Zugspitzlauf:Tod am Gipfel

Das dramatische Ende des Zugspitzlaufs mit zwei Toten ist besonders tragisch - weil es vermeidbar war. Die Veranstalter versagten, als sie Verantwortung übernehmen mussten.

Birgit Lutz-Temsch

Der Lauf auf die Zugspitze hat mit dem Tod zweier Menschen ein tragisches Ende genommen. Der Sonntag steht symbolisch für eine Entwicklung, über die sich Bergwacht, Alpenverein und Hüttenwirte hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand schon lange beklagen: Immer mehr Menschen begeben sich allzu leichtfertig in Situationen, aus denen sie sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien können. Und sie geben ihre Verantwortung bei Bergführern oder Veranstaltern ab.

Der Extremsportevent auf die Zugspitze ist kein Stadtlauf in einer beliebigen Innenstadt, bei dem man sich jederzeit in einen geschützten Raum zurückziehen kann. Es ist ein Lauf über 2100 Höhenmeter durch hochalpines Gelände, in einem Gebiet, das für seine plötzlichen Wetterumschwünge bekannt ist. Dies sind Faktoren, die bei jedem Teilnehmer zu erhöhter Wachsamkeit führen müssten, die kein einziger der Teilnehmer ignorieren dürfte - gleich welche Aussage der Veranstalter trifft. Denn auch ein Veranstalter kann sich irren.

Viele Sportler, speziell Extremsportler, sind vor einer solchen Veranstaltung in ihrem Denken jedoch stark verengt: Manche bereiten sich monatelang vor, für einige ist dieser Lauf der Höhepunkt ihres Laufjahres. Dabei ist nicht jeder Bergläufer auch ein erfahrener Bergsteiger, oft ist er nicht geübt in der Wetterbeobachtung, weiß nicht, worauf er sich einlässt, wenn er im Tal steht und auf einen wolkenumhangenen Gipfel in knapp 3000 Meter Höhe blickt.

Was zählt, ist der Thrill des Außergewöhnlichen. Der Reiz, persönlich den höchsten Berg Deutschlands im Laufschritt zu bezwingen. Die Zugspitze - der Ort, an dem sich deutsche Nationalmannschaftsfußballer oder Spitzenpolitiker präsentieren - als Nonplusultra in einer expandierenden Freizeitgesellschaft.

Der Berg wird in dem Moment des Starts als eine Art Sportgerät betrachtet, der den Lauf den nötigen Schwierigkeitsgrad verleiht. Der Läufer konzentriert sich auf sich selbst und nichts anderes. Diesen Umstand kann man anprangern, man kann ihn geißeln, man kann in ihm eine generelle gesellschaftliche Entwicklung einer eindimensionalen Konsumhaltung sehen.

Was man jedoch als Veranstalter nicht darf, ist diesen Umstand zu ignorieren. Der Organisator eines hochalpinen Berglaufs muss nicht nur über die Risiken Bescheid wissen, die mit jedem Höhenmeter exponentiell steigen. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass gerade die Teilnehmer eines solchen Laufs wissen, wass sie sich zumuten können.

Im Gegenteil - der Ausrichter muss wissen, dass zumindest einige seiner Kunden diese Risiken aller Wahrscheinlichkeit spätestens nach dem Start unterschätzen. Denn mit dem Fortgang des Laufs tritt der Läufer in einen Zustand ein, der ihm den Blick auf die Realität weitgehend versperrt. Das Ziel will erreicht werden. Anders als ein hochalpiner Bergsteiger, für den ein mögliches Umkehren aufgrund widriger Bedingungen immer Teil seines Plans sein muss, existiert für den Bergläufer die Möglichkeit des Aufgebens in seinem Kopf nicht - sonst würde er es gar nicht auf den Gipfel schaffen.

2007 war der Zugspitzlauf wegen der schlechten Bedingungen verkürzt worden - was teils scharfen Protest der Läufer nach sich zog. Auch diesmal waren die Wetterverhältnisse in den Tagen vor dem Lauf im Zugspitzgebiet alarmierend. Auf sie hätte von einem umsichtigen Veranstalter, der die "Verrücktheit" seiner Läufer kennt, dennoch deutlich reagiert werden müssen. Gerade als Organisator extremer Veranstaltungen muss man die Menschen manchmal vor sich selbst schützen.

Nun steht die Frage im Raum, ob gerade die Proteste der Sportler aus dem vergangenen Jahr dazu führten, dass der Lauf in diesem Jahr zu spät verkürzt wurde. Allem Anschein nach waren die Organisatoren mit der Situation überfordert. Das dramatische Ende des Zugspitzlaufs ist besonders tragisch, weil es vermeidbar war, hätte man die Zugspitze als das gesehen, was sie ist: Ein anspruchsvoller Berg, und keine kontrollierbare Event-Arena.

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