHs hinter der Bar Tequila bestellen und sich über die sieben Floors verteilen. 5.) Auf eine Box klettern und zu Hüttengaudi-Musik eine feste Choreographie mittanzen. (Wer nicht weiß, was er zu tun hat, sollte sich dringend ein Facebook-Profil anlegen.) 6.) Keine Sau-Rauslass-Party ohne Schaum! Reinstürzen! Nasswerden! Ausrutschen. 7.) Knapp zwanzig Jahre später darüber lachen.

Manche Dinge ändern sich nie. Zum Glück.

bre Foto: dpa

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50 Jahre Diskothek:Ode an die Dorfdisse

50 Jahre Diskothek, Foto: dpa

Quelle: SZ

1994 ist das Konzept "Disko" längst auch in die entlegensten Winkel des Allgäus vorgedrungen. Die Diskos hier heißen nicht "Studio 54" oder "Pacha", sondern "Sommerkeller" oder "Stechmücke".

Die "Socke" und die "Mücke" verbinden auf vorbildliche Weise die ländlich-rustikale Tradition der Region mit den Errungenschaften der Großstadt-Clubs. In der "Mücke" baumelt die Diskokugel über der Tanzfläche von einem Eichenholzbalken und wirft ihre Reflektionen über Eichenholzsitzecken mit Eichenholztischen bis hin zum Eichenholztresen mit Eichenholzbarhockern.

1994 ist auch das Jahr, in dem die Musikgruppe H-Blockx erstaunlich erfolgreich wird. Deren rustikaler Rock passt auch noch hervorragend zur Innenarchitektur der Dorfdisko. Bei ihrem Hit "Move" ("Move yo, move move yo") hüpfen dann dichtgedrängt zwei, drei Dutzend Teenager über die Tanzfläche, darunter auch ich, zum ersten Mal. Als die Menge dem Höhepunkt entgegenhüpft, gerate ich an den Rand der Tanzfläche. Dort steht ein Mann mit einem grauen Pullover der Marke "Uncle Sam". Uncle Sam war im Allgäu seinerzeit unter Bodybuildern sehr beliebt. Der Mann im Pullover ist offenbar der Auffassung, dass ich ihm zu nahe gekommen bin und schubst mich weg. Ich stürze nach hinten und halte mich reflexhaft am Uncle-Sam-Pullover fest. Der Uncle-Sam Pullover reißt an den Schultern ein und der Uncle-Sam-Pullover-Träger rastet aus. Als ich wieder zu mir komme liege ich unter einem Eichenholztisch.

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Im Bild: Gäste im Frankfurter Club "Dorian Gray", 1998

Foto: dpa

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50 Jahre Diskothek:In die Hose gegangen

50 Jahre Diskothek, Foto: dpa; Foto: Istock

Quelle: SZ

Es war meine vierte Woche in Detroit. Die Antidepressiva zeigten langsam ihre Wirkung, die Universität lief besser als geplant und auch die Tigers gewannen tatsächlich mal ein Spiel. Meine Freunde luden mich an diesem Freitag ein, in eine Disko zu gehen. "Aber was Anständiges anziehen, sonst lässt uns der Türsteher nicht hinein", war ihre einzige Bedingung, mich mitzunehmen. Ich werfe mich also in eine hypermoderne Jeans, die vor dem Abflug noch locker gepasst hatte - aber 98 Donuts und 18 amerikanische Frühstücke mit Pfannkuchen und Speck zeigen doch ihre Wirkung. "Egal", denke ich. "Dafür habe ich ein hellblau-weißes Knitterhemd darüber, das ist moderner als Nordic Walking."

Schon beim Betreten des Clubs merke ich: Ich bin der Star! Frauen lächeln mich an, Männer nicken mir anerkennend zu. Ich bin auf jeden Fall flirtberechtigt. Als Cam'rons "Hey Ma" gespielt wird, stürme ich auf die Tanzfläche - wieder ernte ich freundliche Blicke. Da kommt ein überaus attraktiver Mann auf mich zu und sagt: "Wir beobachten dich schon die ganze Zeit!" Er deutet auf eine Gruppe noch attraktiverer Frauen. "Nun muss ich dich was fragen." Ich überprüfe kurz den korrekten Sitz der Gesichtsmuskeln. Er sagt: "Wir haben eine Wette laufen: Entweder bist du Franzose oder stockschwul." Ich gebe meinem Gehirn Zeit, mit meinem Gehörgang auf eine Wellenlänge zu kommen - während sich meine amerikanischen Freunde auf dem Boden rollen vor Lachen.

Die Hose habe ich immer noch - für ganz besondere Anlässe.

jüsc

Foto: iStock

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50 Jahre Diskothek:Mädchen ansprechen

50 Jahre Diskothek, Foto: Reuters

Quelle: SZ

Mitte der Achtziger, man wurde erwachsen. Musik von AC/DC bis Chris de Burgh. Jungs in Bomberjacken, Mädchen mit halblangen Vorhang-Ponys.

Tanzen: peinlich berührt (alle), ums Coolbleiben bemüht (Jungs), kichernd und unrund (Mädchen). Ständiges Rein- und Rauslaufen, weil man sonst nur unsicher wurde.

Ein Mädchen auffordern: sehr, sehr riskant, nur nach eingehender Vorbereitung (siehe Rein- und Rauslaufen) und nur mit Gegengeschäften ("Wenn du mit mir tanzen willst, dann muss dein Freund aber mit meiner hässlichen Freundin tanzen").

Lustig war es nicht.

Im Bild: Angus Young von AC/DC bei einem Konzert.

Foto: Reuters

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50 Jahre Diskothek:Gebadet

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Quelle: SZ

Eine Schaumparty anno 1994 im stillgelegten Flughafen München-Riem. Keine Frauen, dafür viel Alkohol, viel Geblubber, viel Bumbumbeats, zu viele Erinnerungen daran. Sauber waren hinterher, gezeichnet auch. Die Haut: mumienhaft trocken.

Nach einem Tag ließ das Brennen der Augen nach, vier Tage später kehrte der Geruchssinn zurück. Seitdem kommt ins Wannenwasser höchstens Badesalz. Das nennt man wohl Schaumtrauma.

wrob

Foto: dpa

(sueddeutsche.de/bre/pfau)

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