Süddeutsche Zeitung

250 Jahre "Guinness"-Bier:Schäumende Ikone

Lesezeit: 3 min

Mehr als ein Getränk: "Guinness"-Bier ist eine irische Ikone. Zehn Millionen Pints werden täglich in aller Welt getrunken. Auf den 250. Geburtstag. Prost.

Wolfgang Koydl, London

Wenn man sich in einem englischen Pub bei seinen Mittrinkern richtig unbeliebt machen will, muss man bei der nächsten Runde nur ein Glas Guinness bestellen. Nicht wegen irgendwelcher angelsächsischer Rest-Ressentiments gegenüber keltischen Iren. Nein, es dauert nur zu lange, bis man den ersten, kühlen Schluck aus dem Glas nehmen kann - ganz genau gerechnet sind es 119,53 Sekunden. So lange braucht man, um ein Glas des irischen Nationalgetränks ordnungsgemäß in zwei Etappen zu zapfen.

Dieser kunstvolle Abfüllvorgang ist nur eine der Legenden und Mythen, die sich um den schwarzen Gerstensaft ranken, der weltweit seinen 250.Geburtstag feiert. Pünktlich um 17.59 Uhr irischer Zeit erhoben am Donnerstag Hunderttausende Menschen überall auf dem Globus ihr Glas und brachten einen Trinkspruch auf Arthur Guinness aus, der am 24. September 1759 einen Pachtvertrag für eine Brauerei am St. James Gate in Dublin unterschrieb. Der junge Mann, der mit einer Erbschaft seines Patenonkels von 100 Pfund ins Braugeschäft eingestiegen war, hatte grenzenloses Vertrauen in die Zukunft: Die Pacht läuft 9000 Jahre lang.

Streng genommen ist Guinness gar nicht schwarz. Die geröstete Gerste, die dem Getränk zugefügt wird, färbt das Bier nur so tief rubinrot, dass es im Glas schwarz wirkt. Die klassische Farbkombination aus schwarzer Flüssigkeit und dezent beiger Schaumkrone hat mittlerweile zahllose Kreationen von T-Shirts, Schlüsselanhängern und anderem Souvenirtand hervorgebracht, die allerdings nicht annähernd so gut verkauft werden wie das Bier selbst. Mehr als zehn Millionen Pints Guinness werden Tag für Tag weggeschluckt - in 150 Ländern. Allein in der Stammbrauerei in Dublin werden täglich vier Millionen Pints in Fässer und Flaschen abgefüllt.

Absolut krisenfest

Insgesamt gibt es 35 Brauereien in aller Welt. Der größte Absatzmarkt ist das Vereinigte Königreich, gefolgt vom Guinness-Mutterland Irland. Tüchtige Guinness-Trinker finden sich zudem in den USA und in den beiden schwarzafrikanischen Ländern Nigeria und Kamerun. Mit Guinness setzt der Getränkemulti Diageo, dem die Marke mittlerweile gehört, zwei Milliarden Euro im Jahr um. Im trinkfesten Irland, wo der Getränkeverbrauch als Folge von Rezession und Rauchverboten in den Pubs um vier Prozent eingebrochen ist, hat allein Guinness keine Einbußen hinnehmen müssen.

Arthur Guinness, der zunächst helles Ale gebraut hatte, entschloss sich, in Konkurrenz zu britischen Brauern zu treten. Der Erfolg gab ihm recht: Nur zehn Jahre dauerte es, bevor die ersten Fässer über die irische See nach England exportiert wurden. Seinerzeit galt dieses Bier als gesunde Alternative zu den anderen irischen Alkoholika Whiskey und dem schwarz gebrannten Gerstenschnaps Poteen.

Ob sich davon der wohl berühmteste Werbespruch der Brauerzunft ableitete, ist eher unwahrscheinlich. Aber das Motto "Guinness is good for you" wird noch heute mit dem Bier in Verbindung gebracht, obwohl der Slogan längst nicht mehr verwendet wird. Dabei scheint er sogar zu stimmen. Eine Pint Guinness enthält weniger Kalorien als die gleiche Menge Magermilch. Außerdem verlangsamt Guinness, so das Ergebnis medizinischer Untersuchungen, die Ablagerung von Cholesterin in den Arterien.

An den Zutaten kann es nicht liegen, die sind so wenig geheim wie rar. Ähnlich wie die meisten Biere besteht auch Guinness nur aus Wasser, Hopfen, Hefe und Gerste. Das Wasser, jedenfalls im Dubliner Brauhaus, kommt aus einer Quelle in den nahen Wicklow-Bergen. Eine Besonderheit ist das Verfahren, bei dem die Maische durch die Schwimmblasen von Fischen gefiltert wird - was zur Folge hat, dass Guinness für strikte Vegetarier eigentlich keine Option ist.

Eine irische Ikone

Aber mittlerweile ist Guinness ohnehin viel mehr als nur ein Getränk: eine irische Ikone, die für eine bestimmte Lebensart steht. Das Brauhaus mit angeschlossenem Museum und Kneipe am St. James Gate in Dublin hat sich mit mehr als einer Million Besuchern im Jahr zur größten Touristenattraktion des Landes entwickelt - auch für Besucher, die sich eigentlich nicht viel aus Bier und noch weniger aus dem gewöhnungsbedürftigen schwarzen Gerstensaft machen.

Schon früh setzte man bei Guinness auf schlagkräftige Anzeigenkampagnen. Zu einem der erfolgreichsten Nebenprodukte der Werbeindustrie entwickelte sich das alljährlich neu erscheinende "Guinness-Buch der Rekorde". Die Idee zu dem Sammelsurium von Höchst- und Bestleistungen kam dem damaligen Guinness-Direktor Hugh Beaver bei einem Jagdausflug im Jahre 1951. Weil niemand den Streit schlichten konnte, welches der schnellste Vogel Irlands sei, entschloss er sich, ein Nachschlagewerk mit diesen und ähnlichen Fakten in Auftrag zu geben. Die erste Ausgabe 1954 bestand aus lediglich 1000 Exemplaren und wurde als Werbegeschenk verteilt. Doch schon im Jahr darauf stürmte das "Guinness Book of Records" die Bestsellerlisten, von denen es sich seitdem selten hat vertreiben lassen.

So erfolgreich die Marke Guinness war, so sehr vom Unglück verfolgt war die Familie Guinness. Weil in fast jeder Generation ein Angehöriger auf gewaltsame Weise bei Unfällen ums Leben kam, spricht man gar von einem Fluch, der über dem Haus liegt. Die Familie selbst weist solche Spekulationen als puren Hokuspokus zurück. Dennoch dürfte man bei den Guinness die Eskapaden des jüngsten Sprosses verflucht haben. Die 29-jährige Clare Irby landete vor Gericht, nachdem sie sich auf einem Flug von Indien nach London volltrunken voll daneben benommen hatte.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2009
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